
Nicht nur in Berlin mussten Einsatzkräfte um die eigene Sicherheit fürchten.
(Foto: dpa)
Die Silvesternacht ist für Feuerwehrleute, Polizei und Rettungskräfte ohnehin schon eine arbeitsintensive Zeit. Doch in diesem Jahr werden die Einsatzkräfte während ihrer Arbeit auch noch gezielt angegriffen.
Was ist passiert?
Vor allem in Berlin und in Hamburg wurden in der Silvesternacht Einsatzkräfte und Fahrzeuge von Feuerwehr und Polizei gezielt angegriffen. Mehr als 50 Feuerwehrleute, Einsatz- und Polizeikräfte wurden allein in der Hauptstadt verletzt. In Hamburg sprach die Feuerwehr von einer "erschreckenden Silvester-Neujahrs-Bilanz". Einsatzkräfte seien während der Silvesternacht mit Feuerwerkskörpern "aggressiv angegangen, regelrecht beschossen" worden. Polizeidienststellen im ganzen Land - wie etwa in Düsseldorf - berichteten zudem von "stark alkoholisierten Personen, Randalierern, Streitigkeiten und Körperverletzungsdelikten". Es sei "die intensivste Silvesternacht der letzten Jahre" gewesen, erklärte etwa die mittelfränkische Polizei. Gezielte Angriffe gab es auch in Essen und Bonn.
Was heißt "gezielt angegriffen"?
Der Berliner Feuerwehrsprecher Thomas Kirstein berichtete, dass 14 Löschzüge der Feuerwehr regelrecht in Hinterhalte gelockt wurden. Meist gingen Notrufe wegen brennender Autos oder Mülltonnen ein, wenn die Feuerwehr eintraf, um zu löschen, wurden die Einsatzkräfte mit Raketen und anderen Feuerwerkskörpern beschossen. Zum Teil seien auch Eisenstangen und Latten für die Angriffe verwendet worden, heißt es in einem Bericht der Berliner Feuerwehr. Über 50 Prozent aller angegriffenen Feuerwehrleute seien in Neukölln attackiert worden. Aber auch im Stadtteil Lichtenrade lockten Dutzende Unbekannte die Retter in einen Hinterhalt, zu Hilfe eilende Kollegen wurden mit Reizgas angegriffen, einem Feuerwehrmann wurde in die Hand gebissen. In Berlin warf jemand einen schweren Feuerlöscher in die Frontscheibe eines Rettungswagens, mit dem gerade ein Patient ins Krankenhaus gebracht wurde. Aus Hamburg wurden ähnlich Angriffe berichtet. Auf St. Pauli zielte ein 22-Jähriger mit einer Raketen-Batterie auf einen Streifenwagen, mehrere Beamtinnen und Beamte sowie Streifenwagen wurden an verschiedenen Orten der Stadt mit Böllern und Flaschen beworfen. Auch Feuerwehrleute, Notärzte und Sanitäter wurden angegriffen. Wie in Berlin musste sich auch in Hamburg die Feuerwehr zurückziehen und auf die Polizei warten, um Brände löschen zu können.
Wer waren die Angreifenden?
Augenzeugen berichten von Gruppen junger Männer. Es werden Altersspannen zwischen etwa 15 bis 35 Jahren genannt. Einige seien vermummt gewesen. Aus Berlin heißt es, man vermute, dass viele von ihnen einen arabischen Migrationshintergrund hätten.
Welche rechtlichen Konsequenzen gibt es für diese Angriffe?
Die Berliner Polizei nahm 98 Männer und 5 Frauen fest und leitete Ermittlungsverfahren wegen Brandstiftungsdelikten, Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Landfriedensbruchs sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte ein. Inzwischen sind alle 103 Festgenommenen nach Identitätserfassung wieder auf freiem Fuß, bestätigt ein Polizeisprecher der Bild-Zeitung. Der Bundestag hatte 2017 die Strafen für Übergriffe auf Rettungskräfte verschärft - auf bis zu fünf Jahre Haft.
Gibt es auch eine politische Debatte?
Diskutiert werden jetzt vor allem erweiterte Böllerverbote in Städten. Die Hamburger Innenbehörde kündigte eine detaillierte Lageauswertung an, um zu klären, ob es an bestimmten Orten eine erhöhte Gefährdung durch Feuerwerkskörper gegeben habe. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey forderte eine bundesweite Debatte über Konsequenzen nach den Angriffen. Innensenatorin Iris Spranger werde das Thema in der Innenministerkonferenz ansprechen. "Polizistinnen und Polizisten, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute brutal zu attackieren, muss mit der ganzen Härte des Gesetzes bestraft werden", forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte: "Der Rechtsstaat darf nicht zulassen, dass Menschen, die in unseren Städten friedlich feiern, und Einsatzkräfte, die ihren Dienst tun, derartigen Übergriffen ausgesetzt sind." Der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, forderte Maßnahmen zur Prävention, um Plünderungsversuche an Feuerwehrfahrzeugen und Böllerwürfe auf Einsatzkräfte künftig zu verhindern. Er sagte: "Es muss geprüft werden, ob eine Abschreckung durch Technik wie Dashcams oder Bodycams möglich ist."
Sind Angriffe auf Rettungskräfte und Polizeibeamte ein neues Phänomen?
Schon seit Jahren berichten Polizisten, Notärzte und Feuerwehrleute, aber auch Busfahrer, Mitarbeitende von Jobcentern und anderen staatlichen Stellen von zunehmenden Beschimpfungen und körperlichen Angriffen. 2022 ergab eine Umfrage des Beamtenbundes dbb, dass fast jeder vierte Befragte im öffentlichen Dienst schon einmal auf diese Weise zum Opfer geworden ist. Am häufigsten berichten Betroffene von Beleidigungen und Bedrohungen, es kommt aber auch zu Körperverletzungen und sogar versuchten Tötungen. Es gibt zudem eine hohe Dunkelziffer, denn sieben von zehn Übergriffen werden der Befragung zufolge im Durchschnitt nicht gemeldet.
Quelle: ntv.de