Glücklich allein Wenn es schwerfällt, die Single-Zeit zu genießen


Die Alleinzeit ist kein Makel, sagt Singlecoach Stella Schultner.
(Foto: IMAGO/Zoonar II)
Wer Single ist, muss nicht die Zeit seines Lebens haben - sollte sie aber auch nicht nur als Zwischenphase sehen. Man kann diese Zeit auch nutzen, um die Basis für die nächste Beziehung zu schaffen.
Alleinstehende sind in unterschiedlichen Bereichen des Lebens oftmals besser dran als vergebene Menschen. Das wurde von der Wissenschaft sogar belegt. Singles haben in der Regel tiefere Freundschaften, sind unabhängiger von anderen und mutiger im Beruf. Doch wünscht man sich langfristig eine Beziehung, wird die Single-Zeit oft als Wartezeit wahrgenommen. Man verfolgt halbherzig Ziele im Beruf oder der eigenen Fitness zuliebe, andere Veränderungswünsche schiebt man aber auf eine Zeit, in der man wieder zu zweit ist. Die nächste große Reise etwa wäre mit dem geliebten Menschen an der Seite doch viel schöner und der Umzug in ein Haus mit Garten ist dann auch viel leichter. So übernimmt man das Mindset, dass die eigene Singlezeit nur eine Übergangsphase ist, bis man wieder das Leben lebt, das man sich vorgestellt hat.
Im Schnitt sind Menschen zwischen einem halben und drei Jahren allein, bevor sie wieder eine Partnerschaft eingehen. Verglichen mit den Lebensjahren, die man in einer Beziehung verbringt, also eine eher kurze Zeitspanne, die es zu genießen heißt. Aber selbst Dauersingles mit einem Beziehungswunsch sollten die Zeit nutzen, um sich vor der nächsten Beziehung selbst besser kennenzulernen und so persönliches Wachstum anzustreben.
Nicht vergeben zu sein, bietet die Möglichkeit für aufregende Dates oder die Freiheit, sich nur auf sich und die eigenen Interessen zu konzentrieren. Das findet auch Stella Schultner, Single Coach und Psychologin in München. Sie rät, die Single-Zeit unbedingt zu genießen, auch wenn es mal schlechte Phasen gibt. "Es gibt Menschen, die genießen das Singlesein nicht so sehr und auch das ist in Ordnung", sagt sie ntv.de. "Wer nicht gern allein in den Urlaub fährt, kann sich eine Freundin mitnehmen und muss nicht allein ins Restaurant gehen. Jeder fühlt sich mal allein oder ist traurig, diese Gefühle sollte man nicht verdrängen, aber sie sollten nicht zur Grundstimmung werden." Es sei ganz normal, dass man sich in manchen Momenten jemanden an seiner Seite wünschen würde. Diesen Wunsch dürfe man auch gegenüber guten Freunden mal äußern. Schwierig würde es nur werden, wenn man diese Gefühle nicht mehr aushalten könne, ohne sich sofort ablenken zu müssen.
Was würdest du tun, wenn ... ?
Hierbei helfen kann die richtige Einstellung, die im besten Fall Mut, Zuversicht und Hoffnung transportiert. Wer überzeugt davon ist, dass der nächste Partner oder die nächste Partnerin bald auftaucht, wird offener durchs Leben gehen als jemand, der sich immer einredet, dass er allein bleibt. Bleiben die Gedanken eher negativ, hilft folgende Frage: Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du in einem Monat oder einem Jahr deinen nächsten Partner oder deine Partnerin kennenlernst? Viele Menschen würde allein dieser Gedanke bereits aufmuntern, sie würden zuversichtlich in die Zukunft schauen und das Beste aus ihrer Zeit allein herausholen wollen. Manche würden noch einmal mehr Zeit mit den Eltern oder Freunden verbringen, andere mehr Energie in den Job oder das eigene Wohlbefinden stecken.
So ist es auch leichter, das Singlesein nicht als Makel zu sehen, sondern selbstbewusst damit umgehen zu können. "Niemand muss sich dafür schämen, Single zu sein, denn es sagt nichts über unseren Wert als Mensch aus. Wer selbstbewusst darüber sprechen kann, zeigt, dass es nicht schlimm ist. Unsere Sicht beeinflusst auch, wie andere uns sehen", sagt Schultner. Auf keinen Fall sollte man sich selbst in die Opferrolle drängen. Das würde auch dazu führen, dass andere einen eher so sehen könnten.
Die Single-Zeit kann aber auch dazu genutzt werden, sich möglichst von den eigenen Problemen zu befreien und den Erfolg einer gesunden Beziehung zu erhöhen. Das klappt vor allem, wenn man über die eigene Vergangenheit und die Gegenwart reflektiert. Schultner sagt: "Die Single-Zeit kann auch eine Heilungsphase sein, in der man Themen von der letzten Beziehung oder auch Konflikte, die man sonst hat, verarbeitet. Man kann der Angst vor dem Alleinsein nur gegenübertreten, wenn man tatsächlich allein ist. Habe ich gelernt, dass ich allein sein kann, muss ich auch in meiner nächsten Beziehung keine Angst davor haben."
Wiederkehrende Muster
Schultner stellt auf ihrer Website passende Reflexionsfragen zur Verfügung, die helfen, eigene Konfliktthemen aufzuspüren und Vorstellungen zu hinterfragen. Was hat in der letzten Partnerschaft besonders weh getan? Lag das an meinem Partner oder habe ich auch Themen, an denen ich arbeiten will?
Manche Muster lassen sich nicht nur in Liebesbeziehungen finden, sondern zeigen sich auch in anderen zwischenmenschlichen Beziehungen, etwa in Freundschaften oder im Job. "Man sieht oft Parallelen zwischen den Konfliktthemen, die eine Person mit Partnern oder Partnerinnen hat und den Konflikten, die man sonst noch hat, etwa mit Freunden, Familie oder in der Arbeit", erklärt die Psychologin.
Führt ein Streit sehr schnell zu einer Funkstille oder möglicherweise sogar zu einer Trennung, kann man bereits mit Freunden lernen, Konflikte auszutragen und Harmonie wiederherzustellen, ohne gleich den Menschen zu verbannen. Kann man nur schlecht Grenzen in einer Partnerschaft setzen, kann man dies in der Arbeit probieren und öfter nein sagen zu Aufgaben, die nicht zum Aufgabenbereich gehören. Möchte man in der künftigen Beziehung seine Bedürfnisse besser äußern, kann man auch dies bereits mit der besten Freundin üben, wenn es um die Planung der nächsten, gemeinsamen Aktivität geht. "Manche glauben, dass es nichts bringt, wenn wir unsere Bedürfnisse aussprechen, aber es ist wichtig, dass wir das tun", erklärt Schultner. Das Aussprechen führe dazu, dass man die eigenen Bedürfnisse als wichtig anerkennt und ihnen Relevanz verleiht, selbst wenn das Gegenüber sie nicht erfüllen will.
Achten sollte man auch darauf, dass man selbst in der Lage ist, Werte zu leben, die man sich vom künftigen Partner oder Partnerin wünscht. Ist man fähig, mit Kritik umzugehen, wenn der Mensch gegenüber ehrlich ist und seine Meinung sagt? Kann man sich authentisch und verletzlich zeigen, selbst in schwierigen Situationen, wenn man sich dasselbe vom Partner wünscht?
Selbstsabotage statt Chancen nutzen
Auch Glaubenssätze spielen eine entscheidende Rolle im Leben, besonders wenn es um Beziehungen und Selbstwert geht. Zur Reflexion helfen Fragen wie: Glaube ich, dass ich genug bin und wieder jemanden finden werde? Habe ich es verdient, geliebt und geschätzt zu werden? Wer diese Fragen mit Nein beantwortet, wird vermutlich Chancen für eine neue Beziehung nicht sehen oder ergreifen. Wer die Fragen dagegen mit ja beantwortet, ist aktiver im Umgang mit anderen Menschen und zeigt sich offener für einen Flirt, sei es auf einer Party, im Büro oder sogar an der Supermarktkasse. "Negative Glaubenssätze können auf die Probe gestellt werden, indem man sich fragt, ob das zu 100 Prozent stimmt. Kann ich mit Sicherheit sagen, dass es auf der ganzen Welt niemanden gibt, der zu mir passen könnte?", sagt Schultner. Hält man sich aus Angst oder Zweifel zurück, sabotiert man sich oft selbst und lässt Momente vorbeiziehen, die eigentlich eine Chance bieten.
Besser ist es dagegen, wenn man sich als Single auf das Hier und Jetzt konzentriert und sich fragt, was einem jetzt im Moment am besten tun würde. Single Coach Schultner betont: "Je glücklicher ich bin, desto anziehender bin ich für andere Menschen. Man sollte auf keinen Fall Veränderungen und Träume aufschieben, weil man auf den richtigen Partner wartet. Beziehungen kann man nicht planen." Diese Einstellung hilft, sich auf das eigene Wohlbefinden zu fokussieren und unabhängig von einer Partnerschaft ein erfülltes Leben zu führen.
Verharrt man dagegen in Situationen, die auf einen künftigen Partner oder Partnerin ausgerichtet sind, verletzt man sich oft selbst damit. Vielleicht ist die aktuelle Wohnung perfekt für ein Paar oder kleine Familie, aber zu sehr verbunden mit der letzten Trennung oder Konflikten aus der letzten Beziehung. Dann sollte man sich überwinden, ein neues Zuhause zu finden. Wünscht man sich etwa, aufs Land zu ziehen, sollte man die Gelegenheit nutzen, es allein zu tun und nicht darauf hoffen, dass der nächste Partner mitzieht. Denn wer sich die eigenen Wünsche erfüllt, beweist sich nicht nur selbst, dass diese Wünsche Relevanz haben, sondern auch, dass man Dinge aus eigener Kraft heraus schafft.
Quelle: ntv.de