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Fünf Schritte zur Liebe 2.0Wie man Beziehungskrisen überwindet

14.12.2025, 17:17 Uhr foto-anna-krillerVon Anna Kriller
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Ist das Vertrauen erschüttert, muss es erst wieder aufgebaut werden. (Foto: Adobe)

Geht der Partner oder die Partnerin fremd, ist das für viele ein klarer Trennungsgrund. Dass es das nicht sein muss, zeigen die Tipps eines Paartherapeuten. Fünf Schritte können das Vertrauen wiederherstellen und die Liebe erneut stärken. In welchen Fällen das funktionieren kann - und wann man sich trennen sollte.

Kriselt es in einer Partnerschaft, steht man früher oder später vor der Entscheidung: bleiben oder gehen? Eine Trennung fällt den meisten gerade nach längeren Beziehungen sehr schwer - und ist womöglich auch gar nicht immer nötig. Wenn man es denn richtig anpackt. Diplom-Psychologe und Paartherapeut Markus Ernst weiß, was entscheidend ist, um Fehltritte und Krisen in der Liebe zu überwinden.

Für viele Paare ist Treue innerhalb der Beziehung zwar ein zentraler Faktor, Untreue aber nicht zwingend ein Trennungsgrund. Zumindest, wenn es sich um einen einmaligen Fehltritt handelt. Einer Studie der Dating-App Parship zufolge würden nur 46 Prozent der 1016 Befragten ihre Beziehung bei einem einmaligen Ausrutscher beenden. Interessanterweise ziehen hier eher Frauen (54 Prozent) als Männer (38 Prozent) den Schlussstrich. Anders sieht es hingegen bei einer wirklichen Affäre aus: Zieht sich der Betrug über einen längeren Zeitraum, ist das Vertrauen dauerhaft zerstört - und bedeutet für 69 Prozent (78 Prozent der Frauen, 61 Prozent der Männer) das Aus.

Anhand der Studie lässt sich ablesen, dass Frauen bei längerer Untreue tendenziell konsequenter und weniger verzeihend reagieren als Männer. "Ein Grund hierfür ist, dass viele Männer Fremdgehen eher körperlich verstehen, während es für Frauen oft als emotionaler Verrat empfunden wird", sagt Parship-Psychologe und Paartherapeut Markus Ernst im Gespräch mit ntv.de. "Der Vertrauensbruch wiegt deshalb schwerer: Es geht nicht nur um Sex mit einer anderen Person, es geht um die Sicherheit der Bindung. Das Fremdgehen wird nicht als Ausrutscher, sondern als Verlust von Verlässlichkeit erlebt, die das Fundament der Beziehung infrage stellt."

Gehe es in einer Partnerschaft darum, ob man gemeinsam einen Fehltritt überwinden könne, sei in jedem Fall immer der Kontext, die Reaktion danach und die Beziehungsqualität vor der Krise entscheidend, erklärt Ernst. "Wenn Reue und Einsicht vorhanden sind, ist Vertrauen gut reparierbar." Entscheidend sei dabei immer, ob das Verhalten ein Muster oder ein Ausrutscher sei. "Grundsätzlich lassen sich Fehltritte überwinden - das passiert aber nicht automatisch. Was hilft, ist ein klarer Prozess, der Verletzungen anerkennt, Verantwortung verteilt und Vertrauen konkret wieder aufbaut".

Fünf Schritte zur Krisenüberwindung

Zunächst sei es notwendig, den Fehltritt klar zu benennen - auch wenn es schwerfalle: Was genau ist passiert? Welche Grenze wurde überschritten? Was hat es beim anderen ausgelöst?

Im nächsten Schritt gehe es darum, Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise mit anerkennenden Sätzen wie "ich verstehe, dass ich dich verletzt habe". Ehrliche Reue zeige sich laut Ernst aber weniger in Worten als vielmehr im Verhalten. Wichtig seien konsequente Offenheit, verlässliche Absprachen und Empathie. In diesem Prozess sollte man sich auch immer den notwendigen Raum für Gefühle geben. "Beide Seiten brauchen Platz für Emotionen. Das könnten bei der verletzten Person Wut, Enttäuschung, Angst oder Trauer sein, bei der verantwortlichen Person Schuldgefühle, Scham oder Sorge. Paare können sich nur dann weiterentwickeln, wenn sie sich gegenseitig zuhören, statt den Schmerz zu minimieren."

Ein weiterer - und extrem wichtiger Schritt - sei es zu verstehen, was hinter dem Fehltritt steckte. Dabei gehe es aber nicht darum, den Fehltritt zu entschuldigen, sondern lediglich zu verstehen. War es Stress? Unerfüllte Bedürfnisse? Konfliktvermeidung? Sehnsucht nach Bestätigung? "Das Verstehen der Beweggründe kann die Gefahr der Wiederholung verringern", so Ernst.

Im weiteren Verlauf seien dann klare Absprachen notwendig: Was genau ändern wir? Welche Grenzen sind uns wichtig? Wie zeigen wir einander Sicherheit? Welche Situationen vermeiden wir oder gestalten wir neu? Dadurch könne der Alltag und infolgedessen auch die Beziehung wieder an Stabilität gewinnen, weiß der Paartherapeut. Klar müsse aber auch sein: Vertrauen wächst langsam, beide Partner brauchen Geduld. "Hilfreich können eine höhere Transparenz sein, offene Kommunikation über Unsicherheiten, Zuverlässigkeit in kleinen Dingen oder regelmäßige Check-ins mit Fragen wie 'Wie fühlst du dich heute? Was brauchst du?'."

Die durch eine Verletzung entstandene Distanz müsse jetzt durch Nähe und positive Erlebnisse langsam wieder abgebaut werden. Das könne durch gemeinsame Zeit, kleine Gesten der Verbundenheit, positive Interaktionen oder - wenn beide bereit dazu seien - emotionale und körperliche Intimität geschehen. "Die Heilung nach einem Fehltritt innerhalb der Beziehung ist kein linearer Prozess und Rückschritte sind ganz normal. Wichtig ist nicht Perfektion, sondern dranzubleiben."

Wann man sich trennen sollte

Einige Krisen können also durchaus gemeinsam überwunden werden. Es könne allerdings auch Situationen geben, in denen Liebe allein nicht mehr reiche, weil der Preis für das Bleiben zu hoch werde, warnt Ernst. "Bei bestimmten Fehltritten oder Mustern ist eine Trennung oft der gesündere Schritt - selbst wenn Gefühle noch stark sind." Dies sei beispielsweise der Fall bei körperlicher oder psychischer Gewalt. "Die Erfahrung zeigt, dass Gewalt über die Zeit eskaliert. Liebe kann Gewalt nicht heilen, Selbstschutz geht hier absolut vor." Auch wiederholte schwere Lügen oder ein Doppelleben entziehen einer Beziehung die Grundlage. "Vertrauen ist die Basis jeder Beziehung. Wenn dieses dauerhaft gebrochen wird und sich der oder die andere weigert, transparent zu werden, fehlen die Bedingungen zur Heilung."

Auch für 76 Prozent der Studienteilnehmenden ist körperliche Gewalt ein absolutes No-Go. Lügen und Täuschungen sind für 66 Prozent ein unverzeihlicher Trennungsgrund, Beleidigungen für immerhin 33 Prozent. Abwertung, Verachtung und Respektverlust sagen laut Forschung am sichersten eine Trennung vorher, weiß Ernst. "Liebe kann neben Verachtung nicht bestehen. Es besteht die reale Gefahr, dass das Vertrauen in die eigene Würde verloren geht." Problematisch sei auch eine dauerhafte emotionale Unverfügbarkeit. Hört der Partner beispielsweise regelmäßig nicht zu, wertet Gefühle ab, verweigert Nähe oder zeigt keine Bereitschaft zur Paararbeit, werde die Liebe auf Dauer zu einem einseitigen Kraftakt. Eine Trennung sei dann oft der bessere Weg.

"Eine Trennung trotz Liebe ist wahrscheinlich einer der schwersten Schritte überhaupt. Man sollte aber bedenken, dass Liebe zwar ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor für eine gesunde Beziehung ist", betont Ernst. Manchmal sei Distanz der einzige Weg, die eigene Stabilität oder Sicherheit zurückzugewinnen.

Quelle: ntv.de

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