Panorama

Es geht erschreckend schnell Wie weit ist Omikron in Deutschland?

In Vero-Zellen gezüchtete Omikron-Viren (rot floureszierend).

In Vero-Zellen gezüchtete Omikron-Viren (rot floureszierend).

(Foto: imago images/UIG)

Die Sars-CoV-2-Variante Omikron verbreitet sich auch in Deutschland immer schneller. Ist die Entwicklung ähnlich wie in Dänemark oder Großbritannien, wird die Zahl der Neuinfektionen insgesamt schon bald wieder steil ansteigen und Krankenhäuser vor kaum lösbare Probleme stellen.

Gestern zählte das vom Twitter-Nutzer @sven9161 geführte Projekt "Tracking Covid-19-Omicron-Variante in Germany" in Deutschland 434 bestätigte Omikron-Infektionen und 196 Verdachtsfälle, insgesamt also 630. Die Zahlen sind aktueller als die des RKI, das sie rückblickend mit bis zu zwei Wochen Verzögerung veröffentlicht. Der Wert scheint noch nicht besonders hoch zu sein, doch weil sich die Coronavirus-Variante extrem rasant ausbreitet, ist die höchste Alarmstufe angesagt. Denn die Entwicklungen in Großbritannien oder Dänemark zeigen, dass die Situation auch in Deutschland schon in wenigen Wochen sehr ernst sein könnte.

Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) meldete am 8. Dezember 568 Omikron-Infektionen. Am nächsten Tag waren es weitere 249, am 10. Dezember insgesamt schon 1265. Damit hatten sich die registrierten Fälle innerhalb von zwei Tagen mehr als verdoppelt. Gestern zählte das UKHSA bereits rund 10.000 Omikron-Infektionen. Heute kamen "nur" 1691 hinzu, was aber auf Probleme der Testlabore angesichts von 7-Tage-Inzidenzen jenseits der 600 Fälle pro 100.000 Einwohner zurückzuführen sein könnte.

Britische Modelle sehen fast 40 Millionen Infizierte

Wissenschaftler der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) haben für eine Preprint-Studie ermittelt, welche Folgen die rasante Vermehrung der Sars-CoV-2-Variante B.1.1.529 bis Ende April haben könnte, wenn keine Maßnahmen über "Plan B" hinaus eingeführt würden. Für den besten Fall, in dem Omikron nicht so ansteckend ist und Booster gut wirken, kommen die Berechnungen auf bis zu 23,4 Millionen Infektionen, wobei der Höhepunkt der Welle Mitte Januar wäre. Die Hospitalisierungen erreichten dann 60 Prozent der Winterwelle 2020 und bis 30. April erhöhte sich die Zahl der britischen Covid-19-Opfer um bis zu 28.700 Tote.

Im schlimmsten Fall kann die Variante eine Immunabwehr sehr stark umgehen und Auffrischimpfungen erweisen sich als wenig effektiv. Für dieses Szenario ermittelten die Wissenschaftler bis zu 36,9 Millionen Omikron-Infektionen, doppelt so viele Krankenhauseinweisungen als im Januar 2021 und bis zu 82.900 Todesfälle.

"Auf Deutschland übertragbar"

Solche Modelle ließen sich auch auf Deutschland übertragen, was bedeutete, dass knapp 50 Prozent der Bevölkerung betroffen sein würden, sagte Physiker Dirk Brockmann gestern bei einer Veranstaltung des Science Media Center (SMC). Zwar seien dies hypothetische Annahmen, aber sie zeigten, "wie durch Omikron sehr, sehr hohe Fallzahlen erreicht werden können".

Omikron in Deutschland

Omikron in Deutschland

(Foto: @sven9161)

Die in Deutschland ermittelten Omikron-Zahlen sind bisher noch zu knapp, um Aussagen zur Verdopplungszeit zu treffen. Definitiv nimmt die Verbreitung der Variante aber an Fahrt auf, wie eine von @sven9161 erstellte Grafik veranschaulicht.

2G und 3G halten Omikron kaum auf

Man könnte annehmen, dass sich die Variante hierzulande nicht so schnell ausbreitet, da die Bundesrepublik schon vor Omikron strengere Corona-Maßnahmen eingeführt hat. Doch zumindest die 2G- oder 3G-Regeln machen möglicherweise keinen allzu großen Unterschied aus. Das dänische Statens Serums Institut (SSI) listet die dänischen Fälle nämlich inzwischen auch nach Impfstatus auf. Demnach waren am 12. Dezember von bis dahin 5377 registrierten Omikron-Infizierten 4222 "vollständig" geimpft und 512 bereits geboostert.

Das ist auch ein Grund, warum sich die Variante in Dänemark trotz der sehr hohen Impfquote des Landes von 77 Prozent der Gesamtbevölkerung dort so zügig verbreitet. Am 4. Dezember meldete das SSI 135 Omikron-Fälle, vier Tage später 577, am 12. Dezember 2471, gestern 6047 Infektionen.

Hohe Dunkelziffer möglich

Deutschland hat möglicherweise sogar schon weit mehr Omikron-Fälle als Dänemark. Zwar nimmt die Bundesrepublik nicht mehr nur sporadisch Gen-Sequenzierungen von positiven PCR-Tests vor wie noch vor einem Jahr - bei unter 70.000 Fällen pro Woche sollen es 10 Prozent der Proben sein, bei höheren Werten 5 Prozent. Doch weil die Labore überlastet sind, wurden laut RKI in der letzten Novemberwoche nur etwas mehr als 2 Prozent der positiven Tests sequenziert. Dänemark untersucht - falls möglich - alle positiven PCR-Tests auf Varianten.

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"Der Anteil der SARS-CoV-2 Fälle, für die eine Genomsequenzierung durchgeführt wurde, sinkt seit einigen Wochen kontinuierlich. Dies ist unter anderem auf den starken Anstieg und die hohen Fallzahlen der letzten Wochen zurückzuführen", so das RKI. Durch die überlasteten Labore gibt es in Deutschland auch insgesamt eine relativ hohe Untererfassung von Corona-Fällen. Das geht aus der hohen Test-Positivrate von rund 20 Prozent hervor. In Dänemark zeigen dagegen nur rund 3 Prozent der durchgeführten PCR-Tests eine Infektion an, in Großbritannien 4 Prozent.

Der britische Gesundheitsminister Sajid Javid sagte vor rund einer Woche im Parlament, die UKHSA schätze die tatsächliche Zahl der Omikron-Infektionen rund 20 Mal höher ein. Modellierer Dirk Brockmann sagte im SMC-Briefing, die Daten aus Großbritannien zeigten sehr gut, wie der Verlauf in Deutschland sein werde, "wenn es losgeht." Vieles spricht dafür, dass es schon so weit ist.

Quelle: ntv.de

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