Weltweit 1400 Klimastreiks "Wir sprechen von einer Jahrhundertwahl"
24.09.2021, 10:09 Uhr
Die Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer (links) und Annika Rittmann bei einer Demonstration im Juli in Hamburg.
(Foto: picture alliance/dpa)
In mehr als 80 Ländern ruft Fridays for Future zum Protest für mehr Klimaschutz auf. Auch in Deutschland sind kurz vor der Bundestagswahl in zahlreichen Städten Aktionen geplant. Zu einer Demonstration vor dem Bundestag wird die schwedische Aktivistin Greta Thunberg erwartet.
Vor dem bundesweiten Klimastreik der Bewegung Fridays for Future hat deren führende Aktivistin Luisa Neubauer die Bedeutung der Bundestagswahl betont. "Deutschland ist einer der größten Emittenten weltweit. Historisch gesehen sind wir der viertwichtigste Verursacher der Klimakrise", sagte Neubauer. In den nächsten Jahren würden "Weichen" gestellt. "Deswegen sprechen wir von einer Jahrhundertwahl."
Die nächste Legislaturperiode sei mit Blick auf die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen "nicht einfach ein Vier-Jahres-Zeitraum, in dem Politik gemacht wird", fügte sie an. Die Entscheidungen, die getroffen würden, beeinflussten "die nächsten Jahrzehnte". So müssten auch in Deutschland Kohlekraftwerke abgeschaltet werden.
Wie die Organisation mitteilte, sind mindestens 1400 Klimastreiks und Aktionen in mehr als 80 Ländern geplant. In allen Ländern der EU wollen die Aktivisten auf die Straße gehen, um von den politisch Verantwortlichen eine ambitioniertere Klimaschutzpolitik zu fordern. Unter dem Motto "Alle fürs Klima" haben sich dem Protest nach Angaben von Fridays for Future auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie Umweltverbände und Kirchen angeschlossen. Darüber hinaus sollen sich mehr als 4000 Unternehmen beteiligen.
Lehrerverband lehnt Aktionen ab
Auch in Deutschland wollen die Klimaschützer ein deutliches Zeichen setzen und die Menschen für das Thema sensibilisieren. Bisher seien mehr als 450 Aktionen in allen Bundesländern angemeldet. Besonders große Kundgebungen erwarten die Organisatoren in Hamburg, Berlin, Freiburg und Köln. An einer Demonstration vor dem Bundestag wird auch die schwedische Aktivistin Greta Thunberg teilnehmen, die die weltweit aktive Bewegung maßgeblich inspirierte.
Der Deutsche Lehrerverband kritisierte die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an den Protestaktionen. "Wir lehnen es ab, dass die Schulpflicht zugunsten politischer Aktionen - etwa im Rahmen eines sogenannten Klimastreiks - aufgehoben wird", sagte Präsident Heinz-Peter Meidinger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Es ist der insgesamt achte weltweite Aktionstag von Fridays for Future seit 2019. Zentrale Forderung der Aktivisten sind verstärkte Klimaschutzmaßnahmen, die den Temperaturanstieg noch auf eineinhalb Grad begrenzen. Das entspricht dem 2015 im Klimaschutzabkommen von Paris international vereinbarten Ziel.
Wirtschaftsweise kritisiert Klima-Debatte
Die französische Klima-Expertin Laurence Tubiana warnte vor den hohen finanziellen Folgen, die ein Zögern in der Klimaschutzpolitik für die Gesellschaft haben könnte. Weltweit sei dieses Jahr für die Naturkatastrophenversicherungen bereits das teuerste seit der Nuklearkatastrophe im japanischen Fukushima 2011 gewesen, sagte die Ökonomin und Geschäftsführerin der European Climate Foundation. Tubiana sagte, auch für die deutschen Versicherer könne es angesichts von Extremwetterereignissen wie der Flut in diesem Sommer das teuerste Jahr seit Langem werden.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte die Diskussion über die Klimapolitik im Wahlkampf als einseitig auf nationale Maßnahmen ausgerichtet. "Wir diskutieren in Deutschland im Wahlkampf leider oft sehr national und kleinteilig, damit sind wir nicht auf dem richtigen Weg unterwegs", sagte sie der "Augsburger Allgemeinen". "Es wäre kontraproduktiv, Deutschland klimaneutral zu machen, wenn gleichzeitig Unternehmen abwandern, unsere Innovationskraft sinkt und sich außerdem Emissionen nur verlagern, also andere Länder mehr Emissionen ausstoßen."
Quelle: ntv.de, mbe/dpa/AFP