Tödliches Risiko beim Baden Wo Menschen in Deutschland ertrinken
12.07.2020, 16:32 Uhr
Rettungsschwimmerin der DLRG im Einsatz, hier bei einer Übung: Wer nicht schwimmen kann, gerät im Wasser schnell in Lebensgefahr.
(Foto: picture alliance/dpa)
Mehrere hundert Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland bei Badeunfällen. Größte Gefahrenquellen sind aber nicht Nord- und Ostsee, wie Daten der DLRG zeigen. Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick.
Im vergangenen Jahr sind in Deutschland mindestens 417 Menschen ertrunken. Der überwiegende Anteil kam dabei in Binnengewässern ums Leben, wie aus der Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hervorgeht.
Mindestens 362 Personen, das sind rund 87 Prozent der Opfer, ertranken im Inland weitab von der Küste. Die mit Abstand meisten Unfälle verzeichneten die Wasserrettungsspezialisten in stehenden Gewässern wie etwa Teichen, gefolgt von fließenden Gewässern wie etwa dem Rhein.
"Flüsse, Seen oder Kanäle sind nach wie vor die größten Gefahrenquellen", fasste DLRG-Präsident Achim Haag die Lage bei der Vorstellung der Jahresdaten Anfang März zusammen. "Nur vergleichsweise wenige Gewässerstellen werden von Rettungsschwimmern bewacht. Das Risiko, dort zu ertrinken, ist deshalb um ein Vielfaches höher als an Küsten oder in Schwimmbädern."
Ostsee gefährlicher als Nordsee?
Am Meer schätzen die Badenden die Gefahrenlage offenbar realistischer ein als an den Badestellen im Inland. Nur ein Bruchteil der Badeunfälle ereignet sich den Angaben der Wasserretter zufolge an der Küste. Im vergangenen Jahr zählte die DLRG insgesamt 23 Menschen, die im Meer ertranken. Damit bleibt die Zahl über die zurückliegenden Jahre weitgehend konstant.
Allerdings kommt es in der Ostsee zu deutlich mehr Todesfällen als in der Nordsee: Im vergangenen Jahr ertranken zum Beispiel an der Küste von Niedersachsen und dem westlichen Schleswig-Holstein insgesamt 5 Personen - gegenüber 18 Personen, die im Meer vor dem östlichen Schleswig-Holstein oder vor Mecklenburg-Vorpommern ums Leben kamen. Dieses Verhältnis blieb über die letzten Jahre weitgehend konstant.
Im Durchschnitt der vergangenen Jahre verzeichnete die DLRG zuletzt rund 23 tödliche Badeunfälle pro Jahr im Meer. Zum Vergleich: In der Kategorie "See/Teich" wurden im gleichen Zeitraum pro Jahr im Schnitt 189 Ertrunkene erfasst. In Flüssen waren es durchschnittlich 163 Tote pro Jahr. In öffentlich zugänglichen Schwimmbädern - inklusive Frei-, Spaß-, Natur- und Hallenbädern - kommen in Deutschland dagegen im Schnitt 16 Menschen pro Jahr ums Leben.
"Zurückgehende Schwimmfertigkeit bei Kindern"
Besonders betroffen von der Gefahr zu ertrinken sind laut DLRG Kinder und junge Menschen. Bei Badeunfällen 2019 kamen 17 Kinder im Vorschul- und 8 im Grundschulalter im Wasser ums Leben. "Hier ist sicherlich die zurückgehende Schwimmfertigkeit bei den Kindern eine Ursache", erklärte DLRG-Präsident Haag.
Hart kritisierte er in diesem Zusammenhang die sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen für die Schwimmausbildung. Die Zahl der geschlossenen und akut vor Schließung stehenden Bäder in Deutschland erhöhe sich stets, betonte Haag.
"Diese Entwicklung ist alarmierend. Die Folgen bekommen wir alle zu spüren." Bis zu einem Viertel aller Grundschulen könnten bereits keinen Schwimmunterricht mehr anbieten. Vielerorts in Deutschland stehen Schülern und Lehrkräften keine geeigneten Einrichtungen mehr zur Verfügung.
Die Mängel in der öffentlichen Bäderversorgung können weitreichende Spätfolgen haben. Für einen Platz im Schwimmkurs verzeichnen ausbildende Verbände wie die DLRG mittlerweile lange Wartelisten von ein bis zwei Jahren. "Mehr als jeder zweite Grundschulabsolvent ist kein sicherer Schwimmer mehr", betonte Haag.
Aus der Sicht der Lebensretter handelt sich bei den öffentlichen Schwimmbädern um sehr viel mehr als nur um Sport- oder Freizeiteinrichtungen. "Die Proteste in den Kommunen gegen Bäderschließungen werden immer lauter. 85 Prozent der Menschen wollen ihr Bad behalten", sagte DLRG-Chef Haag. "Das ist die große Mehrheit. Darauf sollte die Politik hören."
Quelle: ntv.de