Panorama

"Mitfühlen ja, mitleiden nein" Wolfram Kons löst Probleme, nicht nur mit Geld

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Topfit und das ganze Jahr im Einsatz, nicht nur am 16. und 17. November: Wolfram Kons, Mister Spendierhose.

Topfit und das ganze Jahr im Einsatz, nicht nur am 16. und 17. November: Wolfram Kons, Mister Spendierhose.

(Foto: RTL/Frank W. Hempel)

Selbst im größten Stress, der größten Hektik, behält Wolfram Kons die nonchalante Gelassenheit, die er auch dann ausstrahlt, wenn es um die Wurst geht. Besser: Wenn es ums Geld geht. Ja, er ist der Mann, der den Leuten erst das Geld aus den Taschen zieht und es dann mit vollen Händen ausgibt. Am 16. und 17. November sammelt er wieder, rund um die Uhr, nicht nur bei RTL. Viele andere Sender und Produkte der RTL Medien-Familie unterstützen die Aktion mit Live-Schalten oder Sammelaktionen. Mit ntv.de spricht er über Powerfrauen, die Gefahren des Karnevals, seine Leidenschaft, und natürlich über Kinder.

ntv.de: Wolfram, der Spendenmarathon ist in den letzten Jahrzehnten nie ausgefallen, richtig?

Wolfram Kons: Nein, nie! Und das ist eine echte Leistung des gesamten Teams. Wir mussten uns immer neuen Herausforderungen stellen. Corona, Katastrophen, und immer wieder kommt etwas Neues. Die größte Challenge jedes Jahr: Nicht den Audience-Flow von RTL zu zerstören. Wir brechen ja die vorhandene TV-Struktur für 24 Stunden auf. Das heißt aber eben auch, wenn wir "GZSZ" Sendezeit wegnehmen, dass wir dann die Stars aus dieser Sendung bei uns am Spenden-Telefon sitzen haben und ihre Fans noch tiefer ins Programm ziehen.

Corona war eine der größten Herausforderungen in den letzten Jahren, oder?

Ja, das stimmt, und wir haben es durchgezogen. Die erste große Herausforderung für jeden RTL-Spendenmarathon, und zwar jedes Jahr, ist der Karneval in Köln. Das erste große Gruppenknutschen mit all seinen Folgen: Husten, Schnupfen, Heiserkeit, die ganze Palette (lacht). Ich bitte mein Team immer sehr freundlich, aber bestimmt, sich zurückzuhalten – und Kölle Alaaf: Es klappt. Denn ich brauche echt jede und jeden im Team. Nur ein einziges Mal wäre ich fast nicht dabei gewesen, das war das Jahr 2014, als die Geburt unseres zweiten Sohnes Leo genau auf den Tag des Marathons ausgerechnet war. Der Kollege Steffen Hallaschka saß 24 Stunden geschminkt hinter den Kulissen, um im Fall der Fälle sofort einzuspringen. So weit kam es aber nicht. Leo hat sich Zeit gelassen und kam ein paar Tage später. Danke Leo, danke Steffen!

Der Einsatz, der dich dieses Jahr am meisten berührt hat, war der in der Türkei, hast du mir an anderer Stelle erzählt, was war so anders?

Das Erdbeben Anfang Februar war ja nicht nur in der Türkei, sondern auch in Syrien. Wir haben zum ersten Mal unsere Hilfsaufrufe mit türkischer und arabischer Sprache ergänzt und hatten eine extrem große Resonanz. Es gibt immer diese Akutphase beim Spenden, und dann lässt die Spendenbereitschaft ganz natürlich nach einer Weile nach. Da muss man sehen, wie man die Empathie oben hält. Ich bin nach zwei Monaten, als die Akutphase vorbei war, hingefahren und habe mir das vor Ort angeschaut. Das war erschütternd, ganze Städte waren ausradiert.

Das relativiert sicher vieles ...

Das sind die Projekte 2023

National

  • Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland: Eröffnung des 20. RTL-Kinderhauses in Bremerhaven mit Nico Santos und Sommercamps mit Philipp Lahm für benachteiligte Kinder
  • Annika Lau kämpft für mehr Sicherheit und Stärkung von Kindern in Frauenhäusern, die häusliche Gewalt erfahren haben
  • Monica Lierhaus setzt sich für tiergestützte Therapien für Kinder mit starkem Förderbedarf ein
  • Lachen ist die beste Medizin! - Anna Ermakova kämpft für mehr Clownsvisiten in Kinderkliniken
  • Pietro Lombardi und seine Verlobte Laura Rypa setzen sich für verbesserte Therapien für frühgeborene Kinder ein
  • Kampf der Klimakrise: Dirk Steffens bringt Kindern, die unter den Folgen der Unwetterkatastrophe im Ahrtal leiden, mit dem Projekt "Bienensommer" ein Stück Natur zurück
  • Felix Neureuther unterstützt die "Naturhelden", ein nachhaltiges Umweltprojekt für Kinder

International

  • Isabel Edvardsson kämpft für den Bau einer Kinderaugenklinik in Malawi
  • Wayne Carpendale hilft benachteiligten Kindern und Kindern mit Behinderung in Tansania
  • Riccardo Simonetti engagiert sich für mehr Sicherheit und Bildung für Straßenkinder in Kambodscha

Hier spenden

Stiftung RTL
Spendenkonto: DE55 370 605 905 605 605 605
Sparda-Bank West
BIC: GENODED1SPK

Online unter www.rtlspendenmarathon.de

Allerdings, die eigenen Probleme kommen einem wirklich sehr nichtig vor im Angesicht einer solchen Katastrophe, einer Apokalypse für die Betroffenen.

Das Beispiel Türkei ist eine Naturkatastrophe. Ist es noch einmal anders, wenn die Katastrophe menschengemacht ist? Wie in der Ukraine oder in Israel und Gaza?

Ja, aber was bleibt uns übrig? Die Alternative wäre ja, nicht zu helfen. Auch in Afghanistan haben wir in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder versucht, vor allem jungen Mädchen zu helfen. Das klingt nicht nach einer Erfolgsgeschichte, aber ich glaube, dass wir einzelne Schicksale von Kindern und deren Familien ins Positive drehen konnten. Ich bilde mir nicht ein, ein Weltenretter zu sein, aber ich glaube nicht nur fest daran, ich weiß es: Wir konnten einzelne Biografien ins Licht drehen. Und das ist etwas, was weiter massiv motiviert.

Der RTL-Spendenmarathon hat bisher insgesamt über 270 Millionen gesammelt, eine fantastische Summe …

Das stimmt, aber wenn ich andere Summen höre, wo es um Sondervermögen oder Förderungen in Milliardenhöhe geht, dann bewegen wir uns ja im homöopathischen Bereich. Es gibt aber eine noch wichtigere Zahl für mich, nämlich die: Wie viele Menschen haben wir dazu inspiriert, anderen Menschen zu helfen? Wir haben Milliarden Kontakte zum Thema Hilfe für Kinder generiert. Ich finde es natürlich wunderbar, wenn Menschen uns ihre Zeit geben, das kostbarste Gut, und das zweikostbarste, nämlich ihr Geld. Wir gehen damit verantwortungsvoll, effektiv und nachhaltig um, weil wir professionelle Helfer sind. Aber wenn wir andere dazu inspirieren, im Kindergarten nebenan einen neuen Sandkasten zu bauen, dann ist das auch toll.

Das ist ein hoher Anspruch …

Natürlich, ich möchte Charity-Champion mit meinem Team im deutschen TV sein. Qualitativ und quantitativ. Nicht nur während des RTL-Spendenmarathons, sondern auch im Rest des Jahres. Das ist uns bis jetzt ganz gut gelungen, und daran will ich weiter jeden Tag arbeiten.

Es ist ja nicht nur eine wirtschaftliche Sache, auch mental ist das sicher etwas, dass man nicht immer so einfach wegstecken kann: Die Bilder, die wir sehen, werden immer grausamer.

Ich weiß nicht, ob es das ist, was mir dabei hilft, aber ich bin eine rheinische Frohnatur mit einer großen Glücksbegabung. Ich kann mich über vieles freuen, das andere vielleicht gar nicht so sehen. Ich versuche, meine positive Grundeinstellung an andere, vor allem auch an meine Kinder, weiterzugeben. Wir stehen bei uns zu Hause eigentlich alle auf mit dem Gedanken: Was wird dieser Tag uns Gutes bringen?

Du weißt, wofür du das alles machst.

Aber auch hier gilt: Ich betrachte die Dinge in der Relation. Natürlich ist es furchtbar, die Schicksale in einem riesigen Flüchtlingslager zu drehen, aber erstens ist es so, dass ich wieder gehen kann im Gegensatz zu Millionen anderen, die dort leben, und zweitens erleben andere Reporter zurzeit viel Schlimmeres, als ich. Ich habe einen Leitsatz, den ich auch an mein Team weitergebe: "Mitfühlen ja, mitleiden nein." Wenn man leidet, dann ist man gelähmt, und wir müssen empathisch, aber eben auch professionell sein.

Wie schützt du dich?

Ich bin jemand, der sich nicht alles anguckt. Momentan die Bilder und Berichte aus Israel und Gaza, da klicke ich nicht auf: "Lesen Sie hier weiter, wenn sie noch grausamere Bilder oder Schilderungen sehen möchten", sondern ich lasse es. Ich muss mich fragen, bringt es mich, meine Seele, meine Arbeit weiter, wenn ich das sehe? Nein. Für mich gibt es eine Grenze, die mag bei anderen anderswo sein. Aber ich muss mich, um meine Arbeit machen zu können, schützen. Ich sehe mir auch keine Horrorfilme an - weil sie mich nicht weiterbringen würden. Ich suche mir lieber schöne Dinge, die mein Leben illuminieren. Schwarz und Dunkelgrau sind nicht meine Farben.

Ein ganz großer Fokus des Spendenmarathons liegt auf Projekten in Deutschland. Ein Armutszeugnis, dass es in unserem Land so vielen Kindern so schlecht geht?

Ja, ein Armutszeugnis, aber in der DNA unserer Stiftung ist diese Hilfe fest verankert. Wenn wir dieses Jahr das 20. RTL-Kinderhaus eröffnen, in der Stadt mit der größten Kinderarmut, Bremerhaven, dann ist das kein Grund, um zu feiern. Es ist einmal mehr ein Zeichen, dass wir diesen Kindern helfen müssen, dass sie die Chancen bekommen, die anderen Kindern auch gewährt werden. Ein Grund zu jubeln, ist das aber ganz sicher nicht, auch wenn Nico Santos unser Pate ist. Wir haben Kinder begleitet, die einen ganz tollen Weg einschlagen konnten, die Abitur oder Ausbildungen gemacht haben, einen tollen Beruf ausüben, das ist ganz wunderbar.

Es bedeutet, dass aus Kindern etwas werden kann, wenn man sich um sie kümmert.

Ja, es muss nicht jeder zwingend Abitur machen oder studieren, aber wir können und müssen Impulse geben. Sowohl schulisch als auch kulturell, oder nehmen wir Sport! Vor Kurzem konnten wir den Kindern in einem Frankfurter Kinderhaus eine besondere Freude machen, weil wir dort mit den Superbowl-Winnern Kansas City Chiefs aufgetaucht sind (lacht). Wir haben Football gespielt, und die Kids waren total geflasht. Daraus ziehe ich die größte Kraft, aus diesen Erlebnissen. Und: Wenn man Kindern die richtigen Impulse gibt, dann entsteht auch eine Kreativität, die die Kinder weg von den digitalen Endgeräten holt. Aber, und das liegt mir wirklich am Herzen, das anzusprechen: Wir haben natürlich deswegen auch eine so große Kinderarmut, weil wir einen großen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland haben, die nicht wirklich integriert sind.

Wie wählt ihr eure Paten aus?

Fragile Powerfrau: Kons mit Anna Ermakowa.

Fragile Powerfrau: Kons mit Anna Ermakowa.

(Foto: RTL/Stefan Gregorowius)

Das entwickelt sich oft, wie jetzt bei Nico Santos, durch einen direkten Bezug zum Projekt oder der Stadt, in dem wir das Projekt aufbauen. Das 20. RTL Kinderhaus entsteht in Bremerhaven, Nico kommt aus Bremen. Und es ist ihm wirklich ein Anliegen, dass da etwas Tolles für Kinder entsteht. Wir brauchen echte Überzeugungstäter. Empathisch, sympathisch, engagiert. Und seriös. Die Frage, die ich meinem Team stelle, wenn wir über neue Paten nachdenken, ist: "Würdest du dieser Person dein Kind anvertrauen? Würdest du es mit dieser Person übers Wochenende in einem Wald zelten lassen?" Viele Projekte bewerben sich bei uns, und dann überlegen wir, wer dazu passen könnte. Oder unsere Journalisten aus der großen RTL-News-Familie stoßen auf ein wichtiges Thema. Und dann sortieren und bewerten wir das und filtern die richtigen Stars und Supporter dazu.

Mir ist jetzt das Projekt der Klinikclowns besonders aufgefallen …

Tolles Projekt, mit dem man Kindern, die lange im Krankenhaus sind, ganz viel Freude und Hoffnung bringen kann. Da brauchst du jemanden, den alle mögen und mit dem andere sich identifizieren können. Da haben wir an Anna Ermakowa gedacht, die selbst eine ganz besondere Lebensgeschichte hat, die zerbrechlich ist, aber die die Leute in letzter Zeit total berührt und erreicht und unterhalten hat. Sie will anderen Freude bereiten. Wir sind mit ihr in Bonn in ein Kinderkrankenhaus gegangen, und es hat funktioniert. Alle hatten einen Riesenspaß – auch Anna selbst. Und dann kommt die Magie: Humor hilft Heilen.

Wen wollt ihr nicht?

Die Liste derer, die wir als Paten nicht haben wollen, ist genauso lang wie die Liste mit denen, die wir sehr gerne noch hätten. Wir wollen keine Ich-AGs, die nur sich selbst oder ihr Business promoten wollen, ihr neuestes Buch oder ihren Film. Die sich selbst über die Kinder stellen.

Sag bitte kurz was zu "Die gute Minute" …

Ja, "Die gute Minute" ist neu im RTL Programm und ich bin da sehr happy drüber. Neben der längsten Charity-Show im deutschen TV haben wir auch die kürzeste (lacht). Immer am letzten Freitag im Monat, direkt nach "RTL aktuell". Da können wir kurz und knackig erklären, wo das gespendete Geld ankommt, und vor allem: dass es zu 100 Prozent ankommt. Wir stellen immer zwei Projekte vor, dann weiß man wirklich genau, wo das Geld landet. Ich war gerade in Bethel, da gibt es jetzt einen tollen neuen Spielplatz, es können sogar Kinder im Rollstuhl aufs Trampolin. Das sollen alle sehen.

Womit rechnest du beim diesjährigen Spendenmarathon – wohl wissend, dass du kein Seher bist …

(lacht) Nein, aber ein Feinfühliger. Es wird noch wichtiger sein, die Menschen vor dem Fernseher abzuholen. Wir müssen ganz deutlich zeigen, wofür wir das Geld brauchen und wie und wo es ankommt. RTL übernimmt ja sämtliche Kosten, die anfallen, zum Beispiel bei Reisen, die wir zu unseren Projekten machen. Zur Auftaktsendung am Donnerstag um 18 Uhr schalten wir fast alle Sender aus dem Konzern live dazu, das gab es noch nie. Dieses "Durchschalten", wie wir das nennen, zeigt das Commitment, das dahintersteckt.

Die Menschen sind grundsätzlich bereit, zu spenden: dieses Jahr beispielsweise, als sie gesehen haben, was das Erdbeben in der Türkei und Syrien angerichtet hat. Und das, obwohl wir nach Corona und Ukraine und Flut im Ahrtal in den letzten Jahren die Menschen immer wieder um Hilfe gebeten haben. Ich höre, dass jetzt viele sogar bei den Weihnachtsgeschenken sparen wollen. Mal sehen, ob die aktuelle starke Konsumzurückhaltung auch Spendenzurückhaltung bedeutet.

Da helfen natürlich auch die Paten, die mit Empathie, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft auftreten …

Genau. Monica Lierhaus, Annika Lau, Philipp Lahm, Felix Neureuther oder Isabel Edvardson oder Wayne Carpendale – das sind Menschen, denen man ihr Engagement abnimmt. Nichts Aufgesetztes, nichts Falsches steht dahinter. Mit solchen Überzeugungstätern hoffen wir natürlich, wieder sowohl unsere Stammspender zu überzeugen als auch alle anderen. Mir ist bewusst, dass wir dieses Jahr noch ein bisschen mehr um jeden Euro kämpfen müssen, aber das tun wir gern.

Es gibt ja die Möglichkeit, kleinere Beträge per SMS zu spenden …

… ja, und da spenden sogar Kinder von ihrem Taschengeld für andere Kinder. Das ist oft besonders rührend. Ich kann nur sagen, aus eigener Erfahrung: Helfen macht einfach glücklich! Unsere Botschaft ist: Wir sind nicht machtlos, wir sind nicht ohne Hoffnung. Wir können etwas erreichen, wenn wir es gemeinsam angehen. Und, ganz wichtig: Wir haben eine Verantwortung den Kindern gegenüber.

Ein guter Punkt, in einer Zeit, wo man den Eindruck hat, dass sich jeder selbst am nächsten und Fremden gegenüber vielerorts abweisend ist.

Ja, ich verspüre gerade eine seltsame Stimmung in Deutschland. Da müssen wir Erwachsene aufpassen. Wenn wir den Kindern nur noch signalisieren, dass alles fürchterlich ist, dass wir kurz vor der Apokalypse sind, dann wird sich das in die Kinderseelen reinfressen. Mir ist wichtig, ohne etwas schönreden zu wollen, dass wir auch Hoffnung und Optimismus verbreiten, denn das Leben kann sehr schön sein. Wenn wir gemeinsam durchs Leben gehen, können wir ein Ziel erreichen. Ja, es gibt Probleme, aber wir können sie lösen.

Mit Wolfram Kons sprach Sabine Oelmann

Hier können Sie spenden.

Quelle: ntv.de

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