Panorama

Griff zu den Sternen Peenemünde als Weltkulturerbe?

Deutschland ist auf der UNESCO-Welterbeliste überrepräsentiert. Chancen haben transnationale Projekte, die Krieg und Nachkriegszeit thematisieren. Die Raumfahrtstandorte Peenemünde, Baikonur und das US-amerikanische Cape Canaveral könnten eine solche Welterbestätte sein.

Blick auf das einstige Kraftwerk im Museum Peenemünde.

Blick auf das einstige Kraftwerk im Museum Peenemünde.

(Foto: dpa)

Als sich die Rote Armee im April 1945 der Insel Usedom näherte, ergriffen die Raketenforscher die Flucht. Der Physiker Wernher von Braun und mit ihm rund 115 weitere Techniker kehrten der weltweit ersten militärischen Groß-Forschungsstätte in Peenemünde im Inselnorden den Rücken. Mit Bergen von technischen Zeichnungen, Geheimdokumenten und Prüfprotokollen setzten sie sich zunächst nach Bayern und dann in die USA ab. Andere Peenemünder wie Helmut Gröttrup - ein Mitarbeiter von Brauns - gingen freiwillig oder unter Druck in den Osten, die Sowjetunion. Das Wissen der deutschen Raketenforscher war unabhängig von Ideologien in beiden politischen Lagern heiß begehrt - auch wenn sich nur wenige Jahre zuvor die auf Usedom geschmiedeten V2-Waffen gegen die Alliierten gerichtet hatten.

Die Raumfahrtprogramme im russischen Baikonur und im US-amerikanischen Huntsville, die in den 1950er und 1960er Jahren auf das Know-how der Militärforscher aus Peenemünde setzten, befeuerten den Kalten Krieg zwischen den Weltmächten und lösten einen gigantischen Wettlauf um neue Superlative im Orbit aus. Eine neue Idee - geboren in Mecklenburg-Vorpommern - könnte nun die drei Raketenstandorte zusammenführen.

Peenemünde als "Vorbild"

"Wir sehen die fachlichen Voraussetzungen, dass Peenemünde zusammen mit Baikonur und amerikanischen Huntsville mit dem Startplatz Cape Canaveral ein transnationales Weltkulturerbe werden könnte", erklärt Mecklenburg-Vorpommerns Kultusminister Henry Tesch. Dabei - so betont Tesch ausdrücklich - gehe es nicht nur um die Raumfahrt als technologische Leistung, sondern auch um die Nutzung der Raumfahrt als Mittel des aktiven und später des kalten Krieges.

Fachliche Unterstützung für diese Idee kommt aus der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Die Architektin Uta Mense, die im Rahmen ihrer Dissertation das kulturelle Erbe zur Raumfahrt erforscht, sieht das zu NS-Zeiten hermetisch abgeriegelte Peenemünde als Modell für die späteren Raumfahrtzentren in den USA und der Sowjetunion. Selbst bis in die kleinsten technologischen Funktionsabläufe - wie die komplexen Handlungsabläufe beim Raketenstart - diente das Procedere in Peenemünde lange als Vorbild und wurde in Baikonur wie auch am US-amerikanischen Raketenstartplatz praktiziert, wie Mense sagte.

Deutsche in USA maßgeblich beteiligt

Der Knowhow-Transfer ist vor allem in Richtung USA offensichtlich: Der Deutsche Wernher von Braun nahm als langjähriger Direktor des Marshall Space Flight Centers in Huntsville (Alabama) und als Vizechef der der NASA bis 1972 eine Spitzenposition in der amerikanischen Weltraumforschung ein. Er war maßgeblich an den Apollo-Programm beteiligt, deren Raketen von Cape Canaveral starteten.

Nachbau einer V2-Rakete aus Peenemünde, eine Sojus-Rakete beim Start auf dem kasachischen Kosmodrom in Baikonur und der Start einer Saturn 1B-Rakete mit einer Apollo-Kapsel vom Kennedy Space Center Cap Canaveral (v.l.n.r.).

Nachbau einer V2-Rakete aus Peenemünde, eine Sojus-Rakete beim Start auf dem kasachischen Kosmodrom in Baikonur und der Start einer Saturn 1B-Rakete mit einer Apollo-Kapsel vom Kennedy Space Center Cap Canaveral (v.l.n.r.).

(Foto: dpa)

Die Chancen, die Orte zu einem transnationalen Weltkulturerbe zu erklären, stehen nicht schlecht, so lauten jedenfalls die Hoffnungen in Peenemünde. Denn erklärtes Ziel des Welterbekomittees ist es, die bedeutendsten Zeugnisse aller Kulturen aufzunehmen und repräsentativ widerzuspiegeln. Insbesondere Deutschland und Frankreich gelten derzeit mit ihren Schlössern und Burgen als überrepräsentiert. Im Jahr 2004 veröffentlichte der Internationale Denkmalrat ICOMOS eine Studie "Filling the gaps" (Füllen von Lücken). Die Studie moniert, dass in der Liste unter anderem Standorte des Zweiten Weltkrieges, des kalten Krieges und der Raumfahrt in der Welterbeliste fehlen.

Welterbeantrag braucht Unterstützung

Einen Welterbeantrag für die drei Raumfahrtstandorte kann Mecklenburg-Vorpommern nicht allein stellen. Die Pläne stecken noch in den Anfängen. Das Land, das sich seit 2010 verstärkt um den Ausbau des Museums auf dem Gelände der ehemaligen NS-Heeresversuchsantstalt in Peenemünde bemüht, setzt daher zunächst auf stabile Kooperationen zwischen den drei Standorten. Ende Januar reiste Kultus-Staatssekretär Udo Michallik nach Russland, um Gespräche über eine Zusammenarbeit zu führen. Seit vielen Jahren pflegt das Peenemünder Museum Kontakte nach Huntsville. "Wir brauchen jetzt eine seriöse Vorbereitung für das Projekt", erklärt Minister Tesch.

Unter musealem Aspekt wäre ein solches Vorhaben sinnvoll, sagt Mense. Für den Weltraumbahnhof Baikonur, der seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Kasachstan gehört und für den die Russen Miete zahlen müssen, plant Moskau inzwischen mit dem Kosmodrom Wostotschny einen Alternativstandort auf eigenem Territorium nahe der chinesischen Grenze. Auch in Cape Canaveral geht eine Ära zu Ende. Im April soll mit der "Endeavour" von dort aus der letzte Space Shuttle ins All starten.

Quelle: ntv.de, Martina Rathke, dpa

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