Neue Welterbe-Stätten Berliner Siedlungen dabei
07.07.2008, 22:01 Uhr
Hufeisensiedlung im Berliner Bezirk Neukölln, die von 1925 bis 1933 nach Plänen von Bruno Taut und Martin Wagner entstand.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die UNESCO hat die Wohnsiedlungen der Berliner Moderne neu als Weltkulturerbe anerkannt. Deutschland hat damit künftig 33 statt wie bisher 32 Stätten auf der prestigeträchtigen Liste, drei davon in Berlin.
Die UN-Kulturorganisation sprach den Siedlungen aus dem frühen 20. Jahrhundert bei ihrer Tagung im kanadischen Quebec das begehrte Gütesiegel zu. Die sechs Ensembles repräsentierten einen neuen Typ des sozialen Wohnungsbaus, hieß es zur Begründung. Sie hätten beträchtlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung von Architektur und Städtebau ausgeübt.
Bei den Siedlungen, darunter etwa die bekannte Hufeisensiedlung, handelt es sich um Bauten von Architekten wie Bruno Taut, Hans Scharoun und Walter Gropius. Die Ensembles entstanden zwischen 1913 und 1934 und hoben sich mit ihrem auf Licht und Sonne achtenden Konzept stark von den zeitgenössischen Mietskasernen ab. Sie ermöglichten einen gesünderen Lebensstandard auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten. Mit ihren klaren Formen wurden sie bestimmend für die Bauweise des gesamten Jahrhunderts.
Die deutsche Delegierte in Qubec, Birgitta Ringbeck, sagte, die Entscheidung sei problemlos und einvernehmlich gefallen. Die Siedlungen füllten eine Lücke auf der Welterbe-Liste. Neben der Hufeisensiedlung Britz geht es um die Wohnstadt Carl Legien, die Siedlung Schillerpark, die Gartenstadt Falkenberg, die Großsiedlung Siemensstadt und die so genannte Weiße Stadt in Reinickendorf. Zwei der Ensembles liegen im ehemaligen Ostteil der Stadt. Die Bewerbung Berlins war maßgeblich von Immobilienunternehmen gefördert worden.
Jubel in Berlin
Der Berliner Senat reagierte "hocherfreut" auf die UNESCO-Entscheidung. Sie zeige, dass Berlin viel mehr zu bieten habe als die bekannten Sehenswürdigkeiten, sagte Senatssprecher Richard Meng. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer sagte, nie zuvor seien normale Wohnsiedlungen als Welterbe vorgeschlagen worden. "Wenn statt barocker Schlösser oder gotischer Dome das eigene Umfeld derartig geadelt werden soll, verleiht das natürlich der fernen Entscheidung fremder Denkmalexperten eine sehr persönliche Bedeutung."
Die Bundeshauptstadt hat neben den Wohnsiedlungen bisher schon zwei Stätten auf der Welterbe-Liste. 1990 wurden die preußischen Schlösser und Gärten von Berlin und Potsdam mit dem Gütesiegel versehen, 1999 kam die Museumsinsel hinzu. Weltweit gibt es rund 850 Kultur- und Naturschönheiten, die unter dem Schutz der UNESCO stehen. Aus Deutschland wurde zuletzt 2006 die Altstadt von Regensburg (Bayern) aufgenommen, die als besterhaltene mittelalterliche Großstadt der Bundesrepublik gilt.
41 Kandidaten
Neben Berlin bewarben sich bei der Tagung insgesamt 40 Kandidaten neu um Aufnahme in die Welterbe-Liste. Auch die antike Felsenstadt Hegra in Saudi-Arabien, der Zufluchtsberg Le Morne auf Mauritius, zahlreiche Erdgebäude (Fujian Tulou) in China und drei armenisch-christliche Klöster im Iran sind unter den UNESCO-Schutz gestellt worden.
Saudi-Arabien erhielt mit der Ausgrabungsstätte Al-Hidschr, als das nabatäische Hegra bekannt, zum ersten Mal eine Welterbe-Stätte. Die UN-Kulturorganisation erklärte, die arabische Ausgrabungsstätte sei ein "einzigartiges Zeugnis der nabatäischen Zivilisation". Die Nabatäer beherrschten vom 5. Jahrhundert vor bis zum 1. Jahrhundert nach Christus den Norden der Arabischen Halbinsel. Ihre Königsstadt Petra in Jordanien ist seit langem ein begehrtes Touristenziel. In der Schwesterstadt Hegra (Mada'in Saleh) wurden mehr als hundert monumentale Grabstätten und ein ausgefeiltes antikes Bewässerungssystem entdeckt. Erst 1997 hatten die saudischen Behörden einem wissenschaftlichen Expertenteam die Erlaubnis zur Erforschung der Wüstenstadt gegeben.
Neue Stätten auch in Frankreich und Italien
Neu als Weltkulturerbe ausgezeichnet wurden unter anderem auch die oberitalienischen Städte Mantua und Sabbioneta in der Po-Ebene, das historische Zentrum des Zwergstaats San Marino, die kroatische Kulturlandschaft um das Städtchen Stari Grad sowie mehrere Holzkirchen im slowakischen Teil der Karpaten. In Frankreich bekamen die Festungen des berühmten Generals und Architekten Vauban (1633-1707) einen Welterbe-Titel.
Umstrittener Hindu-Tempel auf der Liste
Auch ein seit Jahrzehnten zwischen Thailand und Kambodscha umstrittenen Hindu-Tempel wurde als Weltkulturerbe anerkannt. Der jahrhundertealte Preah-Vihear-Tempel liegt auf einer Klippe im Grenzgebiet zwischen beiden Ländern. Nach langen Streitigkeiten hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag Kambodscha 1962 die Tempelanlage zugesprochen. Gleichwohl widersetzte sich Thailand in den beiden vergangenen Jahren dem kambodschanischen Versuch, das Welterbe-Siegel für das Kulturdenkmal zu bekommen. Der thailändische Außenminister Noppadon Pattama war eigens nach Qubec gereist, um den Antrag zu stoppen - ohne Erfolg.
Die UN-Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kulturleistungen der Menschheit und Naturphänomene von "außergewöhnlich universellem Wert" zu erhalten. Weltweit gibt es rund 850 Kultur- und Naturschönheiten, die unter dem Schutz der UNESCO stehen.
Quelle: ntv.de