Japan besonders gefährdet "Herausragend großes Ereignis"
11.03.2011, 10:06 Uhr
In Hachinohe, Aomori: Schiffe und Boote wurden durch den Tsunami an Land geworfen.
(Foto: AP)
Eine Erdbebenkatastrophe mit unabsehbaren Ausmaßen sucht weite Teile Japans heim. Der Erdstoß der Stärke 8,9 löst einen Tsunami aus. Warum das Beben besonders katastrophal ist und welche Maßnahmen die Behörden ergreifen, erklärt Joachim Ritter, Geophysiker an der Universität Karlsruhe, bei n-tv.
n-tv: Was können Sie uns sagen über die mögliche Einstufung dieses schweren Erdbebens in Japan heute?
Joachim Ritter: Das war sicherlich ein sehr, sehr heftiges Erdbeben. Die ersten Messungen, die wir haben, und Auswertungen, die die verschiedenen Erdbebenagenturen liefern, die deuten bis zu 8,9 an. Ich denke, die endgültige Stärke wird so zwischen 8,6 und 8,9 liegen. Das heißt, es ist sicher ein herausragend großes Ereignis, wie wir es insgesamt auf der Erde nur alle paar Jahre mal bekommen.
Und in Japan selbst auch ein außergewöhnliches Ereignis – können Sie sich erinnern oder haben Sie in Ihren Statistiken Erdbeben vergleichbaren Ausmaßes in den vergangenen 20, 30 Jahren?
Von dieser Stärke nicht, allerdings gab es kleinere Erdbeben, die erheblich größere Auswirkungen hatten, und zwar gab es ja in den 90er Jahren ein Erdbeben mit bis zu 6000 Toten direkt in Japan. Das hat sich allerdings jetzt direkt auf der Insel ereignet, während das Ereignis heute ja deutlich vor der Küste war.
Herr Ritter, diese Region wird ja immer wieder von Erdbeben erschüttert. Bis zu 90 Prozent aller Erdbeben weltweit ereignen sich in dieser Region? Woran liegt das?
Wir haben dort sehr starke Plattenbewegungen, das heißt, die oberste Schicht unserer Erde, die ja in Platten unterteilt ist, die bewegt sich dort sehr schnell. Es treffen dann verschiedene Platten aufeinander. Die verkeilen sich ineinander. Dadurch werden große Spannungen aufgebaut und wenn eben diese Spannungen dann die Festigkeit des Gesteins überschreiten, dann kommt es eben zu diesen verheerenden Erdbeben. Das war jetzt eben ein sehr großer Bruch. Magnitude knapp 9 – das bedeutet, dass wir wirklich eine Bruchlänge von mehreren hundert Kilometern hatten und dieser Bruch war jetzt auch genau so ausgelegt, dass er fast optimal für einen Tsunami ist. Es ist also eine sehr, sehr steile Aufschiebung, so nennen wir das. Das heißt, wir haben einen fast senkrechten Bruch. Dadurch wird der Meeresboden vertikal versetzt und dann können eben auch große Wassermengen in Bewegung kommen und das hat letztlich jetzt auch diesen verheerenden Tsunami ausgelöst.
Wie gehen die Behörden in einem solchen Fall vor, wenn es zu einem Erdbeben kommt? Welche Warnstufen treten dann in Kraft?
Bei den Kollegen in Japan sind sicherlich sofort alle Alarmglocken angegangen, erstens wegen der Heftigkeit des Erdbebens und dann eben auch wegen der Heftigkeit dieses Bruchmechanismus, der einen Tsunami sehr wahrscheinlich macht und der ist ja auch gekommen. Das Problem in Japan ist nun, dass dieser Bruch nun etwa 100, 130 Kilometer vor der Küste stattgefunden hat. Das heißt, man hat sehr wenig Warnzeit, bis der Tsunami wirklich kommt. Der ist dann also innerhalb von weniger als einer Stunde da und dann bleibt zunächst sehr wenig Zeit, Maßnahmen zu ergreifen. Man ist da in Japan Gott sei Dank relativ weit, man hat relativ viele Automatismen. Die Züge werden automatisch abgeschaltet, es gehen Warnglocken los, es werden sofort über Radio und Fernsehen entsprechende Warnungen gegeben, Sirenen läuten und die Leute sind auch relativ gut trainiert, im Gegensatz zu anderen Ländern. Die Uhrzeit hat natürlich auch dafür gesprochen, dass einerseits viele Leute unterwegs waren, aber es war eben auch jeder wach und konnte sofort informiert werden. Wenn jetzt natürlich dieser Tsunami auf eine Millionenstadt wie Sendai zuschwappt, dann kann man natürlich nicht alles in Sicherheit bringen. Aber es wurden hier sicherlich schon viele Maßnahmen ergriffen und die Leute wussten auch, dass sie wegmüssen vom Wasser.
Quelle: ntv.de