Merkel verteidigt Reformen 2007 doppelt anstrengen
01.01.2007, 11:50 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Reformkurs festhalten und dabei vor allem die Arbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Die damit verbundenen Anstrengungen und Härten zahlen sich "nach einiger Zeit" aus, wie die 2006 gesunkene Erwerbslosen-Zahl um fast eine halbe Million zeige, sagte die Kanzlerin in ihrer Neujahrsansprache. "Wir wollen mehr Chancen am Arbeitsmarkt insbesondere auch für die eröffnen, die es schwerer als andere haben", sicherte Merkel zu. Das seien die Älteren, geringer Qualifizierte und Langzeitarbeitslose. Neben weiteren Arbeitsmarkt-Maßnahmen müssten zugleich die Erziehungskraft der Familien gestärkt und die hart umkämpfte Gesundheitsreform vorangebracht werden.
Der SPD-Vorsitzende und Mainzer Regierungschef Kurt Beck sowie führende Kirchenvertreter betonten in ihren Ansprachen zum Jahreswechsel vor allem den sozialen Aspekt von Reformen. Beck rief in seiner Neujahrsansprache zu mehr sozialer Verantwortung auf. "Jede und jeder in unserem Land - gleich welcher Herkunft - muss die Chance erhalten, am gemeinsam erarbeiteten Wohlstand teilzuhaben", sagte der SPD-Politiker. "Die Chance, Bildung zu erwerben und am gesellschaftlichen Wohlstand teilzuhaben, darf nicht von der Herkunft und vom Geldbeutel der Eltern abhängen." Trotz der Erfolge auf dem Arbeitsmarkt bleibe es das wichtigste Anliegen, Arbeitsplätze zu schaffen.
Beck hatte zuvor eine Debatte über den weiteren Reformkurs der großen Koalition ausgelöst und gefordert, über die geplanten Rechtsänderungen wie auch die Gesundheits- und Rentenreformen hinaus den Bogen in der sozialen Frage nicht zu überspannen.
Grundrisiken tragen
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, forderte in seiner Silvesterpredigt im Mainzer Dom, einige "Schwächen" und "Entgleisungen" des Sozialsystems zu korrigieren. "Wir haben zu viele Aufgaben dem Staat aufgebürdet", sagte der Mainzer Bischof. Der Sozialstaat sei umzubauen. Jedoch müssten auch künftig die Sozialversicherungen die Grundrisiken des menschlichen Lebens tragen können. Arm und Reich klafften oft weit auseinander. "Die Rede von einer Zweidrittelgesellschaft ist nicht nur ein Gespenst ", so Lehmann. Mit der hohen Arbeitslosigkeit dürfe sich die Politik nicht abfinden. Noch seien nicht alle Reformen bewältigt. "Manches, was sich ändern muss, wird noch schmerzlich bleiben oder werden."
Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, forderte mehr Menschlichkeit im Umgang mit sozialen Problemen wie der Arbeitslosigkeit. Bei jedem Arbeitslosen gehe es um eine Lebensgeschichte, um Hoffnungen und Sehnsüchte. Weiter sagte Wetter, er habe nicht den Eindruck, dass sich Arbeitslose "nur zu waschen oder zu rasieren bräuchten, um sofort wieder in eine Arbeit vermittelt werden zu können". Damit kritisierte er Beck, der diesen Rat im Dezember einem pöbelnden Arbeitslosen gegeben hatte.
Hausaufgaben machen
Für die Evangelische Kirche hatte sich der Ratsvorsitzende, Berlins Bischof Wolfgang Huber, am Vortag geäußert. Die Gesellschaft müsse den Wert von Kindern neu entdecken, forderte er in seiner Neujahrsbotschaft im Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). "Ich wünsche mir einen Mentalitätswandel, durch den nicht mehr die Reise in andere Kontinente als Statussymbol gilt, sondern der Kindersitz im Auto."
Merkel sagte zum Reformkurs, Europa gelinge gemeinsam nur, wenn alle zu Hause im eigenen Land ihre Hausaufgaben machen. "Wir müssen uns also 2007 schlichtweg doppelt anstrengen -für Fortschritt in Europa und vorneweg für die Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs in Deutschland", erklärte sie mit Blick auch auf die am 1. Januar beginnende deutsche EU-Präsidentschaft. Die wirtschaftliche Belebung dürfe nicht wie oft in früheren Jahren nur zum "Strohfeuer" werden, sonst würde alles "nur noch schwieriger werden". Die Reformpolitik bleibe unverzichtbar, dazu gehörten auch Änderungen bei Pflegeversicherung, Unternehmensbesteuerung und am Arbeitsmarkt. Sie wisse sehr wohl, welche Lasten für die Bürger mit manchen Entscheidungen verbunden seien. Der Erfolg von Reformen sei nie sofort zu spüren, sondern zahle sich zumeist erst später aus.
Quelle: ntv.de