Politik

S-Bahn-Held von München 22 Tritte und Schläge

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(Foto: AP)

Einen Tag nach dem S-Bahn-Mord von München veröffentlicht die Staatsanwaltschaft erste Obduktionsergebnisse. Danach hat das Opfer insgesamt 22 Verletzungen binnen weniger Minuten erlitten. Sie stammen unter anderem von Faustschlägen und Tritten, sagt Staatsanwalt Laurent Lafleur. Die konkrete Todesursache sei aber noch unklar.

Der 50-jährige Manager war dazwischengegangen, als die Jugendlichen von Kindern Geld erpressen wollten. Der Leiter der Mordkommission, Markus Kraus, sagte, die Kinder hätten die Fußtritte gegen den Kopf des Mannes bestätigt. "Das besonders Bestürzende an dem Fall ist, dass der Mann alles richtig gemacht hat", sagte Lafleur. Er habe sich schützend vor die Kinder gestellt und Zivilcourage gezeigt. Zugleich habe er nicht von sich aus versucht, gegen die Angreifer vorzugehen, sondern rasch die Polizei alarmiert. Zeitungen von "Bild" bis "taz" nannten den Mann "S-Bahn-Held" oder "Held von Solln".

Der 50-jährige hatte versucht, die Kinder zu schützen. Er war bis zum S-Bahnhof Solln mitgefahren und dort mit ihnen ausgestiegen, um ihnen zu helfen. Wenige Minuten vor der Haltestelle hatte er aus der S-Bahn per Handy die Polizei alarmiert. Die drohende Eskalation sei bei dem Anruf nicht ersichtlich gewesen, der Mann habe nur von dem versuchten Raub berichtet, sagte Kraus. Etwa zehn Minuten nach dem Telefonat sei die Polizei am S-Bahnhof eingetroffen. Die Beamten konnten die Tat nicht mehr verhindern, aber die 17 und 18 Jahre alten mutmaßlichen Haupttäter sofort festnehmen. Gegen sie erging Haftbefehl wegen Mordes.

15 Passanten auf dem Bahnsteig

Auf dem Bahnsteig waren laut Polizei rund 15 Passanten, die nun als Zeugen vernommen werden sollen. Die bedrohten Kinder hätten versucht, die Schläger abzuhalten. Das sei ihnen aber nicht gelungen.

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(Foto: dpa)

Hauptkommissar Wolfgang Wenger sagte bei n-tv, dass die Polizei noch Zeugen suche. Zugleich sagte er, es sei wichtig, "anderen zu helfen. Wir dürfen nicht in eine Wegschaugesellschaft rutschen." Er rief dazu auf, in ähnlichen Fällen andere Menschen zu Hilfe zu rufen oder den Notruf zu verständigen.

Die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl gegen einen dritten Jugendlichen. Der 17-Jährige war nicht an dem tödlichen Überfall beteiligt, hatte aber die Sache möglicherweise angezettelt: Er soll am S-Bahnhof Donnersberger Brücke als erster zugeschlagen haben, um zusammen mit seinen Freunden von den vier Kindern Geld zu erpressen.

"Schießt alle Bullen tot ..."

Alle drei Beschuldigten sind bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten, teils wegen Diebstahls, Körperverletzung oder räuberischer Erpressung. Der 18-Jährige hatte bereits drei Einträge, der später festgenommene 17-Jährige war zweimal verurteilt. Während die beiden mutmaßlichen Haupttäter zu der konkreten Tat schwiegen, habe der dritte Jugendliche bei seiner Vernehmung eingeräumt, dass er von den zwischen 13 und 15 Jahre alten Jungen und Mädchen 15 Euro verlangt habe. Außerdem habe er einen Schlag gegen den Jungen zugegeben. Nach Zeugenaussagen sollen es jedoch zwei Schläge gewesen sein. Er soll auch nicht mit der flachen Hand, sondern mit der Faust zugeschlagen haben. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Körperverletzung und räuberischer Erpressung ermittelt.

Zumindest er soll auch im Internet gegen die Polizei gehetzt haben. Laut "Bild"-Zeitung vom Montag soll der zuletzt festgenommene 17-Jährige nach der Festnahme seiner beiden Freunde in einem Internetbeitrag geschrieben haben: "Schießt alle Bullen tot ..." Er und der andere 17-Jährige waren seit einigen Monaten in einer Einrichtung für suchtkranke Jugendliche untergebracht. Sie galten als schwierig, wie der Vize-Vorsitzende der Suchthilfeeinrichtung Condrobs, der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann, sagte.

Mehrere Zeugen des Überfalls hätten sich inzwischen bei der Polizei gemeldet, sagte Kraus. Sie sollten im Laufe der Woche vernommen werden. Besonders gesucht werde eine etwa 60 Jahre alte Frau, die bereits an der S-Bahn-Haltestelle Donnersberger Brücke zu schlichten versuchte, als der 17-Jährige erstmals von den Kindern Geld verlangte.

CSU nutzt Mord im Wahlkampf

Die CSU setzt den S-Bahn-Mord derweil im Wahlkampf ein. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD Versäumnisse vor und kündigte an, dies zum Wahlkampfthema zu machen. Vor einer CSU-Vorstandssitzung sagte Ramsauer, er erhebe "schwere Vorwürfe gegen die SPD". Schon nach dem Angriff auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn Ende 2007 hätten CDU und CSU im Koalitionsausschuss Vorschläge zu Verschärfungen beim Jugendstrafrecht vorgebracht, denen sich die SPD aber verweigert habe. Die Sozialdemokraten hätten "schwere Verantwortung" auf sich gezogen. Ramsauer kündigte an, den Fall in den verbleibenden knapp zwei Wochen bis zur Bundestagswahl zum Wahlkampfthema machen zu wollen. Allerdings mahnte CSU-Chef Horst Seehofer, dies sei ein Thema, mit dem die Politik sehr besonnen umgehen müsse.

Ramsauer und die bayerischen CSU-Minister Beate Merk (Justiz) und Joachim Herrmann (Innen) bekräftigten die Forderung der Christsozialen, auch an S-Bahnhöfen eine Videoüberwachung einzuführen sowie für 18- bis 21-Jährige grundsätzlich das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden und die Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf fünfzehn Jahren zu erhöhen.

Eine Sprecherin von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies die CSU-Forderungen zurück. Es gebe auch trotz der neuen, traurigen Aktualität keinen Handlungsbedarf, sagte die Sprecherin. Bereits heute sei es für Richter möglich, auch 18- bis 21-Jährige nach dem schärferen Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warf der CSU in der "Rheinischen Post" eine "besondere Art der Verantwortungslosigkeit" vor, in dem sie wenige Stunden nach solch einer Tat solche Forderungen aufstelle.

Polizei fordert mehr Sicherheitspersonal

Die Polizeigewerkschaften forderten deutlich mehr Sicherheitspersonal in S- und U-Bahnen. "Es kann nicht sein, dass zwar jährlich die Ticketpreise erhöht werden, die Leistungen sich aber nur noch auf das reine Befördern beschränken", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg. "Sicherheit kostet Geld. Dieses Geld muss endlich fließen." Forderungen nach höheren Strafen im Jugendstrafrecht lehnte er als unnötig und reflexhaft ab.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkscahft (DPolG), Rainer Wendt, forderte zudem, die Verkehrsbetriebe müssten endlich verpflichtet werden, sämtliche Stationen technisch so auszustatten, dass Mobiltelefone auch funktionierten. Zudem müssten sie durch konsequente Videoüberwachung die Fahndung erleichtern.

Quelle: ntv.de, ghö/rts/dpa/AFP

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