"Soldaten glauben nicht an Zeitplan" Afghanistan-Einsatz verlängert
12.01.2011, 10:33 Uhr
Ein weiteres Jahr: Merkel im Dezember bei einem Truppenbesuch.
(Foto: dpa)
Die Bundesregierung billigt die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes und leitet zugleich den Rückzug der Bundeswehr ein. Ende 2011 sollen die ersten Soldaten abrücken. Die Truppe selbst glaubt allerdings nicht an den Zeitplan. "Hier werden aus wahltaktischen Gründen falsche Erwartungen geweckt", sagt Bundeswehrverbandschef Kirsch.
Die Bundesregierung hat das neue Mandat für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr beschlossen. Damit soll der Einsatz um ein weiteres Jahr verlängert werden. Die Entscheidung liegt letztlich beim Bundestag, der am 28. Januar darüber abstimmen wird. Eine Mehrheit gilt als sicher, weil die SPD ihre Zustimmung signalisiert hat. Derzeit sind am Hindukusch etwa 4600 deutsche Soldaten stationiert. Erlaubt wäre auch nach dem neuen Mandat der Einsatz von bis zu 5350 Soldaten.
Auf einen konkreten Termin für den Abzug der ersten deutschen Soldaten legt sich die Bundesregierung in dem Text für das Mandat nicht fest. Angestrebt wird jedoch, dass der Abzug gegen Ende dieses Jahres beginnt. Im Jahr 2014 sollen dann die letzten deutschen Kampftruppen Afghanistan verlassen.
2011 ist angestrebt
Wörtlich heißt es in dem Mandat: "Die Bundesregierung ist zuversichtlich, im Zuge der Übergabe der Sicherheitsverantwortung die Präsenz der Bundeswehr ab Ende 2011 reduzieren zu können." Dabei werde man "jeden sicherheitspolitisch vertretbaren Spielraum für eine frühestmögliche Reduzierung nutzen, soweit die Lage dies erlaubt und ohne dadurch unsere Truppen oder die Nachhaltigkeit des Übergabeprozesses zu gefährden".
Die Grünen pochen auf einen präzisen Stufenplan, der 2011 beginnt und 2014 endet. Die Linke lehnt den Einsatz grundsätzlich ab. Im Dezember 2001 hatte der Bundestag erstmalig für den Einsatz gestimmt. Derzeit sind rund 4600 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan. Bis 2014 will die Internationale Schutztruppe ISAF die Verantwortung für die Sicherheit in Afghanistan komplett an die dortigen Sicherheitskräfte übergeben.
Westerwelle will Druck machen
In der Bundesregierung hatte vor allem Außenminister Guido Westerwelle darauf gedrängt, den Beginn des Abzugs festzuschreiben. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg äußerte sich dagegen skeptisch und warnte vor übereilten Ankündigungen. Westerwelle bekräftigte vor der Kabinettssitzung noch einmal das Ziel, Ende 2011 mit dem deutschen Truppenabzug aus Afghanistan zu beginnen. Er sei zuversichtlich, dass das Bundeswehrkontingent Ende des Jahres erstmals reduziert werden könne, sagte Westerwelle im ZDF. Das gelte aber nur, "soweit es die Lage erlaubt".

Verteidigungsminister Guttenberg und Westerwelle sind, was den schnellen Abzug betrifft, nicht ganz einer Meinung.
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Westerwelle betonte, der Zeitplan sei international abgestimmt. "Der entscheidende Punkt ist: Wenn wir keinen Plan machen, wie die Zukunft in Afghanistan weitergehen soll, dann entsteht nicht die Disziplin, auch nicht der Druck zum Beispiel auf die afghanische Regierung, um alles zu tun, damit die Lage dann auch da ist", sagte der Außenminister. "Wir wollen ja nicht länger in Afghanistan bleiben mit Kampftruppen als unbedingt notwendig - und wir wollen auch nicht länger in Afghanistan bleiben als unsere Verbündeten." Einen Konflikt mit Verteidigungsminister Karl Guttenberg gebe es "an dieser Stelle" nicht, betonte Westerwelle.
Bundeswehrverband skeptisch
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, warf der Bundesregierung vor, falsche Erwartungen zu wecken. Die Bundeswehrsoldaten verfolgten die Debatte um einen Abzug mit großer Skepsis. "Die Soldaten glauben ohnehin nicht an diese Daten und den Zeitplan", sagte Kirsch der "Passauer Neuen Presse". "Natürlich muss man Perspektiven aufzeigen. Aber hier werden aus wahltaktischen Gründen falsche Erwartungen geweckt. Da machen sich die Einsatzkräfte keine Illusionen."
Zum Besuch von Westerwelle in Kundus sagte Kirsch, die Soldaten hätten sich sehr gefreut. "Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass er die Dinge beim Namen nennt und gesagt hätte, dass die Soldaten dort im Kriegszustand sind. (...) Völkerrechtliche Spitzfindigkeiten und Rumeierei helfen uns nicht weiter."
Kosten auf Rekodniveau
In der Kabinettsvorlage zur Verlängerung des Mandats macht die Regierung klar, dass die "Übergabedividende" in Afghanistan "reinvestiert" werden solle, schreibt der "Spiegel". Konkret heißt das: Wenn deutsche Truppen bei der Übergabe einzelner Landesteile an die afghanischen Sicherheitskräfte frei werden, sollen sie in andere Gebiete des Bundeswehr-Regionalkommandos verlegt werden. Die Einsatzkosten bleiben dem Bericht zufolge mit knapp 1,5 Milliarden Euro auf Rekordniveau.
In Afghanistan waren im vergangenen Jahr mehr ausländische Soldaten als je zuvor seit dem Sturz der Taliban 2001 umgekommen. Bisher sind 45 deutsche Soldaten in dem Einsatz gefallen, allein 18 von ihnen am gefährlichsten Standort in Kundus.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP