Kämpfe im Irak eskalieren Al-Sadr zu Gesprächen bereit
27.03.2008, 22:50 UhrNach tagelangen Gefechten seiner Anhänger mit irakischen Sicherheitskräften hat sich der radikale Schiitenprediger Moktada al-Sadr zu Gesprächen über ein Ende der Gewalt bereiterklärt. Alle müssten nun nach einer politischen Lösung suchen, ließ Sadr über einen seiner wichtigsten Berater erklären. Zudem müssten Proteste seiner Anhänger friedlich bleiben. "Vergießt kein irakisches Blut", heißt es in der Stellungnahme weiter.
Die Kämpfe zwischen der irakischen Armee und der Mahdi-Miliz von al-Sadr waren zuvor weiter eskaliert. Nach unbestätigten Berichten gab es dabei Dutzende von Toten. Gemeldet wurden Gefechte aus Basra und Al-Amara im Süden, aus Bagdads Schiiten-Vorstadt Sadr-City und aus der zentralirakischen Stadt Kerbela.
In Basra, der zweitgrößten Stadt des Landes, waren zeitweise alle Viertelstunde Explosionen zu hören. Bewohner beschrieben die Kämpfe als die schwersten seit dem Einmarsch der US-Truppen in den Irak vor fünf Jahren. Allein hier starben nach Angaben des Innenministeriums 51 Menschen. Es ist die größte Offensive der irakischen Armee ohne eine größere Unterstützung durch ausländische Truppen. Im Dezember hatten die britischen Truppen die Kontrolle über Basra an die Iraker übergeben.
Granatangriff auf "Grüne Zone"
Nahe der in einer Hochsicherheitszone in Bagdad gelegenen US-Botschaft stiegen nach einem vermutlichen Granatenangriff riesige Rauchschwaden in die Luft. Die Behörden haben eine dreitägige Ausgangssperre für Bagdad verhängt. Diese gilt nach irakischen Angaben zwischen 21.00 Uhr MEZ am Donnerstag bis 3.00 Uhr am Sonntag. Die Maßnahme diene dazu, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten, teilte ein Sprecher der Sicherheitskräfte weiter mit.
Ein Anhänger der Sadr-Bewegung erklärte, in Sadr-City hätten bewaffnete Iraker US-Soldaten angegriffen, nachdem diese die Zufahrtswege zu dem Viertel abgeriegelt hätten. Der Gouverneur von Kerbela, Akil al-Chasali, sagte, die Sicherheitskräfte hätten zehn Sadr-Anhänger getötet. 60 Milizionäre seien festgenommen worden.
Unterdessen hat die Offensive der irakischen Sicherheitskräfte in Bagdad zu Massenprotesten geführt. Zehntausende Anhänger marschierten durch das Armenviertel Sadr-City und skandierten Parolen gegen die US-gestützte Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Auch in anderen Stadtteilen kam es zu Demonstrationen.
Bush sieht Fortschritte
US-Präsident George W. Bush hat ungeachtet der erneut aufflammenden Kämpfe militärische Fortschritte im Irak betont. "Diese Fortschritte sind substanziell und wesentlich, doch sie sind noch umkehrbar", sagte er in Dayton im US-Bundesstaat Ohio.
Bush lobte den Vorstoß der irakischen Armee als "mutigen Schritt". Die "mutige Entscheidung" des irakischen Regierungschefs Nuri al-Maliki, die "illegalen Gruppen in Basra zu verfolgen", zeige "seine Führungskraft". "Das ultimative Ergebnis wird es sein, dass die Terroristen und Extremisten im Irak erkennen werden, dass sie in einer freien und demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben." Zugleich richtete er scharfe Vorwürfe an Syrien und den Iran. "Syrien und Iran müssen aufhören, Terrorismus und Gewalt im Irak zu unterstützen." Ein rascher Rückzug der US-Truppen würde die Fortschritte im Irak und den Aufbau einer Demokratie in Bagdad gefährden.
Mahdi-Armee angegriffen
In Hilla, 100 Kilometer südlich von Bagdad, griff die US-Armee nach Angaben eines Polizeisprechers am Mittwochabend mit Hubschraubern die Milizionäre der so genannten Mahdi-Armee an, während diese gegen die Regierungstruppen kämpften. Nach offiziell unbestätigten Berichten wurden dabei 60 Menschen getötet und 32 weitere verletzt. Die Toten waren den Angaben zufolge fast alle Milizionäre der Mahdi-Armee. In Bagdad behandelten Krankenhausärzte nach eigenen Angaben irakische Soldaten, die in Basra verletzt worden waren.
Aus Sicherheitskreisen hieß es, alle ausländischen Mitarbeiter der in Basra arbeitenden Öl-Firmen hätten ihre Arbeitsplätze verlassen, nachdem zwei nepalesische Wachleute von Extremisten getötet worden seien. Unbekannte verübten unterdessen einen Anschlag auf eine wichtige Erdölpipeline. Nach Angaben der Betreiberfirma Southern Oil Company verringerten sich die Exporte aus Basra dadurch um ein Drittel.
Öllieferung unterbrochen
Damit war die südliche Lieferroute erstmals seit 2004 unterbrochen. Das durch das Attentat entstandene Feuer konnte schnell gelöscht werden. Über die Reparaturdauer gab es unterschiedliche Angaben: Behördenvertreter in Bagdad erklärten, die Exportmenge des Ölhafens könnte bereits am Donnerstag wieder ihr übliches Niveau erreichen. Ingenieure in Basra sprachen dagegen von bis zu dreitägigen Reparaturen.
Bei einem Sprengstoffanschlag auf den Polizeichef von Basra seien drei seiner Leibwächter ums Leben gekommen. General Abdul Dschalil Chalaf selbst sei unversehrt geblieben. In Bagdad wurde nach Angaben aus Sicherheitskreisen Tahsin al-Scheichli, ein Sprecher der Sicherheitskräfte in Bagdad, aus seinem Haus entführt.
Die US-Armee meldete, in Bagdad hätten Aufständische am Mittwoch zwei amerikanische Soldaten getötet. Bei der Explosion einer ferngezündeten Autobombe in der Ölstadt Kirkuk im Nordirak wurde nach Polizeiangaben ein Offizier des kurdischen Geheimdienstes getötet. Sechs Angehörige seiner Patrouille wurden verletzt.
Quelle: ntv.de