Bombe oder Manipulation? Anschlag auf Fernzug in Indien
28.05.2010, 16:42 Uhr
Helfer sind vor Ort, aber die Rettungsarbeiten sind schwierig.
(Foto: AP)
Bei einem Anschlag auf einen Reisezug sterben im Osten Indiens zahlreiche Menschen. 13 Waggons eines Expresszuges nach Mumbai springen aus den Schienen. Fünf davon werden von einem Güterzug erfasst und überrollt.
Die indische Bahn war gewarnt, seit Tagen hatten Maoisten mit Anschlägen gedroht: Am Freitag brachten die Extremisten dann den Gyaneshwari-Express mit Hunderten Passagieren zum Entgleisen: Mindestens 80 Menschen starben, über 200 wurden verletzt. Die Zahl der Opfer könne noch weiter steigen, sagte ein Minister des Bundesstaates Westbengalen; viele Menschen seien noch im Zugwrack eingeschlossen. Rettungstrupps arbeiteten fieberhaft an der Unglücksstelle, um weitere Opfer aus den Trümmern zu bergen.
Keine Deutschen unter den Opfern
Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, derzeit gebe es keinerlei Hinweise, dass Deutsche betroffen seien.

Es gibt zahlreiche Verletzte.
(Foto: AP)
Nach Angaben der Eisenbahngesellschaft waren 13 Waggons des Expresszuges nach Mumbai nach einer Explosion im Gleisbett aus den Schienen gesprungen. Vier Waggons seien von einem erfasst und zusammengequetscht worden, berichtete die Nachrichtenagentur PTI.
Zehn der 13 entgleisten Waggons waren Schlafwagen. Mit den noch in den Gleisen stehenden Waggons des Zuges seien die überlebenden Passagiere - darunter viele Verletzte - in die Stadt Kharagpur gebracht worden, meldete NDTV. Auch Armeehubschrauber wurden eingesetzt, um Verletzte in umliegende Krankenhäuser zu bringen. Rettungstrupps setzten Schneidbrenner und schwere Vorschlaghämmer ein, um die verkeilten Trümmer zu lösen und zu weiteren Opfern vorzudringen.
Bombenanschlag oder Manipulation?
Eisenbahnministerin Mamata Banerjee hatte zunächst von einem Bombenanschlag gesprochen. Später gingen die Ermittler eher von einer Manipulation an den Gleisen aus. Ob dabei Sprengstoff verwendet wurde, war zunächst unklar. Innenminister P. Chidambaram sagte, es sei möglich, dass die Attentäter ein Stück der Schienen entfernt hatten.
Der Anschlag ereignete sich gegen 1.30 Uhr (Ortszeit) im Distrikt West-Midnapore im östlichen Bundesstaat Westbengalen rund 135 Kilometer südwestlich von Kolkata. Am Anschlagsort wurden zwei Poster der Maoisten entdeckt, wie Westbegalens Polizeichef Bhupinder Singh bekanntgab. Auf diesen bekannte sich das "Volkskomitee gegen Polizei-Gewalttaten" zu der Tat.
Ministerin Mamata Banerjee wurde im Sender NDTV mit den Worten zitiert, die Maoisten hätten die Tage vom 28. bis zum 31. Mai zu Schwarzen Tagen erklärt. Die Bahn habe daraufhin die Sicherheitsmaßnahmen erhöht. So sei auch die Strecke des Expresszugs erst eine Stunde vor dem Anschlag überprüft worden.
Hochburg der Rebellen
Der Anschlag ereignete sich in einer Region, die als Hochburg der maoistischen Rebellen gilt. Sie haben in den vergangenen Monaten ihre Angriffe verstärkt, nachdem die Regierung eine Offensive gegen sie gestartet hatte. Ziele der Anschläge sind unter anderem Polizeistationen, Regierungsgebäude und Verkehrseinrichtungen. Maoisten haben wiederholt auch Züge angegriffen und stundenlang aufgehalten. In Sicherheitskreisen wurde davon ausgegangen, dass die Rebellen aus Frustration über das Vorgehen der Regierung ihre Taktik geändert haben und vermehrt Zivilisten ins Visier nehmen. Nach Einschätzung der Polizei geht auch die Entgleisung des Hochgeschwindigkeitszuges Rajdhani-Express im März auf das Konto von Maoisten.
Ministerpräsident Manmohan Singh hat den Aufstand der Maoisten als die größte Bedrohung der inneren Sicherheit bezeichnet. Im Bundesstaat Chhattisgarh haben Maoisten kürzlich einen Bus in die Luft gejagt und dabei 35 Menschen getötet. Im April töteten Rebellen bei einem Angriff 76 Polizisten.
Die Maoisten lehnen sich seit Ende der 60er Jahre gegen die indische Regierung auf und wollen nach eigener Darstellung mehr Rechte für arme Bauern und landlose Arbeiter durchsetzen. Nach offiziellen Angaben operieren die Bewaffneten in 200 der 626 indischen Distrikte und kontrollieren 34 davon.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP