Politik

Syrienkonflikt vor der Wende? Assads Mutter für Gang ins Exil

Baschar al-Assad als zweiter Bin Laden? Der Vergleich hinkt ein wenig. Fakt ist aber: Der syrische Präsident ist mittlerweile auch ein Symbol für das Böse.

Baschar al-Assad als zweiter Bin Laden? Der Vergleich hinkt ein wenig. Fakt ist aber: Der syrische Präsident ist mittlerweile auch ein Symbol für das Böse.

(Foto: REUTERS)

Es gibt Anzeichen dafür, dass hinter den Kulissen der Diplomatie in New York und Damaskus etwas vor sich geht: Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine gemeinsame Erklärung, die jedoch nicht einer Resolution gleich kommt. Derweil taucht ein Bericht auf, dass Assads Mutter ihren Sohn drängen soll, ins Exil zu gehen.

In Damaskus tut sich möglicherweise etwas. Während die Uno in New York eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, dringen Berichte durch, dass die Mutter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad ihrem Sohn eine Exillösung nahegelegt hat. Das berichtet das Internet-Netzwerk "All4Syria" mit Sitz in Dubai.

Fototermin: Baschar al-Assad besucht die Ummayaden-Moschee in Damaskus.

Fototermin: Baschar al-Assad besucht die Ummayaden-Moschee in Damaskus.

(Foto: dpa)

Amina Machluf, die Witwe des früheren Präsidenten Hafiz al-Assad, will demnach, dass die gesamte Familie ins Exil geht. Vorher sollten Russland und die USA dem Assad-Clan und seinen engsten Getreuen garantieren, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werden. Als abschreckendes Beispiel habe Assads Mutter das Schicksal des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi angeführt, der im vergangenen Jahr von Rebellen getötet worden war. Baschar al-Assad und seine Brüder sollen jedoch dagegen sein, das Land zu verlassen.

Was dran ist am angeblichen Streit in der syrischen Herrscherfamilie, kann kaum überprüft werden. Arabische Journalisten vermuteten jedoch schon vor Tagen, dass in Syrien etwas in Bewegung gekommen sein könnte. So schreibt der Chefredakteur der arabischsprachigen Zeitung "Asharq Al-Awsat", Tariq al-Homayed, in einem Kommentar, die plötzlich geäußerte leise Kritik des russischen Außenministers Sergej Lawrow sei ein Indiz dafür, dass in Damaskus hinter den Kulissen etwas vor sich geht. Das Blatt hat seinen Sitz in London, wird aber von einem saudischen Prinzen finanziert. Saudi-Arabien hat sich auf die Seite der Assad-Gegner geschlagen und .

Sicherheitsrat verabschiedet Erklärung

Irritiert hatten in den vergangenen Tagen auch Berichte, die russische Marine habe eine , wo Russland einen Marinestützpunkt unterhält. Wenig später dementierte die russische Führung, dass überhaupt ein Schiff auf dem Weg nach Tartus sei. Das widersprüchliche Verhalten des Syrien-Verbündeten spricht nach Meinung vieler Beobachter ebenfalls für Bewegung hinter den Kulissen.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einigte sich derweil nach monatelangem Streit auf eine Erklärung zu Syrien und verabschiedete sie. Allerdings handelt es sich nur um eine sogenannte Präsidentielle Erklärung, die nicht die Bedeutung einer Resolution hat. In dem Papier werden Regierung und Opposition zu einem sofortigen Ende der Gewalt aufgerufen. Dem Syrien-Beauftragten Kofi Annan wird die volle Unterstützung zugesagt.

Bombenanschlag in Aleppo vergangenes Wochenende. Inzwischen hat sich eine islamistische Gruppe dazu bekannt.

Bombenanschlag in Aleppo vergangenes Wochenende. Inzwischen hat sich eine islamistische Gruppe dazu bekannt.

(Foto: dpa)

"Der Sicherheitsrat ist tief besorgt über die sich verschlechternde Situation, die sich zu einer ernsten Menschenrechtskrise und humanitären Notlage entwickelt hat", heißt es in der Erklärung. Weiter will der Rat seine "volle Unterstützung" für den Sondergesandten Kofi Annan ausdrücken, um "alle Gewalt und die Menschenrechtsverletzungen schnell zu beenden". Zudem sollten humanitären Helfern Zugang gewährt und politische Reformen eingeleitet werden, damit sich das Land zu einer Demokratie mit Mehrparteiensystem und gleichen Rechten für alle Bürger entwickeln könne. Regierung und Opposition werden aufgerufen, daran mitzuwirken und den Beauftragten Annan zu unterstützten.

Bürgerkrieg war von Anfang das Horrorszenario

Ob nun wirklich Bewegung in den Syrien-Konflikt kommt, von dem Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon sagt, er könne "weltweit massive Folgen" nach sich ziehen, ist kaum zu sagen. Trotz des gegenseitigen Abschlachtens von Regime und Regimegegnern in Syrien konnte man bisher nicht den Eindruck gewinnen, Präsident Assad wanke. Erstaunt zeigten sich manche von der Härte, mit der der regierende Augenarzt seine Armee den Aufstand niederschlagen lässt.

Vor einem solchen Szenario im Falle eines Aufstandes hatten Landeskenner indes schon gewarnt, als die ersten Demonstrationen in Syrien noch nicht einmal stattgefunden hatten. Von Anfang an fehlte beim Aufstand in Syrien eine Euphorie, wie sie noch in Tunesien oder Ägypten spürbar war. Selbst in Libyen, wo sich der Kampf der Rebellen gegen das Gaddafi-Regime über Monate hinzog und die Nato schließlich nachhalf, gab es hinterher Jubelfeiern.

Schon wenige Wochen nach Beginn der ersten Demonstrationen in syrischen Städten fiel der Begriff "konfessioneller Bürgerkrieg". Vergleiche mit dem Libanon wurden bemüht, wo die Bevölkerung ebenfalls aus vielen religiösen Gruppen besteht und wo zwischen 1975 und 1990 ein verhängnisvoller Bürgerkrieg wütete.

Propaganda von allen Seiten

Pro-Assad-Demonstration in Damaskus. Das Lager der Unterstützer des Präsidenten ist möglicherweise größer, als im Ausland angenommen.

Pro-Assad-Demonstration in Damaskus. Das Lager der Unterstützer des Präsidenten ist möglicherweise größer, als im Ausland angenommen.

(Foto: dpa)

Der ist auch in Syrien längst im Gange. Und mit ihm eine Propagandaschlacht um die Deutung der Ereignisse, die kaum ein ausländischer Journalist mit eigenen Augen beurteilen kann. Nur heimlich und unter Lebensgefahr ist es einer Handvoll Medienvertreter gelungen, nach Syrien zu fahren und sich etwa im tagelang umkämpften Homs ein eigenes Bild von der Lage zu machen. .

Nicht näher benannte oder bekannte Oppositionelle und einzelne westliche Journalisten, die sich in die Kampfgebiete gewagt haben, sind nun die einzigen Augenzeugen, die zitiert werden können. Wer genau aber in Homs, Idlib, Hama oder Damaskus wen tötet, ist in unabhängiger Weise nicht nachprüfbar. Die Vereinten Nationen veröffentlichen Zahlen, wonach in einem Jahr insgesamt mehr als 8000 Menschen zu Tode gekommen sein sollen. Während das Assad-Regime gebetsmühlenartig die bewaffneten Widerständler als Terroristen bezeichnet, schieben die Regimegegner der syrischen Regierungsarmee alle Gräueltaten in die Schuhe. Letztere sind dann wiederum die Hauptinformationsquelle für die westlichen Medien. Untermauert werden die Darstellungen beider Seiten meist mit wackeligen Internetvideos, die ihren Weg auf die zahlreichen Foren der sozialen Netzwerke finden.

Dass die Wahrheit des Krieges vermutlich irgendwo zwischen diesen Darstellungen liegt, legt auch ein kürzlich vorgestellter offener Brief der amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nahe. Er ist an den oppositionellen Syrischen Nationalrat gerichtet, der von Paris aus als Sprachrohr der Widerständler in Syrien auftritt. In dem Brief berichtet HRW von Entführungen, Folterungen, Hinrichtungen, die die bewaffneten Widerstandskämpfer der sogenannten Freien Syrischen Armee begangen haben sollen. Und das nicht nur an Armeesoldaten, sondern auch an Zivilisten. Darunter sollen auch Fälle sein, die auf religiöse Motive hindeuten. Offenbar liegen konkrete Erkenntnisse darüber vor. HRW fordert in dem Brief den syrischen Nationalrat auf, diese Fälle zu verurteilen und darauf hinzuwirken, dass dies nicht mehr vorkomme.

Dschihadisten bekennen sich zu Attentaten

Zu den am vergangenen Wochenende bekennt sich unterdessen eine bis vor kurzem unbekannte Gruppe, die sich "Al-Nusra-Front zum Schutz der Levante" nennt. Es handelt sich um eine islamistische Gruppe, die sich im vergangenen Jahr aus der Widerstandsbewegung formiert hat. Bei den Bombenanschlägen waren in Damaskus und Aleppo mehrere Dutzend Menschen ums Leben gekommen.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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