Unruhen in China Auch Uiguren protestieren
02.04.2008, 15:45 UhrNeben den Unruhen in Tibet sind in China auch Proteste von Muslimen in der Region Xinjiang im Nordwesten des Landes ausgebrochen. Die Polizei habe einen Protest von "Separatisten" auf dem Markt der vor allem von muslimischen Uiguren bewohnten Stadt Hetian aufgelöst, berichtet die Stadtregierung auf ihrer Webseite. Eine kleine Gruppe von Unruhestiftern habe zum Seperatismus aufgerufen und versucht, die Massen aufzustacheln.
Der US-Sender Radio Free Asia (RFA) berichtete dagegen, Hunderte hätten am 23. März an den Protesten auf dem traditionellen Sonntagsmarkt teilgenommen, die jetzt erst bekannt geworden sind. Auslöser sei der Tod eines wohlhabenden uigurischen Geschäftsmannes in Polizeigewahrsam gewesen, der nach offiziellen Angaben angeblich einem Herzanfall erlegen sein soll. In dem nahe gelegenen Kreis Mayu in der armen Region seien ebenfalls Proteste ausgebrochen.
Örtliche Quellen berichteten laut RFA, dass Hunderte festgenommen worden seien. Die Stadtregierung machte die "drei bösen Kräfte", wie "Separatismus, Terrorismus und Extremismus" in Nordwestchina umschrieben werden, für die Proteste verantwortlich.
Neben Tibet, das seit drei Wochen anhaltende Proteste gegen die chinesische Fremdherrschaft erlebt, ist Xinjiang eine weitere Unruheregion Chinas. Auch das muslimische Turkvolk der Uiguren beklagt Unterdrückung durch chinesische Fremdherrschaft. China hatte sich das frühere Ostturkestan nach der Gründung der Volksrepublik 1949 - ähnlich wie Tibet - als autonome Region einverleibt. Exil- Uiguren fordern eine Wiederherstellung der einstigen Ostturkestanischen Republik.
"Moralische Leere"
Amnesty International (ai) kritisierte indes die Menschenrechtssituation in China als "beschämend". Die Pekinger Führung habe ihr vor den Spielen gegebenes Versprechen, die Menschenrechte zu verbessern, nicht eingehalten. "Die Lage hat sich eher verschlechtert als verbessert", sagte ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler. "Zurzeit werden verstärkt Menschenrechtsaktivisten in und um Peking mundtot gemacht, in Tibet regieren Gewaltmissbrauch, mutmaßliche Folter und strikte Medienblockade." Amnesty forderte eine unabhängige Untersuchung des Vorgehens der Sicherheitskräfte in Tibet.
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will sich trotz der massiven Kritik an seinem Schweigen zu den Geschehnissen in Tibet und den Menschenrechtsverstößen in China aus politischen Fragen heraushalten und sich vielmehr auf die Vorbereitung der Spiele konzentrieren. In letzter Zeit seien die Spiele in Peking "mehr als je zuvor in Fragen hineingezogen worden, die nicht unbedingt eine Verbindung zur Austragung der Spiele haben", sagte der Chef der IOC- Koordinierungskommission, Hein Verbruggen, bei einer Sitzung mit den Olympia-Organisatoren in Peking.
Human Rights Watch forderte die IOC-Ethik-Kommission auf, für Gastgeber von Olympischen Spielen klare Menschenrechtsstandards zu definieren. Das IOC arbeite in einer "moralischen Leere". "Die Frage ist nicht, ob das IOC eine Menschenrechtsorganisation ist", sagte Sophie Richardson, Asiendirektorin der Menschenrechtsgruppe. "Es geht darum, ob die Olympische Bewegung die Menschenrechte respektiert. Wenn das der Fall ist, ist es nicht akzeptabel, weiter über Chinas Verfolgung zu schweigen." Indem sich das IOC nicht von Verstößen in Verbindung mit den Spielen distanziere, werde die Menschenrechtslage in China untergraben und die Olympische Charta "verspottet".
Pelosi: Boykott erwägen
Wegen Chinas Vorgehen in Tibet sollte sich US-Präsident George W. Bush nach Ansicht der Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, einen Boykott der Eröffnungsfeier in Peking offenhalten. "Ich denke, ein Boykott der Zeremonie, die ja als Feier vor allem der chinesischen Regierung Respekt zollt, sollte im Bereich des Möglichen bleiben", sagte Pelosi dem US-Fernsehsender ABC. China protestierte derweil gegen die Einladung des Europa-Parlaments an den Dalai Lama und einen nur kurzen Zwischenstopp des religiösen Oberhauptes der Tibeter nächste Woche in Tokio auf seinem Weg in die USA.
Quelle: ntv.de