US-Vorwahlkampf Aufgeheizte Stimmung
25.05.2008, 15:19 UhrHalb Amerika rätselt darüber, was Hillary Clinton zu ihrer verunglückten Äußerung über die Ermordung von Robert Kennedy im Juni 1968 getrieben haben könnte. Verzweiflung, Übermüdung oder einfach schlechter Geschmack? "Es gibt Tabus im Präsidentschaftsrennen", schreibt die "Washington Post" in strengem Ton, "und dies ist eines der größten Tabus". Zumindest indirekt ließ die Ex-First-Lady anklingen, sie bleibe deshalb im Rennen gegen Barack Obama, weil damals "Bobby" Kennedy kurz vor seiner Nominierung zum demokratischen Kandidaten für das Weiße Haus erschossen wurde. "Das klingt, als warte man darauf, dass etwas Schreckliches passiert", schreibt das Blatt in einem Kommentar. Böses Omen für die Demokraten?
Das Klima im US-Vorwahlkampf ist aufgeheizt: Fünf Monate Dauer-Duell haben ihre Spuren hinterlassen. Zwar liegt der schwarze Bewerber klar vorn, doch weder Obama noch Clinton können auf eine ausreichende Mehrheit für den Nominierungsparteitag Ende August verweisen. Auch die letzten drei Vorwahlen werden keine Entscheidung bringen. Die traurige Wahrheit: Beide Bewerber und die gesamte demokratische Partei befinden sich in einer Zwangslage, aus der es kaum einen "sauberen Ausweg" gibt.
Sondierungen zwischen den Lagern
Misslich ist die Lage vor allem für Clinton. Ihr geht es vor allem um einen "eleganten Abgang". Mit "erhobenem Kopf" aus dem Rennen zu scheiden sei ihr das Wichtigste, behaupten Insider. Zugleich geht es der Strategin Clinton darum, ihre politische Zukunft nicht zu verbauen. Schon sprechen Zeitungen von ihrem langfristigen Kalkül, es 2012 oder 2016 noch einmal mit dem Sprung ins Weiße Haus zu versuchen.
Die "New York Times" und das "Time Magazine", die zu den bestinformierten Blätter in den USA zählen, behaupten trotz aller Dementis, Ehemann Clinton sei nach reiflicher Überlegung zur Überzeugung gekommen, das Amt des Vizepräsidenten sei für seine Gattin das beste Sprungbrett für einen erneuten Anlauf. Angeblich gebe es bereits Sondierungen zwischen dem Obama- und dem Clinton-Lager. Tatsächlich fällt auf, dass Clinton zwar weiterhin Wahlkampf betreibt, aber auf ihre polemischen und persönlichen Spitzen gegen ihren schwarzen Konkurrenten geflissentlich verzichtet.
Obama braucht das "Hillary-Klientel"
Auch Obama geht pfleglich mit seiner Gegnerin um, statt nach seinem kaum noch einzuholenden Vorsprung zu triumphieren, lobt er mitunter die Rivalin. Obama weiß: Will er am 4. November gegen John McCain gewinnen, braucht er die Stimmen der Frauen, der weißen Arbeiterschaft, der Latinos und der Alten - das alles ist "Hillary-Klientel". "Der Gewinner braucht in Wahrheit den Verlierer", philosophiert der ehemalige schwarze Präsidentschaftsbewerber Jesse Jackson. Einziger Haken: Käme es zum "Dream Team", wie das flinke Kommentatoren mitunter nennen, würde auch Ex-Präsident Bill Clinton als "blinder Passagier" mit ins Boot kommen - was Obama schlecht ins Konzept passt.
Eine andere Variante im "Endgame", im Endkampf um die demokratische Nominierung, sieht sehr viel weniger friedlich aus. Am kommenden Samstag trifft sich die Parteispitze der Demokraten, um erneut das heiße Eisen Michigan und Florida anzufassen. In beiden Bundesstaaten hatte Clinton klar gewonnen. Doch bereits vor der Abstimmung hatte die Partei entschieden, dass die Delegierten beim Nominierungsparteitag in Denver keine Stimme haben. Die Partei hatte dies als Strafe verhängt, weil die Staaten ihre Vorwahlen vorgezogen hatten. Jetzt will Clinton, dass die Delegierten doch mitstimmen dürfen.
"Clintons letzte Hoffnung", nennt das die Zeitung "Wall Street Journal". Immerhin geht es um 367 Delegierte, die die Wende bringen könnten. Vor allem die alles entscheidenden "Superdelegierten" könnten dann zu Clinton umschwenken. Experten meinen allerdings, die Parteiführung werde sich auf einen Kompromiss einigen, die die derzeitige Führung Obamas unberührt lässt. Alles andere wäre eine K.O.-Lösung, die die gesamte Partei in die Krise stürzen würde.
Von Peer Meinert, dpa
Quelle: ntv.de