Politik

"Darauf haben wir hingelebt" Aus für "Bombodrom"

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Protestaktion im Jahr 2005: Menschen formen die Worte "No Bombs" auf dem Platz des geplanten Übungsgeländes.

(Foto: AP)

Nach jahrelangem Rechtsstreit gibt Verteidigungsminister Jung den Verzicht auf den Bombenabwurfplatz Kyritz-Ruppiner Heide bekannt. Die Bundeswehr werde auf Übungsplätze im Ausland ausweichen. Die Bürgerinitiative Freie Heide jubelt: "Es ist der Tag, auf den wir lange hin gelebt und gearbeitet haben."

Erfolg für ein breites Bürgerbündnis: Im jahrelangen Tauziehen um den umstrittenen Bombenabwurfplatz in Brandenburg haben sich die Gegner des sogenannten Bombodroms durchgesetzt. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verkündete das endgültige Aus für das Übungsgelände der Bundeswehr bei Wittstock. Gegen das Vorhaben, das mehr als 15 Jahre lang die Gerichte beschäftigte, hatten jedes Jahr zu Ostern zehntausende Menschen protestiert.

Jung bezeichnete den Verzicht als Ergebnis eines "sehr sorgfältigen Abwägungsprozesses". Dabei hätten nicht nur die geringen Aussichten auf eine erfolgreiche Revision gegen das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in dem Fall eine Rolle gespielt. Berücksichtigt worden sei auch, dass der Bundestag vorige Woche eine Petition der Gegner unterstützt hatte.

Bundeswehr geht ins Ausland

"Wir nutzen Wittstock nicht mehr als Luft-Boden-Schießplatz", sagte der Verteidigungsminister. Die in der Kyritz-Ruppiner Heide geplanten Übungen sollten nun im Ausland stattfinden, wo die Bundeswehr bereits 75 Prozent ihrer Übungsflüge macht. Ausbildungskommandos der Luftwaffe gibt es unter anderem in den USA, in Italien und in Kanada.

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Seit 17 Jahren standen die Ostermärsche in der Region ganz im Zeichen des Kampfes gegen das Bombodrom.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Außerdem halte die Bundeswehr an den Schießplätzen in Nordhorn in Niedersachsen und in Siegenburg in Bayern fest, sagte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Dagegen erklärte der CDU-Abgeordnete und parlamentarische Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Hermann Kues, die Entscheidung gegen Wittstock bedeute, dass auch Nordhorn "auf kurz oder lang als Luft-Boden-Schießplatz aufgegeben wird".

17 Jahre dagegen gekämpft

Der Sprecher der Bürgerinitiative Freie Heide, Benedikt Schirge, ist über die Aufgabe der "Bombodrom"-Pläne in Nordbrandenburg hocherfreut. "Es ist der Tag, auf den wir lange hin gelebt und gearbeitet haben", sagte er im brandenburgischen Zühlen. Nach 17 Jahren sei es mit demokratischen Mitteln gelungen, die zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide durchzusetzen. Der harte Kern von rund 50 Widerständlern werde sich am Nachmittag am "Bombodrom" treffen und feiern. "Es ist kein Tag, den man allein verbringen kann."

Nach dem Verzicht auf das "Bombodrom" fordert der Landrat von Kelheim in Bayern, auch für den Bombenabwurfplatz beim niederbayerischen Siegenburg das Aus zu beschließen. "Ein weiterer Flugbetrieb ist nicht zumutbar", meinte Landrat Hubert Faltermeier. Ein solcher Übungsplatz sollte die Bürger in Siegenburg und im niedersächsischen Nordhorn, wo es den zweiten deutschen Bombenabwurfplatz gibt, vom Fluglärm entlasten.

Laut Jung wird der Verzicht auf das Bombodrom zu höheren Kosten für die Bundeswehr führen. Beziffern wollte er dies zunächst nicht. Auch was mit dem 140 Quadratkilometer großen ehemaligen sowjetischen Truppenübungsplatz an der Landesgrenze von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nun geschieht, müsse erst besprochen werden, unter anderem mit den Verantwortlichen vor Ort.

"Riesiger Erfolg"

In Brandenburg stieß die Entscheidung des Verteidigungsministers auf Erleichterung. "Das ist ein Freudentag für die Menschen der Region", erklärte Ministerpräsident Matthias Platzeck. Er würdigte die friedlichen Proteste gegen das Bombodrom, die über lange Jahre die Ostermärsche geprägt hatten. Die CDU-Landesvorsitzende Johanna Wanka erklärte, nach fast 17 Jahren rechtlicher Auseinandersetzung könnten die Menschen nun aufatmen und die friedliche Nutzung ihrer Heimat angehen. "Widerstand lohnt sich", erklärte Linken-Geschäftsführer Dietmar Bartsch.

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Die Bürgerbewegung hat sich durchgesetzt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering sagte: "Das ist ein riesiger Erfolg für die Bürgerinitiativen, die 17 Jahre dafür gekämpft haben. Diese Ausdauer dürfte einmalig in Deutschland sein." Mit dem Verzicht der Bundeswehr könne jetzt der sanfte Tourismus ausgebaut werden.

Das Oberverwaltungsgericht hatte Urteile der Vorinstanz bestätigt und entschieden, dass auf dem 14.000 Hektar großen Areal keine Tiefflieger trainieren dürfen. Belastungen der Anwohner durch Lärm und Emissionen seien unzureichend geprüft worden. Die Tourismusbranche hatte Einbußen befürchtet. In einer seltenen Entscheidung hatte es der Bundestag in der vorigen Woche ebenfalls abgelehnt, die einst von den Russen als Truppenübungsplatz genutzte Heide an die Bundeswehr zu übergeben. Die Abgeordneten folgten damit einem Antrag des Petitionsausschusses.

Steinmeier: "Sieg der Vernunft"

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat den Verzicht als "Sieg der Vernunft" bezeichnet. "Ich freue mich mit den Menschen in der Prignitz und in Mecklenburg-Vorpommern über das Aus für das Bombodrom", sagte der Außenminister. "Die Entscheidung war überfällig." Für die Entwicklung der ganzen Region gebe es jetzt eine sichere Perspektive.

"Das hilft dem Tourismus und bringt neue Chancen für Beschäftigung im Westen Brandenburgs", sagte Steinmeier, der in Brandenburg seinen Wahlkreis für die Bundestagswahl hat. Das jahrelange Engagement der Menschen gegen einen Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide habe sich ausgezahlt. "Es hat sich gelohnt, dass wir in den letzten Wochen den politischen Druck noch einmal erhöht haben."

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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