Politik

Aufarbeitung der NS-Vergangenheit BND vernichtete Akten

Historiker nehmen für den Bundesnachrichtendienst die Geschichte des Auslandsgeheimdienstes unter die Lupe. Dabei fällt ihnen auf, dass wichtige Dokumente offenbar geschreddert wurden - und zwar erst vor kurzem.

Der BND hat eine Historikerkommission beauftragt.

Der BND hat eine Historikerkommission beauftragt.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der Bundesnachrichtendienst soll nach Recherchen der Historikerkommission zur Erforschung seiner Geschichte im Jahr 2007 historisch wertvolle Akten vernichtet haben. Betroffen sind etwa 250 Personalakten, unter anderem von Mitarbeitern, die während der NS-Zeit wichtigere Positionen bekleideten, wie die Kommission in Marburg mitteilte. Deren Sprecher, der Dresdner Professor für Zeitgeschichte Klaus-Dietmar Henke, betonte: "Es ist aber nicht der Fall, dass der BND etwa gezielt alle Akten von NS-Belasteten vernichtet hätte."

Der Bundesnachrichtendienst bestätigte, dass Akten zerstört wurden. "Die vernichteten Personalakten im Umfang von circa zwei Prozent des für das Geschichtsprojekt relevanten Bestandes wurden seinerzeit als nicht archivwürdig eingestuft. Aus heutiger historiographischer Sicht ist der Bestandsverlust gleichwohl bedauerlich und ärgerlich." Der Fall sei im BND dokumentiert und seit September Gegenstand "umfangreicher Recherchen im Rahmen der Aufarbeitung der Archivbestände". Es werde versucht, den Informationsverlust zu den betreffenden Personen so weit wie möglich zu minimieren.

Die Wissenschaftler forderten von der Behörde die Aufklärung der Angelegenheit. "Ich habe gegenwärtig den Eindruck, dass der BND diesen Vorfall bisher selbst noch nicht in allen Einzelheiten aufgeklärt hat", sagte Henke. Zudem erwarteten die Forscher, dass sie künftig informiert werden, ehe potenziell bedeutende Dokumente geschreddert werden.

Geschichtsvergessenheit?

Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Kontrollgremiums im Bundestag für die Geheimdienste, zeigte sich empört. "Ich habe kein Verständnis für die Aktenvernichtung im BND. Das scheint mir ein schlimmer Fall von Geschichtsvergessenheit zu sein. Ich hatte gehofft, dass so etwas in Deutschland nicht mehr vorkommen kann. Der BND muss schnell aufklären, wie zu der Aktenvernichtung kommen konnte."

Der Bundesnachrichtendienst hatte Anfang des Jahres die Historikerkommission eingesetzt, um unter anderem erstmals seine Nazi-Vergangenheit aufzuarbeiten. Unabhängig von politischen oder inhaltlichen Vorgaben sollen vier Wissenschaftler die Akten aus der Frühzeit des Auslandsgeheimdienstes durchleuchten. Im Mittelpunkt steht die Zeit zwischen 1945 und 1968, als der BND-Vorläufer - die Organisation Gehlen - zahlreiche NS-belastete Mitarbeiter beschäftigte.

Noch 2007 vernichtet

Henke zufolge fiel den Experten bei Recherchen im Archiv auf, dass Dokumente fehlten. Zunächst sei gesagt worden, die entsorgten Schriftstücke hätten keinen historischen Wert besessen - was aber nicht stimme. Darunter seien Akten von BND-Mitarbeitern gewesen, die während der NS-Zeit "signifikante geheimdienstliche Positionen" bekleidet hätten, die in der SS oder der Gestapo tätig gewesen seien oder die sich später wegen NS-Verbrechen hätten verantworten müssen. Zudem seien Akten von Nachrichtendienst-Mitarbeitern dabei, "gegen die der BND in den 60er Jahren selbst Ermittlungen wegen schwerer NS-Belastung durchgeführt hatte", berichtete die Kommission.

Dass vor einigen Jahrzehnten Schriftstücke entsorgt wurden, wisse man, erklärte Henke weiter. "Bedenklich ist, dass Akten dieser Qualität noch 2007 vernichtet wurden."

Quelle: ntv.de, dpa

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