Guttenbergs militärpolitisches Erbe Bayern ächzt unter der Reform
13.05.2011, 10:32 UhrDas Verteidigungsministerium bezeichnete unlängst die Sparvorgaben bei der Bundeswehr als "fatal für die Handlungsfähigkeit der Truppe". Jetzt kommen ähnliche Worte auch aus Bayern. Ex-Verteidigungsminister Guttenberg habe ein "militär- und strukturpolitisches Desaster" hinterlassen. Offenbar sei es dem Minister nur um seine Öffentlichkeitswirkung gegangen.

Offiziell steht die CSU weiter hinter Guttenberg. Große Teile hoffen auf sein politisches Comeback.
(Foto: dapd)
Die Auswirkungen der Bundeswehrreform auf die Standorte vor allen in Bayern sind nach Ansicht von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) möglicherweise dramatisch. "Nicht die Energiewende, die Bundeswehr ist meine mit Abstand größte Sorge", sagte Seehofer der "Augsburger Allgemeinen".
Das ganze Ausmaß der Probleme sei ihm erst bei einem Gespräch mit Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) vergangene Woche in Berlin klar geworden. "Soldaten, Arbeitsplätze, Standorte - die Fragen sind ungelöst", kritisierte der bayerische Ministerpräsident. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beklagte, "dass die ganze Diskussion um Freiwillige völlig in den Sternen steht". Die magere Bezahlung bei der Bundeswehr sei kein Anreiz für Bewerber. "Das Ergebnis ist jetzt, dass wir bald eine Reihe leer stehender Kasernen haben werden", so Herrmann.
Dem Blatt zufolge herrscht in der CSU viel Unmut über die vom früheren Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) eingeleitete Neuausrichtung der Bundeswehr - insbesondere in Bayern mit seinen vielen Standorten und der starken Rüstungsindustrie.
Die Zeitung zitiert ein ungenanntes Mitglied der schwarz-gelben Landesregierung, Guttenberg habe ein "militär- und strukturpolitisches Desaster" hinterlassen. Ein anderes CSU-Vorstandsmitglied sagte dem Blatt, Guttenberg habe freiwillig Sparzusagen in Milliardenhöhe gemacht, "nur um sich von der 'Bild'-Zeitung als 'Spargott' feiern zu lassen".
Seehofer und Herrmann hatten die Abschaffung der Wehrpflicht schon früher skeptisch beurteilt. Sie konnten sich aber damals nicht gegen Guttenberg durchsetzen - unter anderem, weil dieser viel Zuspruch in den Medien bekam. Kritiker monieren nun, dass es keinen durchdachten Reformplan gegeben habe. De Maizière distanzierte sich zwar nicht öffentlich von seinem Vorgänger Guttenberg. Er hat aber bereits erklärt, dass die Reform nicht mehr in dieser Wahlperiode zu bewältigen sei.
Kleine Standorte kaum zu halten
In einem internen Gutachten aus dem Verteidigungsministerium wurde unlängst vor den dramatischen Folgen gewarnt, falls die Sparvorgaben für die Bundeswehr beibehalten werden. So sind nach den bisherigen Plänen die 68 Bundeswehrstandorte im Freistaat mit ihren insgesamt rund 50.000 Dienstposten stark bedroht. Zwar bedeutet die Abschaffung der Wehrpflicht nicht die Abschaffung der Bundeswehr, dennoch bleiben an vielen Standorten ohne die Wehrdienstleistenden nicht viele Soldaten übrig.
Zahlreiche Standorte und Verbände müssten geschlossen oder aufgelöst werden, kritisierte aus die SPD. Schließungen fürchten vor allem kleinere Standorte mit weniger als 100 Dienstposten, beispielsweise Bamberg, Bayerisch Eisenstein oder Deggendorf. Zum Vergleich: Das Stationierungskonzept von 2004 sieht eine durchschnittliche Belegung von 900 Soldaten vor. Bayern galt bislang als Bundeswehrstandort Nummer eins in Deutschland.
Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour kritisierte, bei der Abschaffung der Wehrpflicht habe man sich wenig Gedanken darüber gemacht, wer all die Aufgaben übernehmen solle, die bislang von Wehrpflichtigen erfüllt wurden. De Maizière hatte kürzlich erklärt, dass sicher auch die Bedeutung der derzeit 122:000 Reservisten steigen werde. Die Wehrpflichtigen, die Sandsäcke schleppten, werde es bald nicht mehr geben.
Pläne "kastrieren" die Streitkräfte
Auch der Bundeswehrverband hatte vor drastischen Folgen durch die Sparmaßnahmen gewarnt. "Wer diese Pläne ernsthaft verfolgt, der kastriert und marginalisiert die deutschen Streitkräfte zu einer kostengünstigen Mini-Truppe", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. "Das Ergebnis wäre, dass Deutschland weder sich selbst noch sein Bündnis auch nur ansatzweise schützen könnte - von humanitären Aktionen wie in Libyen ganz zu schweigen."
De Maizière soll aber in den Verhandlungen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble eine spürbare Aufweichung der Sparziele erreicht habe, berichten Deutschlandfunk und Deutschlandradio. Der Verteidigungsminister will sein neues Konzept am Mittwoch kommender Woche in Berlin vorstellen.
Quelle: ntv.de, dpa