Politik

"We Are Family" Begeisterung auf Knopfdruck und andere Lehren vom CDU-Parteitag

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Harmonie und Geschlossenheit, dieses Signal wollte Friedrich Merz zum CDU-Parteitag aussenden. Söder und von der Leyen unterstützten ihn nach Kräften.

Harmonie und Geschlossenheit, dieses Signal wollte Friedrich Merz zum CDU-Parteitag aussenden. Söder und von der Leyen unterstützten ihn nach Kräften.

(Foto: picture alliance/dpa)

Für Beobachter war der CDU-Parteitag fast schon langweilig: kaum Streit, keine Skandale. Genau darauf ist die Partei stolz. "Es war der beste Parteitag aller Zeiten", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann am dritten Tag des Treffens in Berlin, und das passte auch dazu, wie die Delegierten ihre gute Laune zur Schau stellten. Sechs Lehren des Parteitags, auf dem CDU-Chef Friedrich Merz zum ersten Mal wiedergewählt wurde und die Partei sich ein neues Grundsatzprogramm gegeben hat.

1. Dann begeistern die Delegierten sich eben selbst

Einige Beobachter haben Merz' Rede am Montag mit Merkel-Auftritten bei CDU-Parteitagen verglichen und das war nicht als Kompliment gemeint. Die Rede war so staatstragend und ausgewogen (das sollte sie auch sein), dass sie die Grenze zur Langeweile bisweilen überschritt (was Merz vermutlich in Kauf nahm). Das sah man auch in den Gesichtern der Delegierten. Wenn sie trotzdem immer wieder begeistert klatschten und dem Parteivorsitzenden am Ende gut neuneinhalb Minuten Applaus gaben, dann lag das offenkundig daran, dass sie begeistert sein wollten. Am Mittwoch sang dann auch noch eine Showband "We Are Family". Harmonie, wo man hinschaute. Es ist nicht immer leicht, von CDU-Parteitagen zu berichten.

2. Die CDU ist wieder ganz bei sich

Aber es ist schon bemerkenswert: Nur zweieinhalb Jahre nach der bitteren Wahlniederlage von 2021 hat die CDU wieder Oberwasser. Merz ist der erste Vorsitzende seit Angela Merkel, der überhaupt wiedergewählt wurde - Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet war das nicht vergönnt. Merz hat eine verunsicherte Truppe übernommen, die in einen Abgrund geblickt hat. Schließlich sind eine ganze Reihe von christdemokratischen und anderen Mitte-Rechts-Parteien in Europa in den vergangenen Jahren in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Merz hat Ruhe in die Partei gebracht. Mittlerweile ist sie wieder so stark, dass es unvorstellbar erscheint, dass die Union nicht Teil der nächsten Regierung sein wird.

Das liegt auch am neuen Grundsatzprogramm. Merz hatte das Mammutprojekt bei Carsten Linnemann in Auftrag gegeben. Er wusste, dass die CDU auf aktuelle Fragen Antworten geben muss. Migration, Klimawandel, Krieg und Frieden. Ein gut 70 Seiten starkes Dokument ist dabei herausgekommen, das die Grundlage für das Wahlprogramm sein wird. Man muss es klar sagen: Die CDU hat ihre Hausaufgaben gemacht.

3. Das Signal der Geschlossenheit

Jede Partei möchte, dass von ihrem Parteitag ein "Signal der Geschlossenheit" ausgeht. Aber gelegentlich spielt die Realität nicht mit: Vielleicht gibt es Streit um Posten, die im Vorfeld nicht ausgeräumt werden konnten, vielleicht gibt es große Richtungskonflikte, vielleicht nur eine Reihe von inhaltlichen Fragen, die geklärt werden müssen. Ein Signal der Geschlossenheit gibt es dann selten. Und jede Partei wünscht sich, als debattierfreudig wahrgenommen zu werden. "Kanzlerwahlverein" will auch die CDU nicht sein. Aber auch hier ist die Realität mitunter eine andere. Vor allem, weil die Geschlossenheit stets wichtiger ist, gerade in der CDU.

Den Christdemokraten ist es in Berlin gelungen, tatsächlich das gewünschte Signal der Geschlossenheit zu liefern, ohne komplett auf Debatten zu verzichten. Das muss nicht lange halten; unerfreuliche Wahlergebnisse im Juni (bei der Europawahl) und im September (in Thüringen, Sachsen und Brandenburg) könnten störend wirken. Und danach entbrennt möglicherweise ein Streit um die K-Frage. Linnemann jedenfalls geht davon aus, dass das alles gut geht. Er sei sich sicher, dass alle "aus dem Chaos von 2021" gelernt hätten, als CDU und CSU "gestritten haben wie die Kesselflicker", sagte er ntv.

4. Keine Sehnsucht nach Merkel, aber auch kein Bruch

16 Jahre lang war Angela Merkel der Kompass der Partei. Nach ihrem Abschied 2021 brauchte es eine Neuorientierung. Im neuen Grundsatzprogramm besinnt sich die CDU stärker zurück auf ihre konservativen Wurzeln. Mit den Begriffen Freiheit, Wohlstand und Sicherheit will sie "Zukunft gemeinsam gewinnen". Das kann man als Abkehr von Merkels Kurs verstehen, muss es aber nicht. Die frühere Bundestagsabgeordnete Gabriele Schmidt aus Baden-Württemberg sagte etwa, es habe keinen Bruch mit Merkel gegeben. "Politik verändert sich immer", so die 68-Jährige. "Es ist eine Weiterentwicklung. Das ist keine Abkehr, es gibt keine Merkel-Politik oder Merz-Politik. Es gibt nur CDU-Politik, die sich verändert und anpasst." Dass Angela Merkel eine Einladung zu diesem Parteitag ignorierte, löste bei den meisten Delegierten nicht viel mehr als Schulterzucken aus.

5. Wähler gibt es ja auch noch

Die ganze Geschlossenheit hat vor allem einen Sinn: Die Wähler dazu zu bewegen, die CDU zu wählen, nicht nur bei den Europawahlen und den Landtagswahlen, sondern auch im nächsten Jahr bei der Bundestagswahl. Deshalb beteuert Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen in einem Wahlwerbespot auch: "Die CDU war immer mehr als eine Partei, sie ist eine Gemeinschaft". Die Union will schließlich die Ampel ablösen. Die Umfragen sehen zwar gut aus, aber wenn nach Merz als Kanzler gefragt wird, dann schneidet der CDU-Vorsitzende weniger gut ab als CSU-Chef Markus Söder und auch als der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst. Die CDU setzt darauf, dass Merz - sofern er Kanzlerkandidat wird - gewählt wird, auch wenn sich seine Beliebtheit in Grenzen hält. Sie verweist dabei gern auf Olaf Scholz, dem das ja 2021 auch gelang.

6. Gute Nachricht nicht nur für die CDU selbst

Dass die CDU wieder stabil ist, ohne nach rechts abzudriften oder sonstigen populistischen Versuchungen zu verfallen, ist nicht nur eine gute Nachricht für ihre Mitglieder. Sie ist in Deutschland die letzte Partei, die sich anhand ihrer Wahlergebnisse noch Volkspartei nennen kann - das zeigt sich aber auch in einer großen inhaltlichen Breite. Das wird mehr und mehr zum Alleinstellungsmerkmal in ganz Europa. Ihre Bedeutung ist dadurch ungleich größer als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. In Ostdeutschland ist sie vielerorts die letzte Bastion gegen einen drohenden Siegeszug der AfD. Ebenso kann die CDU in Europa ein Stabilitätsanker sein. Dass Merz dabei klare Kante gegen Russland zeigt und der Regierung Druck in Sachen Waffenlieferungen macht, ist dabei ebenso wichtig. Denn all das ist nicht selbstverständlich.

Quelle: ntv.de

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