Schöner ohne Schröder? Beim Selbsthilfetreffen der SPD
06.04.2014, 22:20 UhrEinen Mangel an Selbstbewusstsein diagnostiziert Sigmar Gabriel bei seiner SPD. Als Gegenmittel verordnet er der Partei eine Konferenz. Der Titel ist ein Schenkelklopfer - und der Inhalt des Treffens ein beliebiges Themen-Potpourri.

"Die SPD muss zeigen, dass wir in der Lage sind, das Land zu modernisieren", sagt Sigmar Gabriel.
(Foto: imago/Florian Schuh)
"Die SPD regiert. Das Land kommt voran." So lautet die Überschrift der "ersten Regierungskonferenz" der SPD. Der Titel schreit geradezu nach Witzen auf Kosten der Sozialdemokratie. Am Eingang der Akademie der Künste in Berlin hat sich denn auch ein Reporter der "Heute Show" eingefunden. Man kann sich ausmalen, wie sein Beitrag aussehen wird.
"Die SPD regiert. Das Land kommt voran." Würde die CDU so über sich sprechen, niemand würde sich wundern. Doch die SPD? Ein Schenkelklopfer. Bei einer der zwei Diskussionsrunden an diesem Sonntagnachmittag zitiert der Bundestagsabgeordnete Hubertus Heil den alten Spruch, nach dem die Konservativen sich schon immer ganz selbstverständlich zum Regieren berufen gefühlt hätten. Die SPD dagegen habe stets die Verhältnisse verändern wollen. Das macht das Regieren anstrengend.
Die Reden und Diskussionsbeiträge zeigen denn auch schnell, wie beschwerlich es sein kann, Sozialdemokrat zu sein. Akademie-Präsident Klaus Staeck begrüßt die versammelten SPD-Spitzen mit einem Witz. Er sei jetzt 54 Jahre Mitglied dieser Partei. "Dazu gehört viel Leidensfähigkeit."
"Die SPD braucht Selbstbewusstsein"
Heiko Maas gehen solche Sprüche vermutlich auf die Nerven. Der Bundesjustizminister spricht in der Runde mit Heil über Länderfinanzen und vieles mehr. Am Ende sollen er und die anderen auf dem Podium sagen, was die SPD tun müsse, damit sie bei Wahlen erfolgreich sei. Wirtschaftskompetenz, sagt einer, Bildungsinfrastruktur ein anderer. Maas sagt: Die SPD solle lernen, dass das Glas nicht halb leer, sondern halb voll sei.
Einen roten Faden haben die Reden und Debatten nicht, es geht um alles: Breitbandausbau, Kindertagesstätten, die Finanzbeziehungen von Kommunen, Bund und Ländern. Die Frage, warum man sich überhaupt versammelt hat, bleibt offen. Oder auch nicht, eigentlich beantwortet SPD-Chef Sigmar Gabriel sie gleich am Anfang. Wenn die SPD etwas brauche, dann sei es Selbstbewusstsein, sagt er. Wir befinden uns also auf einer Art Selbsthilfetreffen.
Kraft will die "Reparaturkosten" senken
Zwei Dinge fallen auf an diesem Tag. Vergleichsweise viel Aufmerksamkeit erhält die Rede der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Viele von denen, die sich zu Wort melden, beziehen sich auf sie. Kraft ist, man weiß das schon, eine Autorität in der SPD. Das Zweite: Sozialdemokraten wollen durchaus regieren. Sie würden sich nur auch gern gut dabei fühlen.
Kraft hat eine Botschaft, die über Breitband und Länderfinanzen hinausgeht. Sie sagt, ein Fünftel der Jugendlichen in Deutschland habe keinen Schulabschluss oder mache keine Ausbildung. Zugleich würden bis 2020 allein in Nordrhein-Westfalen rund 360.000 Fachkräfte fehlen. Sie spricht von den "Reparaturkosten", die das mit sich bringe. Und sie berichtet von einem Projekt aus einem Problemstadtteil im sauerländischen Arnsberg, wo "vom Dorfsheriff bis zum Kinderarzt" alle daran arbeiten, dass Kinder nicht abrutschen. Mittlerweile lägen die Ausgaben für Jugendhilfe in diesem Stadtteil unterhalb der Durchschnittskosten, die Arnsberg insgesamt in diesem Bereich zu tragen habe.
Kraft sagt, sie wolle "sozial" und "Marktwirtschaft" zusammen denken - zu oft habe die SPD den Fehler gemacht, einen Gegensatz daraus zu konstruieren, bemängelt sie. Da muss man an Gerhard Schröder denken. Auf dem Podium sagt Fraktionschef Thomas Oppermann, "einer, der morgen Geburtstag hat", also Schröder, habe maßgeblichen Anteil daran, dass Deutschland jetzt so gut dastehe. Dem können viele Sozialdemokraten wohl zustimmen. Aber der Mangel an Selbstbewusstsein hängt eben auch mit dem Basta-Kanzler zusammen. Das macht ihn zu einer Art Lord Voldemort der SPD: Sein Name wird nur selten genannt.
Noch schöner ohne Schröder
Am Ende, gewissermaßen als Höhepunkt, spricht Martin Schulz, Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten bei der Wahl zum EU-Parlament. "Wenn wir was verändern wollen, dann müssen wir die Kommission erobern", ruft Schulz seinen Genossen entgegen.
Verändern will die SPD immer noch, regieren auch. Was ihr noch fehlt: eine positive Vision, die nicht nur überzeugend, sondern auch griffig ist. Gabriel versucht es an diesem Sonntag mit dem Schlagwort der Modernisierung - nicht nur Brücken und Bildung, Deutschland insgesamt solle "modernisiert" werden.
Aber das ist eben auch eine Frage der Stimmung. Die meisten würden sich ja gleich bei Schröders Geburtstagsfeier wiedersehen, sagt Staeck, als er die Veranstaltung beendet. 70 Jahre wird der Altkanzler an diesem Montag, am Vorabend feiert die SPD ihn im Restaurant von Sarah Wiener. Staeck wünscht allen, die nicht bei der Feier sein werden, einen "noch schöneren Abend".
Das Publikum lacht. Am Ende ist das Glas mal wieder halb leer.
Quelle: ntv.de