Flämische Nationalisten siegen Belgien wählt paradox
13.06.2010, 17:47 UhrMit einem Triumph der nationalistischen Neu-Flämischen Allianz bei der vorgezogenen Parlamentswahl verschärft sich die politische Krise in Belgien. Der Sieg einer Partei, die die Unabhängigkeit Flanderns fordert, ist eine Premiere bei gesamtbelgischen Wahlen. Nun muss ein flämischer Nationalist dazu beitragen, typisch belgische Probleme zu lösen.

Bart De Wever könnte neuer Ministerpräsident von Belgien werden. Doch er muss mit einer frankophonen Partei regieren.
(Foto: REUTERS)
Bei den belgischen Parlamentswahlen haben die flämischen Nationalisten der Neu-Flämischen Allianz (N-VA) einen historischen Sieg errungen. In Flandern wurde die Partei nach ersten Ergebnissen mit mehr als 30 Prozent vor den Christdemokraten stärkste Kraft. Obwohl die N-VA im Süden des Landes nicht antrat, landete sie auch landesweit auf Platz Eins.
Eine Regierungsbildung dürfte äußerst schwierig werden, da die N-VA offen für Flandern als einen selbstständigen Staat und damit letztlich für eine Spaltung Belgiens eintritt.
Parteichef Bart De Wever erklärte am Abend: "Wir haben heute die Wahlen gewonnen. Wir sind die größte Partei Flanderns." Er äußerte sich nicht dazu, mit welcher Partei er eine Koalition eingehen könnte und ob er Premierminister werden will. "Wir wollen so schnell wie möglich die nötigen Reformen umsetzen, und wir müssen Ordnung bei den Finanzen schaffen." Er deutete Kompromissbereitschaft an - "man muss Brücken bauen", sagte er. In den vergangenen Jahrzehnten war der Premierminister stets ein Flame gewesen.
Erfolg aus dem Stand
Die N-VA schaffte den Erfolg quasi aus dem Stand. Noch vor drei Jahren hatte die damals noch mit den Christdemokraten verbundene Partei gerade mal drei Prozent erzielt. "Das ist ein historischer Sieg für die N-VA", sagte der Chef der flämischen Liberalen, Alexander De Croo. De Croo hatte im April den Sturz der Regierung von Premier Yves Leterme verursacht. Letermes Koalition war am Sprachenstreit zerbrochen.
Dagegen setzten sich in der französischsprachigen Wallonie die Sozialisten durch, ebenfalls mit mehr als 30 Prozent. Dahinter rangieren die Liberalen. Der Vorsitzende der Sozialisten im Süden des Landes, Elio Di Rupo, ist einer der möglichen Kandidaten für den Posten des Premiers.
Krasse Gegensätze
Flämische Nationalisten und frankophone Sozialisten vertreten vollkommen entgegengesetzte Auffassungen über die dringend notwendige Staatsreform. Während die N-VA eine lose Staatengemeinschaft Belgiens fordert und den Sonderstatus von Brüssel beenden will, wollen die Sozialisten den föderalen Staat stärken und die Region Brüssel ausweiten.
Die neue Regierung muss einen Kompromiss zum Wahl- und Gerichtsbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde finden. Dieses Problem, vermengt mit dem Sprachenkonflikt, vergiftet seit Jahren das politische Klima. Die Regierung Letermes hatte sich nicht auf einen Neuzuschnitt einigen können.
Kein Rechtsruck
In Flandern verdrängte die N-VA die Christdemokraten vom traditionellen ersten Platz. Allerdings war kein deutlicher Rechtsruck zu beobachten: Die Zugewinne der N-VA gingen auf Kosten des rechtsradikalen und offen ausländerfeindlichen Vlaams Belang, der deutlich an Stimmen verlor. Drittstärkste Kraft wurden in Flandern die Sozialisten.
Beobachter sprachen von einer "Schicksalswahl". Es müsse sich nun zeigen, ob französischsprachige Wallonen und niederländischsprachige Flamen noch in der Lage seien, gemeinsam das Land zu regieren. Der frühere Premier Mark Eyskens sagte: "Es ist paradox: Nun muss ein flämischer Nationalist dazu beitragen, typisch belgische Probleme zu lösen."
Quelle: ntv.de, dpa