Sind US-Geheimdienste "naiv"? Bericht: Putin hat Nawalnys Tod nicht angeordnet
27.04.2024, 13:16 Uhr Artikel anhören
Diejenigen, die behaupten, Putin habe nichts gewusst, "verstehen offensichtlich nichts davon, wie das moderne Russland funktioniert", sagen Mitstreiter von Alexej Nawalny.
(Foto: picture alliance/dpa)
Bis heute ist nicht geklärt, woran der russische Kremlkritiker Alexej Nawalny starb. Ein Mordanschlag im Auftrag von Wladimir Putin war es nicht, soll das Fazit der US-Geheimdienste lauten. Mitstreiter des Kremlkritikers nennen den Befund "lächerlich".
Die US-amerikanischen Geheimdienste sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht die Ermordung von Alexej Nawalny angeordnet hat - jedenfalls nicht im Februar, als der russische Oppositionsführer im Alter von 47 Jahren in einem arktischen Gefangenenlager starb. Das berichtet das "Wall Street Journal" (WSJ) unter Berufung auf Personen, die mit den Ermittlungen der Geheimdienste vertraut sind.
Demnach bestreiten auch die US-Geheimdienste nicht, dass Putin ultimativ für Nawalnys Tod verantwortlich ist. Sie stellen laut dem Bericht allerdings infrage, ob der Kremlchef direkt in die Ereignisse des 16. Februar involviert war. Der Befund werde innerhalb der US-amerikanischen Nachrichtendienste akzeptiert und von Behörden wie der CIA geteilt, schreibt das WSJ.
Demzufolge wurden einige europäische Geheimdienste ebenfalls über den Befund der US-Kollegen informiert. Diese sollen laut Bericht allerdings skeptisch sein, dass Nawalny in einem so streng kontrollierten System wie dem von Putin ohne das vorherige Wissen des Machthabers zu Schaden kommen konnte. Auch Nawalnys Witwe, Julia Nawalnaja, und andere Oppositionelle beschuldigen den russischen Staatschef, die Ermordung beauftragt zu haben. Der Kreml weist diese Anschuldigung zurück.
Viele Widersprüche
Der zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte Kremlkritiker Nawalny war Mitte Februar in einem Straflager in Sibirien gestorben. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht geklärt. Laut der russischen Behörden brach der schärfste Kritiker von Putin bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof ohne Vorwarnung zusammen. Nawalny habe sich unwohl gefühlt, heißt es. Wiederbelebungsversuche seien erfolglos geblieben.
Nur tags zuvor schien es dem Kremlkritiker allerdings - in Anbetracht der Umstände - noch bestens zu gehen. In einer Aufnahme, die Nawalny in seiner Zelle zeigt, bittet der Oppositionsführer einen Richter etwa scherzhaft und lachend um eine Geldüberweisung.
Nach seinem Ableben wurden weitere Widersprüche bekannt: Unter anderem besuchten Beamte des russischen Geheimdienstes FSB das Straflager nur zwei Tage, bevor Nawalny zusammenbrach. Der Föderale Vollzugsdienst benötigte zudem nur zwei Minuten, um die russische Öffentlichkeit in einer Pressemitteilung über den Vorfall zu informieren. Anschließend weigerten sich die russischen Behörden mehr als eine Woche lang, den Leichnam des Kremlkritikers an dessen Mutter zu übergeben.
"Lächerlich"
Leonid Wolkow, ein langjähriger Vertrauter und Mitstreiter von Nawalny, bleibt daher überzeugt, dass Putin den Tod seines schärfsten Kritikers angeordnet hat. In einer Mitteilung an das "Wall Street Journal" weist er die Einschätzung der US-Geheimdienste als "naiv" zurück: Diejenigen, die behaupten, Putin habe nichts gewusst, "verstehen offensichtlich nichts davon, wie das moderne Russland funktioniert", sagt Wolkow demnach. "Die Vorstellung, Putin sei nicht informiert gewesen und habe die Ermordung Nawalnys nicht gebilligt, ist lächerlich".
Kurz nach dem Tod von Nawalny hatten dessen Mitstreiter bereits ein mögliches Motiv des Kremls für den Anschlag öffentlich gemacht. Demnach sollte der Oppositionsführer im Rahmen eines Gefangenenaustauschs für den in Deutschland inhaftierten Tiergartenmörder freikommen. Ein entsprechendes Angebot sei Kremlchef Putin Anfang Februar unterbreitet worden, hieß es.
Wenige Wochen später bestätigte Putin, dass tatsächlich ein Gefangenenaustausch geplant war. Ihm sei der Vorschlag unterbreitet worden, Nawalny im Rahmen eines Gefangenenaustausches freizulassen, sagte Putin im März auf einer Pressekonferenz. Er habe bereits sein Einverständnis zum Austausch gegen im Westen inhaftierte Russen gegeben - unter der Voraussetzung, dass der Oppositionspolitiker Russland verlasse und nicht mehr zurückkehre.
Quelle: ntv.de, chr/rwe