Politik

"Reset-Taste gedrückt" Berlin arbeitet wieder

Die Bundesregierung ist aus dem Schatten der Wahlkämpfe getreten und hat ihre Lethargie beendet. Nach Treffen auf höchster politischer Ebene in Berlin und Bonn können Union und SPD eine Reihe von Stolpersteinen aus dem Weg räumen. So wurde ein Teil der Pflegereform auf den Weg gebracht, Einigung über das Betreuungsgeld erzielt, mehr Hilfe für Demenzkranke und Contergan-Opfer in Aussicht gestellt, das Wohngeld wird erhöht, um steigende Energiekosten aufzufangen und nicht zuletzt wird die Geldwäsche erschwert.

"Zum Wohle des Landes"

Damit hätten Union und SPD klare Handlungsfähigkeit und den Willen zur vertrauensvollen Zusammenarbeit bis 2009 demonstriert, erklärten übereinstimmend die Fraktionschefs zum Abschluss des Treffens auf dem Petersberg bei Bonn. Die Koalition sei sich ihrer großen Verantwortung bewusst.

Beide Seiten hätten sich fest vorgenommen, weiter "zum Wohle des Landes" hart zu arbeiten, erklärte Unionsfraktionschef Volker Kauder. Dies müsse auch in "einem schwierigen Umfeld" möglich sein, fügte er in Anspielung auf die SPD-Öffnung zur Linkspartei hinzu. Sein SPD-Kollege Peter Struck sprach von einer "außerordentlich positiven" Gesprächsatmosphäre. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte mit Blick auf die Ergebnisse: "Wir haben die Reset-Taste gedrückt. Es geht jetzt wieder von vorne los."

Kompromiss über Pflegestützpunkte

Beendet wurde der monatelange Konflikt über die Einrichtung von Stützpunkten für Pflegebedürftige. Die Einführung soll nun den einzelnen Ländern überlassen werden. Wenn ein Bundesland Stellen für Pflegeberatung beantragt, sollen die Pflege- und Krankenkassen Stützpunkte aufbauen. Bestehende Angebote müssten berücksichtigt werden. Länder ohne entsprechendes Interesse hingegen könnten auf Stützpunkte verzichten. Somit ist die SPD-Forderung nach einem Netz von bundesweit 4000 Stützpunkten für je 20.000 Menschen vom Tisch.

Bislang waren 45.000 Euro je Beratungsstelle vorgesehen, insgesamt 180 Millionen. Die Union wollte das Geld lieber in die Betreuung von Demenzkranken in stationären Einrichtungen stecken. Dafür werden jetzt 200 Millionen Euro bereitgestellt.

"Herdprämie" und Krippenausbau

Ab 2013 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz oder alternativ dazu auf eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld). Darauf einigten sich in Berlin Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD). Die Finanzierung ist allerdings noch offen. Die Forderungen der Union, vor allem der CSU, seien damit erfüllt worden. Einzelheiten sollten später in einem eigenen Gesetz geregelt werden. Die CSU will die Einigung genau prüfen. Mit der jetzt formulierten Begründung sei die Finanzierungsfrage noch offen, sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Nach Angaben des Finanzministeriums stellt der Bund für den Ausbau der Kinderbetreuung von diesem Jahr an vier Milliarden Euro bereit.

Wohngeld wird angehoben

Nach Angaben von Kauder und Struck gab es auch eine Einigung über die Anhebung des Wohngelds. Damit sollen steigende Energiekosten aufgefangen werden. Die erforderlichen 250 Millionen Euro würden im Haushalt bereitgestellt.

Weiter beschlossen wurde eine bessere Entschädigung für Opfer von Gewalttaten. Darauf sollen künftig auch Deutsche Anspruch haben, die im Ausland Opfer eines solchen Delikts werden – ebenso Ausländer mit Verwandten in Deutschland, die etwa bei einem Besuch überfallen und dabei verletzt werden.

Hilfe für Contergan-Opfer

Die Runde beschloss ferner eine Verdoppelung der Entschädigungsrenten für Contergan-Opfer. Der dafür vorgesehene Etat wird um 15 Millionen Euro erhöht. Die Zahlungen sollen noch in diesem Jahr beginnen. Derzeit beträgt die Monatsrente für die rund 2870 Geschädigten bis zu 545 Euro.

Bezahlen mit Riester

Bereits am Dienstagabend hatten die rund 30 Teilnehmer den Streit um die sogenannte Eigenheimrente ("Wohn-Riester") ausgeräumt. Hausbauer und Käufer von Eigentumswohnungen können ihre staatlich geförderten Riester-Sparverträge damit voraussichtlich noch in diesem Jahr zum Erwerb einer Immobilie oder zur Entschuldung einsetzen. Bekräftigt wurde der Wille, auch bei der Bahnreform, der Mitarbeiter- Beteiligung am Betriebsvermögen und der Erbschaftsteuerreform, bei der es vor allem bei der CSU noch Vorbehalte gibt, rasch zu Lösungen zu kommen.

Situation an den Finanzmärkten

In einer "Petersberger Erklärung" wurden die Banken von den Fraktionsspitzen aufgefordert, eventuelle weitere Wertberichtigungen und Verluste rasch offen zu legen. Nur so könne das Misstrauen auf den Finanzmärkten abgebaut und verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden. Handlungsbedarf gebe es aber auch bei den Landesbanken. Die Entscheidung, die angeschlagene Deutsche Industriebank (IKB) zu stützen, wurde von beiden Seiten gebilligt. "Sehr kritisch" sehe man die bisherige Rolle von Ratingagenturen. Bundesbankpräsident Axel Weber hatte als Gast an den Beratungen teilgenommen.

Kampf gegen Geldwäsche

Im Kampf gegen weltweite Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sollen künftig auch in Deutschland schärfere Vorgaben gelten. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin die Umsetzung einer neuen EU-Richtlinie in nationales Recht. Bargeschäfte im Umfang von mehr als 15.000 Euro müssen künftig registriert werden. Bisher waren nur Banken und Finanzdienstleister dazu verpflichtet. Jetzt sind auch andere Akteure auf diesem Gebiet wie Steuerberater und Rechtsanwälte gefordert.

Quelle: ntv.de

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