Obama-Day Berlin spielt verrückt
23.07.2008, 14:56 UhrJa, er kommt - endlich. Noch nie hat in Deutschland der Auftritt eines ausländischen Politikers, der erst noch ein wichtiges Amt erreichen will, einen solchen Wirbel verursacht wie der Besuch des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama am 24. Juli in Berlin.
Kanzlerin Angela Merkel wollte zwar nicht, dass der Charismatiker vor dem Brandenburger Tor spricht, hat aber eigens ihren Urlaub um einen Tag verschoben, um den Senator aus Illinois im Kanzleramt für eine Plauderstunde zu empfangen. Zehntausende werden an der Siegessäule zu seiner Rede am Abend erwartet. Tagelang spekulierte die Hauptstadt über die Vorbereitungen für das, was bezeichnenderweise "Fanmeile" genannt wird.
Dabei ist die Obama-Visite das, was die Kanzlerin immer gegen den Auftritt vor dem Brandenburger Tor ins Feld geführt hat, ein Teil einer Wahlkampftour vier Monate vor der US-Präsidentschaftswahl. Deutsche Journalisten kommen im Besuchsprogramm kaum zum Zug. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der eigens seinen Urlaub unterbricht, muss Obama das Gästebuch der Stadt ins Hotel hinterher tragen - ins Rote Rathaus geht der Senator nicht.
Hauptsache das Brandenburger Tor ist im Bild
Zumindest äußerlich geht es Obama weniger um Berlin oder Deutschland als um werbespot-taugliche Bilder für das amerikanische Fernsehen, wie Fachleute meinen. An der Siegessäule wird alles so aufgebaut, dass das auch in den USA bekannte Brandenburger Tor im Bild sein wird. Und auch von den Fenstern des Hotels Adlon wird der Senator auf das historische Denkmal blicken, das wie kein anderes in Europa für das Schlüsselwort seiner Kampagne steht: "Change" (Wandel). Selbst der Zeitpunkt der Rede im Tiergarten am Abend scheint mit Bedacht gewählt - um 19.00 Uhr hat auch im fernen Kalifornien unserer Zeit der Tag begonnen.
Obama nutzt Berlin vor allem als Bühne, die Hauptstadt spielt dennoch seit Tagen verrückt. Die frühere "Frontstadt" des Kalten Krieges hing zumindest im Westteil wie keine andere an den US-Staatsoberhäuptern. Die Auftritte John F. Kennedys ("Ich bin ein Berliner.") und Ronald Reagans ("Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder.") sind bis heute unvergessen. Nach den schwierigen Bush-Jahren scheint Obama einer zu sein, dem man wieder vertrauen kann - nicht zuletzt, weil er sich gern auf Kennedy beruft.
Merkel kann "Obamania" nichts abgewinnen
Merkel hat sich immer bemüht, der "Obamania" entgegenzuwirken. Um den Tor-Rede-Plan gab es sogar zwischen Kanzleramt auf der einen Seite und Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Berlins "Regierendem" Klaus Wowereit (beide SPD) Gerangel. Es ist Merkel aber zu glauben, wenn sie sagt: "Ich freue mich sehr auf den Besuch und unser Gespräch, schon deshalb, weil ich ihn nicht kenne." Sie wolle die Standpunkte des möglichen Präsidenten kennenlernen - wissbegierig ist Merkel eigentlich immer.
Dass jetzt dieser Besuch so im Mittelpunkt steht, ist für die Kanzlerin kaum nachvollziehbar. Klar, Obama, wenn er es denn wird, hat einigen Spielraum, die Außenpolitik neu zu justieren. Letztlich, so glaubt man im Kanzleramt, wird sich auch ein Mann, der fast wie ein politischer Messias bejubelt wird, erst einmal in den von Präsident George W. Bush vorgegebenen Bahnen bewegen müssen. So ist Obama viel vorsichtiger geworden, was einen raschen Truppenabzug im Irak angeht. Auch wird er keine radikale Wende in der Klimapolitik einleiten. Dass Obama ein Klimaschutzabkommen ohne China und Indien unterschreibt, gilt in der Bundesregierung als äußerst unwahrscheinlich.
Steinmeier will transatlantische Beziehungen verbessern
Steinmeier hat sich schnell bemüht, einen guten Draht zu Obama aufzubauen, obwohl auch er bislang den Demokraten nur telefonisch gesprochen hat. Der SPD-Mann möchte damit endlich wieder auch in den transatlantischen Beziehungen gegenüber der Kanzlerin in die Vorhand kommen.
Dabei kann Obama den Deutschen noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), rechnet damit, dass er von den Deutschen ein größeres Engagement in Afghanistan verlangen wird.
Und da könnte es bald ein böses Erwachen geben. Nach einer Umfrage würden es die Deutschen begrüßen, wenn Obama der 44. Präsident der USA wird. Trotz aller Sympathie für den US-Demokraten sind sie aber dagegen, dass Deutschland in Afghanistan stärker militärisch Präsenz zeigt. Obama kommt zwar sympathisch rüber, doch die Welt ist nicht so, dass sie ein einzelner Mann aus den Angeln heben kann.
Burkhard Fraune und Ulrich Scharlack, dpa
Quelle: ntv.de