CDU wendet sich ab Böhmer im Kreuzfeuer
25.02.2008, 17:44 UhrSachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) gerät wegen seiner Äußerungen zu Kindstötungen in Ostdeutschland auch in der Union immer stärker unter Druck. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen ging auf Distanz zu ihrem Parteifreund. "Es ist keinem geholfen, wenn man die Probleme vereinfacht", sagte sie.
Im CDU-Präsidium wurde Böhmer von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Rede gestellt. Der Ministerpräsident bemühte sich, die Wogen zu glätten. Rückendeckung erhielt er vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Böhmer erklärte in einer Stellungnahme, "die zitierten Sätze sind der verkürzte Ausschnitt eines langen differenzierenden Gesprächs zu diesem sensiblen Thema". Die Besorgnis erregende und statistisch belegte Häufigkeit von Kindstötungen bedürfe mehr als nur einer oberflächlichen Interpretation.
"Mittel der Familienplanung"
Böhmer hatte in einem "Focus"-Interview gesagt, die häufigen Fälle von Kindstötungen im Osten Deutschlands seien seiner Ansicht nach eine Folge der liberalen DDR-Abtreibungspolitik und der leichtfertigeren Einstellung zum werdenden Leben in den neuen Ländern. Es komme ihm so vor, als ob Kindstötungen von Neugeborenen für manche ein Mittel der Familienplanung seien.
Von der Leyen betonte, die Frauen in Ost- und Westdeutschland dürften nicht unterschiedlich betrachtet werden. Mit verantwortlich für die Kindstötungen seien oftmals schwere soziale und psychische Probleme der Mütter, sagte sie gegenüber n-tv. Das CDU-Präsidium unter Merkels Leitung legte Böhmer nach Angaben von Teilnehmern nahe, seine Äußerungen nicht zu wiederholen. Harsche Kritik kam auch von Thüringens CDU-Landtagspräsidentin Dagmar Schipanski.
Nach den Grünen forderte auch die Linkspartei Böhmer zum Rücktritt auf. Die FDP nannte die Äußerungen eine Beleidigung für ostdeutsche Frauen.
Rückendeckung von der Kirche
Der Theologe und SPD-Politiker Richard Schröder stellte sich indes hinter Böhmer. Tatsächlich habe der Respekt vor den Ungeborenen jedenfalls bei den Funktionären der DDR keine große Rolle gespielt, schrieb er im "Tagesspiegel".
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wies die Kritik an Böhmer als überzogen und maßlos zurück. Böhmer wisse aus eigener Erfahrung, wie bedenkenlos nicht selten die Abtreibungsmöglichkeit in der DDR genutzt worden sei, um Probleme der Lebensplanung zu lösen, erklärte ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer. Böhmer war früher Chefarzt der Gynäkologie in Wittenberg in Sachsen-Anhalt.
In Magdeburg forderte SPD-Sozialministerin Gerlinde Kuppe eine Klarstellung des Regierungschefs der dortigen großen Koalition. CDU-Landesgeschäftsführer Bernd Reisener sagte, trotz der Kritik auch aus der Bundes-CDU könne er absolut nicht erkennen, dass Böhmer in Sachsen-Anhalt innerparteilich in Bedrängnis kommen könnte.
Nach einer vor kurzem veröffentlichten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen werden drei- bis vier Mal mehr Kinder in den ostdeutschen Ländern von ihren Eltern getötet als im Westen. Die genauen Ursachen hierfür sind bislang nicht erforscht.
Quelle: ntv.de