Politik

"Konvertiten-Datei" Bosbach: So nicht gesagt

Auf heftigen Widerspruch aus allen Parteien ist die Idee eines Registers für zum Islam Übergetretene gestoßen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU), dem dieser Vorstoß als Mittel im Antiterrorkampf zugeschrieben wurde, bestritt inzwischen, einen solchen Vorschlag überhaupt gemacht zu haben. Unter den in der vergangenen Woche verhafteten drei mutmaßlichen Terroristen sind zwei zum Islam übergetretene Deutsche.

Bosbach wies in mehreren Medien Berichte zurück, wonach er im Bayerischen Fernsehen die Einführung eines "Konvertiten"-Registers gefordert habe. "Ein Register für alle Konvertiten habe ich weder gefordert noch halte ich die Einführung einer solchen Datei für sinnvoll", sagte er der "Kölnischen/Bonner Rundschau".


Ein Redaktionsbüro hatte am Dienstagabend im Auftrag des Bayerischen Rundfunks Bosbach aus der "Münchner Runde" mit dem Satz zitiert: "Ein Konvertiten-Register ist sinnvoll, denn wir wissen, dass sich einige nach dem Übertritt radikalisieren lassen." Bosbach sagte dazu der dpa: "Diesen Satz habe ich nicht gesagt." Es sei ihm nicht um Konvertiten gegangen, sondern "um die kleine Gruppe der Gefährder, die Kontakt zur militanten islamistischen Szene gesucht haben".

Die "Islamische Dschihad Union", die sich im Internet zu den geplanten Terroranschlägen bekannte, drohte Deutschland: "Sie müssen verstehen, dass Sie zum Anschlagziel werden, wenn Sie Ihre hinterhältigen Aktionen gegen den Islam nicht einstellen." Experten des Bundesinnenministeriums hatten das Bekenntnis als authentisch bewertet.

Nach am Mittwoch bekannt gewordenen Einzelheiten werden die drei Verhafteten darin als "unsere Brüder" bezeichnet. Die Terroristen wollten mit Anschlägen gegen den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein sowie Konsulate der USA und Usbekistans nach eigenen Worten erreichen, dass Deutschland den Luftwaffenstützpunkt Termes in Usbekistan schließt, der für den deutschen Afghanistaneinsatz benutzt wird.

Offen blieb, weshalb sich die usbekische Terrorgruppe zu verhinderten Anschlägen bekennt und weshalb das Bekennerschreiben in türkischer und nicht in usbekischer Sprache verfasst ist. Ein westlicher Experte mit langjähriger Usbekistan-Erfahrung sagte, es gebe in dem Land keine Wurzeln für radikalen Islam. Es könne aber durchaus sein, dass Usbeken von Pakistan aus agierten.



Dumm und substanzlos

Ein "Konvertiten-Register" wertete der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz als Unfug und Giftmüll. Schleswig- Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) nannte die Idee dumm. "Man kann nicht eine ganze Glaubensgruppe diskreditieren. Das geht nicht."

Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) warnte: "Es gibt keinen sachlichen Grund, alle Konvertiten über einen Kamm zu scheren." Man müsse allerdings ein Auge auf einzelne, zumeist jüngere Konvertiten haben, die in islamistische Kreise geraten. Darauf hätten sich die Sicherheitsbehörden aber bereits eingestellt. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Max Stadler sagte, ein solches Register wäre mit einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zu vereinbaren. Der Linke-Abgeordnete Jan Korte sprach von einem direkten Angriff auf die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Für den Parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, wäre dies verfassungswidrig und abwegig.

Widerspruch kam auch aus der Union. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte: "Wir brauchen keine neue Kartei für Konvertiten." Die Möglichkeiten der Anti-Terror-Datei reichten aus. Darin können Sicherheitsbehörden unter anderem Angaben zur Religionszugehörigkeit speichern. Bayerns Innenminister Günther Beckstein sagte hingegen: "Dass von radikalisierten Konvertiten eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit in Deutschland ausgeht, kann nach der Vereitelung der geplanten Terroranschläge in jüngster Zeit niemand bestreiten."

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Ayyub Axel Köhler, sagte, mit einer Registrierung von Übertritten zum Islam würden Konvertiten "amtlich unter Generalverdacht gestellt". Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, meinte: "Wir sollten in dieser schwierigen Diskussion nicht mit solchen Vorschlägen kommen. Das ist verfassungsrechtlich nicht tragbar und auch nicht sinnvoll. Uns interessiert nicht die Glaubensrichtung, sondern uns interessieren Menschen, von denen eine Gefahr ausgeht. Der Vorschlag hat keine Substanz."



Quelle: ntv.de

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