Mitarbeiterbeteiligung "Brauchen wir das überhaupt?"
30.06.2007, 10:33 UhrDer Wirtschaftsexperte Michael Hüther hält die von der großen Koalition vorgelegten Konzepte zur Mitarbeiterbeteiligung für wenig sinnvoll. "Ich sehe keine Vorzüge und frage mich: Warum brauchen wir das überhaupt", sagte der Direktor des Arbeitgeber nahen Kölner Instituts für Wirtschaft (IW) der Deutschen Presse-Agentur. "Ich kann keinen Grund dafür erkennen, Steuermittel für Beteiligungen an Unternehmen zu verwenden."
Sowohl das SPD-Modell des "Deutschlandfonds" als auch das Unions- Konzept der direkten Beteiligung an den Unternehmen seien "typisch politische technokratische Ansätze". Ein möglicher Kompromiss beider Vorschläge könne darin liegen, "dass beide fördern wollen". Jedoch sei es sachlich nicht zu begründen, vor allem die unteren Einkommensgruppen zu fördern. Dort seien mit Steuermitteln bereits genügend Fördermaßnahmen vorhanden.
Beim Vorschlag der Union sieht Hüther die direkte Beteiligung an Unternehmen als problematisch an. "Gerade die geringen Einkommensgruppen brauchen doch eine breite Risikostreuung." Der Vorschlag der SPD sei dagegen viel zu bürokratisch und aufwendig. "Da ist das Konzept von CDU und CSU sicherlich schlanker und einfacher zu realisieren."
Einfacheres Steuersystem nötig
Die dargestellten Vorteile für Unternehmen könne er bei der Mitarbeiterbeteiligung jedoch nicht erkennen. "Wenn es für Unternehmen interessant wäre, hätten es schon mehr gemacht." Bisher bieten in Deutschland nur etwa 10 Prozent der Betriebe mit 200 und mehr Mitarbeitern Kapitalbeteiligungen und 19 Prozent Gewinnbeteiligungen an.
Statt der vorgestellten Konzepte plädiert Hüther für ein einfacheres Steuersystem. Wenn der Staat wirklich steuerlich eingreifen wolle, "sollte er die Konsumsteuer einführen und Ersparnisse steuerfrei machen".
Weiter Streit um das richtige Konzept
Unterdessen hat Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hat eine rasche Einigung der großen Koalition über die Mitarbeiterbeteiligung an Unternehmen gefordert. "Es muss 2007 eine Verständigung geben. Es sollte nicht als Wahlkampfthema für 2009 verheizt werden", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende. Er erwarte, dass die Koalition aus den Vorschlägen von SPD und Union ein einheitliches Konzept erstelle, "damit der Vermögensaufbau in Arbeitnehmerhand schnell voranschreiten kann".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will den Investivlohn bis zum Ende der Legislaturperiode einführen. Sie hoffe, dass dies trotz unterschiedlicher Herangehensweisen von Union und SPD gelinge, sagte sie am Freitagabend bei einer CSU-Veranstaltung in Nürnberg. CSU-Chef Edmund Stoiber sieht Chancen für eine Einigung. "Wir sind noch weit auseinander, aber ich glaube, dass es die Möglichkeit gibt, einen gemeinsamen Weg zu finden."
Der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner lehnt das Unions-Modell in der vorgelegten Form ab. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" bezeichnete er die Risiken für die Arbeitnehmer als viel zu hoch. "Ich erwarte hier zusätzliche Absicherungen." Das Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) nannte das Unions-Modell zu teuer.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) erteilte beiden Konzepten eine Absage. Das Modell von CDU/CSU bürde den Arbeitnehmern doppeltes Risiko auf, sagte der Präsident der Schutzgemeinschaft, Klaus Schneider, der "Thüringer Allgemeinen". "Die Mitarbeiter tragen dann nicht nur das Risiko um ihren Arbeitsplatz, sondern auch noch das ihrer Geldeinlage." Der SPD-Vorschlag, die Mitarbeiter über einen "Deutschlandfonds" zu beteiligen, "grenzt an Sozialismus pur".
Quelle: ntv.de