Politik

"Gruppe Marsmenschen" Briten sauer auf US-Army

Sechs Jahre nach dem Irak-Krieg zieht 2009 Großbritannien seine Soldaten aus Irak ab.

Sechs Jahre nach dem Irak-Krieg zieht 2009 Großbritannien seine Soldaten aus Irak ab.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Zwischen der US-Militärführung im Irak und ihren britischen Verbündeten hat nach dem Einmarsch im März 2003 oftmals alles andere als harmonische Stimmung geherrscht: In Gesprächen mit Vertretern des Londoner Verteidigungsministeriums beklagten sich zahlreiche ranghohe Rückkehrer über ihren geringen Einfluss auf die Entscheidungen ihrer US-Kollegen, wie der "Daily Telegraph" berichtete.

"Marsmenschen" ohne jeden Dialog

"Unsere Möglichkeiten, die US-Politik im Irak zu beeinflussen, scheinen sehr gering zu sein", urteilte der oberste Kommandeur der britischen Truppen, Andrew Stewart, über die Zeit nach dem eigentlichen Irakkrieg. Seine US-Kollegen verglich der Generalmajor mit einer "Gruppe Marsmenschen", denen jeder "Dialog völlig fremd" sei. Stabschef JK Tanner klagte, dass die britische Militärführung "ungeachtet unserer sogenannten 'besonderen Beziehungen' nicht anders behandelt wird als die Portugiesen".

Eine Entscheidung der US-Kommandeure, einen engen Vertrauten des radikalen Schiitenpredigers Moktada el Sadr im von den Briten kontrollierten Bereich zu fangen, war nach den Worten eines anderen britischen Offiziers "mit uns nicht abgesprochen und schon gar nicht koordiniert". Laut General Stewart gab es zwischen dem britischen Hauptquartier in Basra und der US-Führung in Bagdad nicht einmal eine "gesicherte Funkverbindung".

"Das ganze System war entsetzlich", fasste Oberst Tanner seine Erfahrungen mit der sogenannten Wiederaufbauphase zusammen. "Wir hatten im Umgang mit dem amerikanischen Militär und den zivilen Stellen echte Schwierigkeiten. Diese gaben uns - teils aus Arroganz, teils durch ihre Bürokratie - zu verstehen, dass es nur einen Weg gibt: den amerikanischen Weg".

Anhörungen zur Rolle der Briten

Tausende Briten fordern 2008 den Rückzug aus dem Irak-.

Tausende Briten fordern 2008 den Rückzug aus dem Irak-.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Am Dienstag beginnen in London die Anhörungen einer parteiübergreifenden Untersuchung zur britischen Rolle im Irak-Feldzug. Die unabhängige Untersuchung soll klären, welche Lektionen aus dem Krieg gezogen werden müssen. Mit besonderer Spannung wird dabei der Auftritt des ehemaligen Labour-Premierministers Tony Blair erwartet. Er hatte Großbritannien unter Verweis auf die angebliche Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen, die nie bewiesen wurde, an der Seite der USA in den Krieg geführt - trotz großen Widerstandes im eigenen Land.

Pannen beim Einmarsch

Im Vorfeld der Anhörung berichteten Zeitungen auch über schwere Pannen beim Einmarsch der britischen Truppen in den Irak. Die ganze Operation sei schlecht vorbereitet, die Soldaten seien sowohl für den Kampfeinsatz als auch für die anschließende Besatzungszeit schlecht ausgerüstet gewesen, zitiert der "Sunday Telegraph" aus offiziellen Dokumenten.

Manche Soldaten, die mit zivilen Fluggesellschaften eingeflogen wurden, hätten ihre Ausrüstung als Handgepäck befördern müssen. Zudem seien Waffen von Sicherheitsbehörden an Flughäfen einbehalten worden. Manche Soldaten hätten nur fünf Schuss Munition gehabt. Weil die Funkgeräte der Armee die Hitze nicht vertrugen, hätten sich Soldaten mit Handys verständigen müssen. Zwar sei der Kampfeinsatz als deutlicher militärischer Erfolg eingeschätzt worden, allerdings sei der Gegner auch eine drittklassige Armee gewesen. "Ein fähigerer Gegner hätte die Unzulänglichkeiten schwer bestraft", hieß es in dem Bericht.

Zu den Dokumenten gehörten dem Blatt zufolge auch Niederschriften von Aussagen hochrangiger Militärs, die ihren Ärger über eine schlechte Vorbereitung der Invasion Luft machen. Demnach habe es bei den Plänen für den Einmarsch im März 2003 kein Konzept für den Fortgang der Operation nach dem Fall der Hauptstadt Bagdad und von Basra im Süden des Landes gegeben. Zudem seien Pannen beim Nachschub aufgetreten. Schutzwesten seien nicht rechtzeitig zum Kampfeinsatz eingetroffen, zudem habe es an Stiefeln und Schutz gegen chemische Waffen gefehlt.

Hat Blair gelogen?

Zudem könnte der damalige Premierminister Blair die Öffentlichkeit getäuscht haben, wie aus den Dokumenten hervorgeht, die der Zeitung zugespielt wurden. Demnach habe es schon im Februar 2002 Pläne für eine Invasion und einen Sturz des Regimes von Saddam Hussein gegeben. Blair hatte zu dieser Zeit behauptet, dass es Großbritannien nur um Abrüstung gehe und keine militärischen Aktionen geplant seien.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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