Vermittlungsausschuss letzte Chance Bundesrat stoppt BKA-Gesetz
28.11.2008, 18:04 UhrDas umstrittene BKA-Gesetz ist im Bundesrat vorerst gescheitert - nun soll ein Vermittlungsverfahren bis Weihnachten eine Lösung bringen. Um die vom Bundestag bereits beschlossenen neuen Kompetenzen für das Bundeskriminalamt (BKA) zur Terrorbekämpfung doch noch durchzubringen, wird die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. In der Länderkammer fand ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses keine Mehrheit.
Die Oppositionsparteien begrüßten das Scheitern des Gesetzes. Unmittelbar vor der Sitzung hatten die Verbände von Verlegern, Journalisten, Anwälten und Ärzten massiv gegen das Gesetz protestiert, das nach ihrer Ansicht das Vertrauensverhältnis zu Informanten, Mandanten und Patienten untergräbt.
Union pocht auf Annahme
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach forderte bei n-tv die Annahme des Gesetzes. "Die Notwendigkeit für dieses Gesetz in der jetzigen Fassung ergibt sich aus der Tatsache, dass wir durch eine Grundgesetzänderung bereits am 1. August 2006 dem Bundeskriminalamt erstmals die Aufgabe übertragen haben, den internationalen Terror in Deutschland vorbeugend zu bekämpfen."
Deshalb müsse das BKA nun auch die Befugnisse erhalten, die dafür erforderlich seien. Dazu zähle insbesondere die Möglichkeit der Online-Durchsuchung. "Das ist angesichts des Umstandes, dass der internationale Terror hochkommunikativ ist, aber auch hochkonspirativ arbeitet, ein unverzichtbares Fahndungsmittel", erklärte Bosbach bei n-tv.
Umstrittene Online-Durchsuchungen
Mit dem Gesetz soll das BKA zur Terrorbekämpfung erstmals auch vorbeugend ermitteln dürfen. Dies war im Grundsatz mit der Föderalismusreform und einer entsprechenden Grundgesetzänderung 2006 beschlossen worden. Hauptstreitpunkte sind die im Eilfall auch ohne richterliche Anordnung vorgesehene heimliche Online-Durchsuchung von Computern, das eingeschränkte Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten sowie die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern.
Das Gesetz kann jetzt nur dann über die Bühne gebracht werden, wenn die Union zu Kompromissen bereit ist und die SPD ihren internen Streit beilegt. SPD-Landespolitiker hatten im Gegensatz zur Bundespartei das bereits auf Betreiben der Bundes-SPD geänderte Gesetz abgelehnt. Stimmen die SPD-Landespolitiker zu, gibt es im Bundesrat trotz Ablehnung von Ländern mit Regierungsbeteiligung der FDP, Grünen oder Linken eine knappe Mehrheit. Grundsätzlich will die SPD das Gesetz, wenn auch in nochmals geänderter Form. Dies machte der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) deutlich.
Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte nach dem Nein des Bundesrates, dass derzeit ein Vermittlungsverfahren vorbereitet werde. Das Bundeskabinett werde die Anrufung des Ausschusses am Mittwoch beschließen. Dann könne der Bundesrat noch am 19. Dezember - in seiner letzten Sitzung in diesem Jahr - abschließend entscheiden.
Unterschiedliche Berufsgeheimnisse
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verwies vor dem Bundesrat darauf, dass 15 von 16 Landesinnenministerien für das Gesetz sind. Mit den neuen BKA-Kompetenzen würden die Zuständigkeiten der Landespolizeien in keiner Weise eingeschränkt. Schäuble verteidigte die strittige Online-Durchsuchung: Um Gefahren abwehren zu können, müsse die Polizei in die Kommunikation eindringen können. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Jörg Schönbohm (CDU), sagte, an der unterschiedlichen Bewertung in Detailfragen dürfe das Gesetz nicht scheitern.
Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) will auch in Eilfällen bei Online-Durchsuchungen immer einen Richter einschalten. In Berlin habe rund um die Uhr ein Richter Bereitschaftsdienst, der in maximal 15 Minuten entscheiden könne. Als nicht nachvollziehbar bezeichnete sie es, dass Berufsgeheimnisträger unterschiedlich behandelt würden, etwa Strafverteidiger anders als andere Rechtsanwälte. Nach dem Gesetz wären Abgeordnete, Geistliche und Strafverteidiger vor Überwachungen absolut geschützt, Ärzte, Journalisten und andere Anwälte nur eingeschränkt.
Polizeigewerkschaft fordert Kompromiss
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte die Verantwortlichen zu einem Kompromiss auf. Dabei müssten die Genehmigungs- und Kontrollmöglichkeiten der Richter gestärkt werden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sprach von einem Rückschlag für die polizeiliche Ermittlungsarbeit. Die Zeitungsverleger begrüßten die Ablehnung. Damit hätten die Ministerpräsidenten gezeigt, welch hohe Bedeutung sie dem Quellenschutz und damit der Wahrung der Pressefreiheit in Deutschland zumäßen.
Der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), forderte Nachbesserungen. Die richterliche Zustimmung bei Online-Durchsuchungen müsse ausnahmslos verankert werden, sagte er der "Leipziger Volkszeitung". CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg kritisierte die Haltung der SPD - Zustimmung im Bund, Verweigerung in den Ländern - als destruktiv.
Quelle: ntv.de