500-Milliarden-Etat geplant Bundestag setzt Schuldenbremse erneut aus
08.12.2020, 18:03 Uhr
Der Bundeshaushalt im kommenden Jahr wird geprägt sein von der Corona-Krise - der Bundestag setzt deshalb die Schuldenbremse außer Kraft.
(Foto: picture alliance/dpa)
Es ist die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte Deutschlands. Der Bundestag setzt mit Stimmen von Union und SPD die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse wegen der Pandemie außer Kraft. Für den Milliarden-Kredit erntet die Regierung Kritik - aus unterschiedlichen Gründen.
Der Bundestag hat mit der Kanzlermehrheit den Weg frei gemacht für die zweithöchste Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik. Auf Antrag von Union und SPD setzte das Parlament zu Beginn der viertägigen Haushaltswoche die Schuldenbremse im Grundgesetz für 2021 außer Kraft. Finanzminister Olaf Scholz von der SPD verteidigte die für 2021 geplante Neuverschuldung von fast 180 Milliarden Euro. Durch den Einsatz massiver Finanzmittel sei Deutschland ökonomisch und sozial besser durch die Coronavirus-Krise gekommen als von vielen anfangs erwartet. Die Opposition enthielt sich bei der Aussetzung der Schuldenbremse weitgehend.
Die Tilgung der neuen Schulden sieht Scholz nicht als Gefahr, der dazu auf ein erneutes Wachstum der Wirtschaft setzt: "Wir werden aus der Krise herauswachsen." Dies könne wieder gelingen, wie schon nach der weltweiten Finanzkrise vor über zehn Jahren. Wichtig seien vor allem Investitionen in Zukunftsfelder.
Der Bundestag soll den Etat mit Ausgaben von fast 500 Milliarden Euro am Freitag verabschieden - mit der zweithöchsten Neuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik. Die bislang höchste Kreditaufnahme war für dieses Jahr mit 218 Milliarden Euro beschlossen worden. Dieser Rahmen wird aber voraussichtlich bei weitem nicht ausgeschöpft. Zuletzt wurde in der Koalition von etwa 160 Milliarden Euro ausgegangen.
Die Neuverschuldung für 2021 übersteigt die laut Schuldenregel zulässige Grenze um rund 164 Milliarden Euro. Mit 374 Ja- und 73 Neinstimmen sowie 187 Enthaltungen setzte das Parlament daher die Schuldenbremse aus. Aus der Opposition hatte nur die AfD ein Nein angekündigt. Der Bundestag stellte "eine außergewöhnliche Notsituation" fest. Begründet wird dies mit Ausgaben und Einnahmeausfällen aufgrund der Corona-Pandemie. Der Etat sieht allein fast 40 Milliarden Euro für Unternehmenshilfen und 35 Milliarden Euro als Reserve für noch nicht bezifferbare, mögliche Ausgaben in Zusammenhang mit der Pandemie vor.
Rückzahlung zieht sich über 16 Jahre
Dieser Posten wird also vorsorglich zur Krisenbekämpfung eingeplant, ohne dass man jetzt schon weiß, wofür das Geld ausgegeben werden soll. Vorgesehen ist eine Rückzahlung ab 2026 über insgesamt 16 Jahre. Oppositionspolitiker hatten in der Debatte im Bundestag zuvor Kritik an der Schuldenbremse geübt. Die Linke forderte deren Abschaffung, und die Grünen verlangten eine Reform des Regelwerkes.
Kritik kam von der Opposition. "Schulden sind ein süßes Gift", sagte Christian Dürr von der FDP. So würden die jetzigen Lasten auf künftige Generationen übergehen, was inakzeptabel sei. Die AfD hält die Corona-Politik der Regierung für "völlig unverhältnismäßig", Strukturen in der Wirtschaft würden durch die Einschränkungen zerstört. Der Lockdown müsse schnell enden, 2021 werde auch so Zehntausende Insolvenzen bringen. Die Linke kritisierte vor allem den Verteidigungsetat. "Die Rüstungsausgaben sind in den letzten Jahren explodiert", sagte Gesine Lötzsch. Das Geld wäre nach ihren Worten in der Bildung, im Klimaschutz und für Wohnungen besser investiert.
Die Grünen kündigten an, sich bei der Abstimmung zur Abweichung von der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu enthalten. Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler verwies vor allem auf zu kurze Tilgungsfristen bei der Rückführung der Corona-Schulden. "Aktuell verdient der Staat gerade Geld mit der Aufnahme von Krediten." Die negativen Zinsen müssten genutzt werden, zumal Deutschland international eine verhältnismäßig geringe Schuldenquote habe. Die Hilfen für die Wirtschaft könne man sich leisten. Außerdem wollen die Grünen bis 2030 zusätzliche Investitionen von 50 Milliarden Euro pro Jahr. "Nach Corona darf nicht der Rotstift angesetzt werden."
Die Industriestaaten-Organisation OECD rät der Bundesregierung von einer zu frühen Rückkehr zu strikter Haushaltsdisziplin nach der Corona-Rezession ab. "Eine sofortige Wiedereinführung einer strengen Defizitbegrenzung gemäß der Schuldenbremse könnte die Erholung gefährden." Im Falle einer schwachen Konjunkturerholung sollten sogar zusätzliche Stützungsmaßnahmen ergriffen werden. Fiskalische Impulse dürften nur dann schrittweise entzogen werden, wenn die Konjunkturbelebung "richtig in Gang gekommen ist".
Quelle: ntv.de, joh/rts/DJ