Politik

Irak-Ausschuss befragt Blair "Bushs Pudel" soll schwitzen

Mit Spannung wird der Auftritt des ehemaligen britischen Premiers Blair vor dem Untersuchungsausschus zum Irakkrieg erwartet. Die Briten wollen ihren verhassten Ex-Regierungschef schwitzen sehen - doch Beobachter rechnen damit, dass sich der "Showman" elegant aus der Affäre ziehen wird.

Für viele Kriegsgegner ist Blair "Bushs Pudel".

Für viele Kriegsgegner ist Blair "Bushs Pudel".

(Foto: dpa)

Die einen bezeichnen es als letzte Chance für die Wahrheit, andere als öffentliche Abrechnung oder gar als pure Zeitverschwendung. Wenn heute der ehemalige britische Premierminister Tony Blair vor dem Irak-Untersuchungsausschuss in London aussagen muss, ist zumindest eines sicher: Es wird ein Riesenspektakel. Seit Monaten bereiten sich die Medien auf den Tag vor, an dem sich Blair für den umstrittenen Einmarsch im Jahr 2003 rechtfertigen muss. Kriegsgegner wollen mit lautstarken Protesten ihre Wut gegenüber Blair zum Ausdruck zu bringen.

Der mit Spannung erwartete Auftritt soll die Rolle des Landes im Vorfeld des Krieges klären. Großbritannien war beim Einmarsch 2003 enger Verbündeter der USA. Offizieller Kriegsgrund waren angebliche Massenvernichtungswaffen des damaligen Machthabers Saddam Hussein. Sie wurden jedoch nie gefunden. Die Entsendung der 45.000 Soldaten gehörte zu den umstrittensten Entscheidungen in Blairs zehnjähriger Amtszeit. Nach Einschätzung eines bereits befragten hohen Regierungsbeamten war der Krieg illegal.

Sechs Stunden muss sich der Ex-Premier den Fragen der Kommission stellen - und aller Erwartung nach wird er bestens präpariert in das "Verhör" gehen. Den meisten geht es aber vor allem darum, "Showman" Blair schwitzen zu sehen. "Der Ausschuss hat sich in ein voyeuristisches Spektakel verwandelt, ein modernes öffentliches Hängen, bei dem die Menge sich um den Galgen versammelt und jubelt", kommentierte Rachel Sylvester von der Zeitung "The Times".

Blair wird Hassfigur

Denn Blair hatte sich in den letzten Jahren immer mehr zur Hassfigur entwickelt. Viele Briten halten ihn gar für einen Kriegsverbrecher, weil er als "Bushs Pudel" an der Seite der USA und des damaligen Präsidenten George W. Bush ohne UN-Mandat und Unterstützung des Volkes in den Irak einmarschierte. Der Ärger schaukelte sich weiter hoch, weil der 56-jährige Blair seit seinem Abtritt im Juni 2007 zahlreiche Jobs bei Banken und Unternehmen angenommen hat, die ihm Millionen einbringen. Erst diese Woche war bekanntgeworden, dass er Vorträge vor einem Hedge Fonds halten wird, der mit der Finanzkrise ein Vermögen verdient hat.

In Großbritannien ist der ehemalige Premier äußerst unbeliebt.

In Großbritannien ist der ehemalige Premier äußerst unbeliebt.

(Foto: dpa)

Bei der Untersuchung hat Blair viele Fragen zu beantworten. Wann hatte er Bush versprochen, mit ihm in den Krieg zu ziehen? Ignorierte Blair Hinweise, dass ein Einmarsch ohne UN-Unterstützung gegen internationales Recht verstoße? Vor allem geht es aber darum, ob Blair wirklich davon ausgegangen war, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte und ob er dafür Beweise hatte. Oder ob es auch andere Gründe gab, den Diktator Saddam Hussein zu stürzen.

Krieg auch ohne Waffen

In diesem Punkt hatte Blair im Dezember für Zündstoff gesorgt. Damals sagte er, dass er sich auch ohne das Argument der Massenvernichtungswaffen für den Krieg im Irak entschieden hätte. Es hätte dann eine andere Rechtfertigung für den Einmarsch geben müssen. Für das Volk und seine eigene damalige Regierung, die seinem Waffen-Argument Glauben geschenkt hatte, war das ein Schlag ins Gesicht. Auch hatten Zeugen in dem seit November tagenden Ausschuss gesagt, dass die Informationen über vermeintliche chemische und biologische Waffen "sehr lückenhaft" gewesen seien.

In dieser Hinsicht förderte der Ausschuss bisher nicht wirklich brandneue Erkenntnisse zutage. Immerhin gab es schon vier andere Untersuchungen zum Irakeinsatz, bei dem zwischen 2003 und 2009 fast 180 Briten ums Leben kamen. Doch dass sich die Beteiligten - darunter auch ehemalige und amtierende Minister, Geheimdienstler und Regierungsbeamte - in aller Öffentlichkeit so detailliert befragen lassen müssen, setzte den unliebsamen Krieg wieder ganz oben auf die Agenda. Und für die sowieso schon angeschlagene Regierung von Blairs Nachfolger Gordon Brown, die sich in wenigen Monaten einer Parlamentswahl stellen muss, ist das alles andere als vorteilhaft. Brown selbst muss ebenfalls noch vor den Wahlen vor den Ausschuss.

Zeugen ohne Eid

Allerdings gibt es Kritik an der Arbeit des Ausschusses: So hat er keinen Zugriff auf entscheidende Regierungsdokumente. Die Zeugen müssen nicht unter Eid aussagen, und eine strafrechtliche Verfolgung droht ihnen auch nicht. In dem Ausschuss sitzen zudem keine Richter oder Juristen, die die Frage der Gesetzmäßigkeit des Krieges hinreichend beantworten könnten. Auch stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit der Kommission, die die britische Regierung selbst eingesetzt hatte.

Als "Zeitverschwendung" bezeichneten Hinterbliebene von getöteten Soldaten den Ausschuss. Blair - gemeinhin bekannt als guter Schauspieler - werde die Befragung bestens vorbereitet "unversehrt durchschiffen", sagte Samantha Roberts, die ihren Mann durch den Krieg verloren hatte. "Diese Untersuchung kostet Millionen über Millionen, aber was macht sie für einen Unterschied?" Ihren Mann werde das Ganze auch nicht wieder zurückbringen.

Quelle: ntv.de, Annette Reuther, dpa

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