Söder vor der WiederwahlDie Lage ist so ernst, sogar der Stichel-König ist freundlich
Von Hubertus Volmer
An diesem Freitag wird die CSU Markus Söder als Parteivorsitzenden wiederwählen. Offen ist nur, wie hoch die Zustimmung ausfällt. In jedem Fall dürfte es ein Parteitag der Harmonie werden - Sticheleien natürlich inklusive.
Am vergangenen Sonntag sagte Markus Söder einen ungewöhnlichen Satz. "Ich habe nicht gestritten." ARD-Moderatorin Caren Miosga hatte dem CSU-Vorsitzenden da gerade vorgehalten, niemand habe die Erfolge der Koalition mitbekommen, "weil Sie so laut gestritten haben". Zumindest für sich selbst wollte Söder das nicht so stehen lassen.
Das Ungewöhnliche daran: Es stimmt. Ausgerechnet Stichel-König Söder hält sich zurück. "Ich bin ja im Moment wahrscheinlich der freundlichste CSU-Vorsitzende seit Jahrzehnten", sagte er.
Es gehört zum Standardprogramm von CSU-Vorsitzenden, so etwas zu behaupten; Söders Vorgänger Horst Seehofer hatte der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel 2012 versprochen, die CSU werde "ein schnurrendes Kätzchen sein, kein brüllender Löwe". Ein paar Jahre später stand die Unionsfraktion kurz vor dem Auseinanderbrechen. In der CDU weiß man deshalb, was solche Schwüre wert sind, zumal Söder ja sagte, er sei "im Moment" der freundlichste CSU-Chef. Und natürlich ist klar, dass Söder sich vor allem deshalb zurückhält, weil er sich mit einem Krawallkurs nur selbst schaden würde. "Weil ich weiß, dass die Lage des Landes ernst ist", so formulierte er es. "Diese klassischen Spielchen, diese Schatten- und Boxkämpfe, ich glaub', dass die im Moment eher überflüssig sind. Deswegen versuche ich so konstruktiv wie möglich zu sein, und so freundlich, wie es geht."
Ein paar "Leichtsinnsfehler" gab es - bei den anderen
An diesem Freitagnachmittag kommt die CSU in München zu einem Parteitag zusammen. Auch dort dürfte Söder die Erfolge der Koalition loben, seinen Anteil daran herausstellen - und zugleich durchblitzen lassen, dass er auch anders kann. Wie am Donnerstagmorgen, als er zusammen mit Bundeskanzler Friedrich Merz und den SPD-Chefs Bärbel Bas und Lars Klingbeil die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom Vorabend vorstellte.
Dort lobte er die gemeinsame Arbeit in den höchsten Tönen. "Ich finde, dass diese Koalition viel besser ist als ihr Ruf." Bei grundlegenden Fragen sei "ein Richtungswechsel erreicht" worden.
Als Beispiele nannte Söder die Migrations- und Wirtschaftspolitik - wobei, wie er einräumt, die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Koalition erst im nächsten Jahr wirken würden. Eine dezente Spitze gegen die anderen Parteichefs kann er sich dann nicht verkneifen: "Es gab auch eine Zitterpartie, da letzte Woche, da darf man sich nicht täuschen." Er meint die Rentenentscheidung im Bundestag. Die Anwesenden wissen: Der Streit lief zwischen CDU und SPD und vor allem innerhalb der CDU. "Ein paar Leichtsinnsfehler" habe es gegeben, sagt Söder.
Vor zwei Jahren waren es 96 Prozent
Bei Miosga war Söder am Sonntag noch etwas deutlicher geworden: In den Reihen der CSU-Abgeordneten habe es bei der Abstimmung "keine einzige Nein-Stimme" gegeben. Auch von den immerhin 46 schriftlichen Erklärungen aus der Unionsfraktion, die zu der Abstimmung im Bundestag abgegeben wurden und als Unmutsäußerung gegen den eigenen Kanzler gewertet werden können, kam nur eine Handvoll von der CSU. "Immer, wenn wir gefordert sind, dann liefern wir", sagt Söder am Donnerstag. Er meint die Koalition. Aber eigentlich meint er die CSU.
Die große Frage ist, ob Söder seine Freundlichkeit und seinen Optimismus beim Parteitag in Stimmen übersetzen kann. An diesem Freitagabend steht er in München zur Wiederwahl als Parteichef - ein Ergebnis unter 90 Prozent wäre ein Misstrauensbeweis. Vor zwei Jahren war Söder mit mehr als 96 Prozent bestätigt worden, sein bislang mit Abstand bestes Ergebnis, das er dieses Mal vermutlich nicht toppen wird. Seit Jahren wird Söder in der CSU immer wieder vorgeworfen, aus der Partei eine "One-Man-Show" zu machen. Auch derzeit ist das zu hören.
Dabei geht es um Stil- und Machtfragen, aber auch um politische Inhalte: Weiter umstritten ist in Bayern die Abschaffung des sogenannten Kinderstartgelds. Einige Kommunen fordern die Möglichkeit, von Touristen eine Übernachtungsgebühr oder "Bettensteuer" zu erheben, was anderswo üblich, aber in Bayern verboten ist. Dazu kommt Söders Neigung, sich in den sozialen Medien auf eine Art zu präsentieren, die nicht jedem gefällt. Entscheidend sei, "dass unsere Partei in der Breite sichtbar wird", sagte Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei und CSU-Vize, kurz vor dem Parteitag im Interview mit der "Augsburger Allgemeinen". Weber wagt sich immer mal wieder mit Kritik am Chef hervor, auch der Satz mit der Breite der Partei war als solche zu verstehen. "Social Media ist wichtig für eine erfolgreiche Kommunikation", merkte Weber noch an, "eine überzeugende Programmatik jedoch für den langfristigen politischen Erfolg unserer Partei."
40 Prozent, pünktlich zum Parteitag
Solch indirekte Kritik dürfte Söder kaum gefährlich werden. Stattdessen wird er seinen Anteil am "Richtungswechsel" herausstellen. Und tatsächlich gibt es da einiges, aus Sicht der CSU nicht zuletzt die Mütterrente, die als Teil des Rentenpakets gerade den Bundestag passiert hat. Und natürlich Alexander Dobrindt, der als Bundesinnenminister macht, was CDU und CSU im Wahlkampf angekündigt hatten und nebenbei demonstriert, dass Regierungserfahrung eben doch etwas wert ist. Das von Weber pünktlich zum Parteitag verkündete Aus für das Verbrenner-Aus in der EU reicht Söder dagegen noch nicht.
Sollten es bei der Wiederwahl in München weniger als 96 Prozent werden, so liegt die Erklärung schon bereit: Vor zwei Jahren fand der CSU-Parteitag kurz vor einer Landtagswahl im Freistaat statt. Alles andere als ein sensationelles Ergebnis wäre damals ein Zeichen der Schwäche gewesen.
Die CSU hat zwar auch dieses Mal eine Wahl vor der Brust, allerdings erst am 8. März. Dann werden in Bayern die Kommunalparlamente gewählt. Beim letzten Mal, 2020, war die CSU nur auf 34,5 Prozent gekommen, ihr schlechtestes Ergebnis seit den frühen 1950er Jahren. Am Donnerstag zeigte eine Umfrage, dass die Christsozialen derzeit bei einer Landtagswahl mit 40 Prozent rechnen könnten, drei Punkte mehr als 2023. Das Ergebnis der von der CSU in Auftrag gegebenen Erhebung veröffentlichte Söder auf Instagram, wo sonst.
Für die Kommunalwahl will Söder sich nicht auf ein Wahlziel festlegen, den Vergleich mit Nordrhein-Westfalen wies er am Sonntag zurück. Auf die Frage, ob er nicht mindestens das holen müsste, was die nordrhein-westfälische CDU im September geschafft hatte, 33,3 Prozent, reagierte er ausweichend. "Könnte sein, aber warum muss ich das wollen?" Weil die Öffentlichkeit sich dafür interessiere, wer "die Nummer zwei" hinter Friedrich Merz sei - er oder Hendrik Wüst, so Miosga. Auch das ließ Söder nicht gelten: "Glauben Sie im Ernst, dass es einen Wähler aus dem Bayerischen Wald besonders interessiert, wer in Essen Oberbürgermeister ist?"
Hauptredner am Samstag, zum Abschluss des CSU-Parteitags, ist die aktuelle Nummer eins, Bundeskanzler Merz, zum ersten Mal in diesem Amt. Dann wird wieder viel davon die Rede sein, dass CDU und CSU noch nie so nah beieinander gewesen seien wie jetzt. Und gleichzeitig wird Söder durchblicken lassen, dass mit ihm als Kanzler keine "Leichtsinnsfehler" vorgekommen wären. Ausgerechnet die CSU als Stabilitätsfaktor einer Koalition? Die Zeiten müssen wirklich ernst sein.