Eigenständigkeit demonstriert CSU beendet Klausur
10.01.2007, 13:17 UhrUngeachtet der Krise um Parteichef Edmund Stoiber hat die CSU mit Vorstößen gegen mehr Bundeswehreinsätze im Ausland und zur Atomkraft ihre Eigenständigkeit in der großen Koalition demonstriert. Zum Abschluss der vom Führungsstreit um den bayerischen Ministerpräsidenten überlagerten Klausurtagung in Wildbad Kreuth sprach sich die CSU-Landesgruppe am Mittwoch dagegen aus, dass die Bundeswehr die Rolle eines "überall präsenten Weltpolizisten" übernehmen soll. Der Bundestag solle die Einsätze auch stärker kontrollieren können als bisher.
Nach einer Diskussion mit Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte Landesgruppenchef Peter Ramsauer, die Bevölkerung stehe Auslandseinsätzen "skeptisch und kritisch" gegenüber. Daher müssten Kriterien für die Entscheidung über diese Einsätze entwickelt werden. Das sei man den Streitkräften und der Bevölkerung schuldig. Jung erinnerte daran, dass im Weißbuch der Bundeswehr, das die grundsätzlichen strategischen Erwägungen der Bundesregierung enthält, schon einige Kriterien genannt seien. Die Diskussion sei daher grundsätzlich richtig.
Im Gegensatz zum Weißbuch bezeichnet die CSU-Landesgruppe als vorrangiges Interesse Deutschlands, zunächst Konflikte in Europa und in unmittelbarer Nachbarschaft beizulegen. Sie will auch die Parlamentsbeteiligung ausweiten. So soll der Bundestag auch dann gefragt werden müssen, wenn deutsche Soldaten für internationale EU- oder NATO-geführte Verbände bereitgestellt werden. Bislang ist das nur dann der Fall, wenn der entsprechende Verband tatsächlich ins Ausland geschickt werden soll. Jung äußerte sich dazu nicht abschließend.
Atomausstieg in Frage gestellt
Die CSU will gegen den Willen der SPD die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängern. In einem weiteren Beschluss heißt es, der Verzicht auf die "kostengünstige, CO2-freie Energie" aus Kernkraft würde nicht nur die Energiepreise für Haushalte und Unternehmen in die Höhe treiben, sondern auch den Klimawandel verschärfen. Damit stellen die Christsozialen erneut den von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg in Frage.
Für Überprüfung von Hartz IV
Zudem machte sich die CSU-Landesgruppe für eine umfassende Überprüfung der Hartz IV-Gesetze durch die große Koalition stark. Der Anreiz zur Annahme bezahlter Arbeit müsse erhöht werden, so die Forderung. "Im Zentrum muss der Grundsatz stehen, dass 'wer arbeitet mehr in der Tasche haben muss, als jemand, der nicht arbeitet'", heißt es in dem Beschluss der Landesgruppe. Als eine Möglichkeit dazu wird die Zahlung von Kombilöhnen genannt. Die CSU-Arbeitsmarktexperten schlagen auch vor, die Hinzuverdienstmöglichkeiten zu begrenzen. "Leistungsanreize müssen dort konzentriert werden, wo ein Übergang zur Selbstversorgung durch eigene Arbeit realistisch ist", heißt es.
Hartz IV-Empfänger, die bis zu 400 Euro hinzuverdienen, sollen künftig nur noch 40 Euro anrechnungsfrei einstecken dürfen. Bisher sind es bis zu 200 Euro. Bei höheren Beträgen soll der anrechnungsfreie Betrag dagegen höher sein dürfen als jetzt. Genaue Zahlen werden nicht genannt. In jedem Fall will die Landesgruppe aber die Schaffung sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse auch im Niedriglohnbereich fördern. Die von der SPD geforderte Einführung flächendeckender Mindestlöhne lehnt die CSU dagegen ab.
Arbeit an der Basis
Bis zu den bayerischen Kommunalwahlen im März 2008 will die CSU verstärkt Arbeit an der Basis leisten. "Wir gehen als Gesamtpartei in die Vorbereitung der Kommunalwahlen", sagte Landesgruppenchef Ramsauer. Für keine Partei in Europa sei die kommunale Verankerung wesentlicher als für die CSU.
Nach wochenlanger Weigerung will Stoiber seine innerparteiliche Kritikerin, die Fürther Landrätin Gabriele Pauli, in den nächsten Tagen sogar zwei Mal treffen. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer erklärte, die Personaldebatte um Stoiber sei nun "vom Tisch". Am Vortag hatten sich Spitzenpolitiker der CSU noch anders geäußert. Auch zum Ende der Klausur sprachen Abgeordnete davon, dass es für Stoiber ein langer Weg sei, das alte Vertrauen der Basis zurückzugewinnen.
Ramsauer bemühte sich, dem Eindruck entgegen zu treten, dass auf der Klausurtagung die Personaldiskussion um Stoiber im Mittelpunkt gestanden habe. Die CSU habe in Wildbad Kreuth Sacharbeit geleistet. Seehofer sagte der "Passauer Neuen Presse": "Die Personaldebatte ist vom Tisch." Ein hochrangiger Bundestags-Abgeordneter vertrat hingegen die Ansicht, dass die Diskussion sich vermutlich über die nächsten Monate hinziehen werde. Die wirkliche Entscheidung, ob Stoiber noch einmal 2008 zur Landtagswahl antreten werde, falle erst auf dem CSU-Parteitag im Herbst. Dort müsse sich Stoiber zur Wiederwahl als Parteichef stellen. An seinem Wahlergebnis werde man ablesen, ob ihn die Partei tatsächlich wolle.
Quelle: ntv.de