n-tv.de Interview "Dämpfer für Große Koalition"
18.01.2009, 20:39 UhrDie Landtagswahl in Hessen hat nach Ansicht von Dr. Florian Hartleb für Roland Koch "eines der erstaunlichsten Comebacks" gebracht. Im Interview mit n-tv.de erklärt der Parteienforscher, warum das Ergebnis ein "Dämpfer für die Große Koalition" ist und wieso die FDP trotz ihres Spitzenkandidaten ihr bestes Ergebnis seit fast 55 Jahren erzielen konnte.
n-tv.de: Herr Hartleb, ist Roland Koch ein Wahlgewinner oder ein Wahlverlierer?
Florian Hartleb: Beides. Ein Wahlgewinner, weil er das erstaunlichste Comeback eines Politikers in der bundesdeutschen Geschichte hingelegt hat, ähnlich wie CSU-Chef Horst Seehofer in diesem Jahr. Aber auch ein Wahlverlierer, weil er deutlich unter dem Ergebnis von 2003 geblieben ist und dafür sorgt, dass die Große Koalition in Berlin immer unbeliebter wird. Koch hat es als führender Unionspolitiker nicht geschafft, das Vertrauen in sie zu stärken.
Die CDU hat nicht vom miserablen Abschneiden der SPD profitiert und liegt ungefähr bei ihrem schlechten Ergebnis der vergangenen Wahl. Müsste die CDU angesichts des schlechten Abschneidens nicht Koch absetzen?
Nein. Schließlich hat er es geschafft, sich an der Macht zu halten. Im vergangenen Jahr war Koch doch schon weitestgehend abgeschrieben. Nun hat er zumindest für den Machterhalt für die CDU gesorgt.
Im Gegensatz zur Wahl 2008 haben in dem kurzen Wahlkampf Landesthemen eine geringere Rolle gespielt. Welche Rolle hat die Bundespolitik für diese Landtagswahl gespielt?
Die Bundespolitik hat mit Sicherheit den Wahlkampf dominiert, landespolitisch war es ein profilloser Wahlkampf. Das einzige Thema der Landespolitik war der Wortbruch von Andrea Ypsilanti. Die Profillosigkeit der Parteien wurde zudem durch das Superwahljahr und die Finanzkrise verstärkt, so dass die Bundespolitik in den Vordergrund gerückt ist. Deshalb ist das Ergebnis auch ein Warnschuss für die SPD: Ihr wird keine Wirtschaftskompetenz zugetraut, und das im Superwahljahr, in dem Wirtschaftskrise und Konjunkturpaket die bestimmenden Themen sein werden.
Was lässt sich aus dem hessischen Ergebnis für die Bundespolitik ablesen?
Es ist ein Dämpfer für die Große Koalition. Die Mehrheit im Bundesrat ist verloren gegangen, die Regierungskoalition wird zunehmend unpopulärer. Die Oppositionsparteien FDP und die Grünen profitieren davon und bekommen entscheidende Rollen für die Regierungsbildung. Das wird sich auch auf die Bundestagswahl auswirken: Die Großen verlieren, die Kleinen gewinnen.
Konnte die FDP also allein von der Schwäche der Großen Koalition profitieren, oder weil die Wähler nicht Koch wählen wollten?
Sicherlich ist ein Grund für das beste Ergebnis der FDP seit fast 55 Jahren auch die sinkende Popularität von Roland Koch. Aber es ist auch die Profilierung in der Finanzmarktkrise, in der sie einen klaren Kurs mit Steuersenkungen und dem Prinzip "weniger Staat" gefahren ist. Der FDP-Erfolg ist also auch bundespolitisch bestimmt, zumal ihr Spitzenkandidat Hahn sich nicht profilieren konnte.
Gilt das auch für den Erfolg der Grünen?
Die Grünen haben ihr bislang bestes Ergebnis in Hessen auch ihrem Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir zu verdanken. Er hat im Wahlkampf eine gute Figur gemacht und sicherlich ein paar Punkte für die Grünen rausgeholt.
War Thorsten Schäfer-Gümbel ein Plus für die hessische SPD oder hat er zu ihrem schlechten Ergebnis beigetragen?
Schäfer-Gümbel hat sich im Wahlkampf sehr bemüht, aber er ist sicher nicht der geborene Kandidat, kein Heilsbringer für die SPD. Hinzu kommt aber, dass der so genannten "Münte-Effekt" aus der Bundespolitik ausgeblieben ist. Der Wechsel an der SPD-Spitze in Berlin hat nicht den erhofften Rückenwind gebracht. Außerdem muss Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erst noch seine Wahlkampftauglichkeit beweisen, war deshalb auch keine Hilfe für die hessische SPD.
Die Linkspartei hat trotz der innerparteilichen Querelen erneut den Einzug in den Landtag geschafft. Hat sie sich in Hessen als fünfte Kraft stabilisieren können?
Nein, weil sie ausgerechnet im Wahlkampf erhebliche Schwierigkeiten bekommen hat. Sie hätte viel mehr von der Schwäche der SPD profitieren können. Deshalb hat sie bei der Wahl jetzt eigentlich verloren.
Mit Florian Hartleb sprach Till Schwarze.
Quelle: ntv.de