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Ampel zufrieden, Union droht Das Heizungsgesetz ist da - Streit und Ärger bleiben

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Augen zu und durch? Das Heizungsgesetz ist verabschiedet, die Debatte wird die Ampel vorerst nicht los.

Augen zu und durch? Das Heizungsgesetz ist verabschiedet, die Debatte wird die Ampel vorerst nicht los.

(Foto: dpa)

Das Drama in unzähligen Akten ist um eine Wendung reicher: Die Ampel-Regierung hat ihr Heizungsgesetz verabschiedet. Die Debatte im Bundestag zeigt, dass die Opposition nicht aufstecken wird, während Ampel-Vertreter ihre liebe Mühe haben, das komplexe Vorhaben zu erklären.

Mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP hat der Bundestag einen vorläufigen Schlussstrich unter eines der umstrittensten Gesetzesvorhaben seit sehr langer Zeit gezogen. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) - besser bekannt als Heizungsgesetz - kommt. Die eineinhalbstündige Debatte machte aber auch deutlich, dass die Opposition mitnichten ihren Frieden mit dem GEG zu machen gedenkt. Redner von CDU, CSU und AfD kündigten im Fall einer Regierungsführung an, das Gesetz rückabwickeln zu wollen. Die Linke verzichtete angesichts ihrer anhaltenden Schwäche zwar auf derartige Drohungen, bewertete das Heizungsgesetz aber nicht minder kritisch.

"Dieses Heizungsgesetz ist der Gipfel der Respektlosigkeit gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, und deshalb geht es nicht darum, es zu ändern, es geht darum, dass man es abschaffen kann", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Gesetz "ein kommunikatives Desaster, ein klimapolitisches Desaster und ein Desaster für den deutschen Parlamentarismus".

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, sagte: "Ihr Heizungsgesetz ist ein Vertrauensverlustgesetz, Sie sind ein Konjunkturprogramm für die Populisten in diesem Land." Die Angesprochenen griffen einmal mehr zur drastischsten Wortwahl: AfD-Politiker Steffen Kotré sprach von einem "Frontalangriff auf Eigentums- und Freiheitsrechte der Bürger", sein Fraktionskollege Marc Bernhard von einem "Raubzug" der Bundesregierung.

"Verunsicherung nicht nötig gewesen"

Die Sprecher der Ampel-Parteien dagegen waren in ihren Reden vollauf damit beschäftigt, Kritik an Zustandekommen und Inhalt des rund 170 Seiten langen Gesetzestextes zurückzuweisen - nachdem sich das Regierungsbündnis ja selbst im Frühjahr über das Vorhaben verkracht hatte. Die drei Parteien hätten "hart miteinander gerungen, zu oft auch öffentlich", räumte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge ein. "Wir haben Verunsicherung erzeugt damit, die nicht nötig gewesen wäre." Das wolle die Ampel in Zukunft besser machen.

Am Gesetz selbst dagegen gibt es aus Sicht der Ampel-Redner wenig zu optimieren. Dröge sprach von einer enorm wichtigen Entscheidung für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit. Schließlich adressiere das Gesetz zwei zentrale Anliegen: Die Abkehr von Öl und Gas im Wärmesektor, um die gesetzlich festgeschriebene Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, und die Sicherstellung bezahlbarer Wärme. Später im Verlauf der Debatte sprach auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und beteuerte: "Es ist ein gutes Gesetz, das wir heute verabschieden werden."

Spahn und Habeck rechnen höchst unterschiedlich

Wer ohne vertiefte Vorkenntnisse des Gesetzestextes der Debatte folgte, konnte nur schwerlich zu einem Urteil finden, weil Regierungsparteien und Opposition von gänzlich unterschiedlichen Gesetzen zu sprechen schienen. So kritisierte Spahn bei der Frage nach der Förderkulisse, "die allermeisten bekommen höchsten 15.000 Euro bei Kosten von 30.000, 40.000, 50.000 Euro" für die Umrüstung auf eine künftig noch zugelassene Heizungstechnologie. Wer den Heizungstausch mit weiteren Maßnahmen wie einer Wärmedämmung kombiniere, könne bis zu 90.000 Euro erhalten, widersprach Habeck.

Die zugrundeliegende Verordnung, die nicht Teil des Heizungsgesetzes ist, war aber zu diesem Zeitpunkt auch noch gar nicht beschlossen und nur in ihrer Entwurfsfassung bekannt, zu der es im Bundestag höchst unterschiedliche Lesarten gibt.

Ein weiterer Streitpunkt war der zu erwartende Einspareffekt bei den CO2-Emissionen. "Sie sparen damit in sieben Jahren so viel CO2 ein, wie das Weiterlaufen von drei Kernkraftwerken in einem Jahr gespart hätte", sagte Spahn mit Blick auf die im Frühjahr abgeschalteten letzten AKW. Wieder kontert Habeck: In den Prognosen seines Ministeriums besage "der mittlere Wert, dass wir mit diesem Gesetz drei Viertel der Emissionen einsparen", sagte der Klimaschutzminister und ging zum Gegenangriff über: Das Konzept der Union, einfach den CO2-Preis drastisch hochzufahren, damit die Menschen von sich aus auf andere Energieträger als Öl und Gas wechselten, "das wird den sozialen Frieden in diesem Land zerlegen". CDU-Klimapolitiker Andreas Jung nannte Habecks Darstellung "eine Falschbehauptung, die ich zurückweise".

Der Vorwurf Rechtsbruch bleibt im Raum

In einer Debatte, in der keiner der anderen Parteienvertreter eine direkte Debatte mit der den menschengemachten Klimawandel leugnenden AfD führen wollte und sich alle Parlamentarier außerhalb der Linkspartei schon auf deren nahendes Ende eingestimmt zu haben scheinen, verlief die Konfrontation vor allem zwischen SPD, Grünen und FDP auf der einen sowie CDU und CSU auf der anderen Seite.

Die Unionsredner bekräftigten ihren Vorwurf, die Ampelfraktionen hätten ihnen eine ordentliche Beratung des Gesetzes in den zuständigen Ausschüssen verwehrt. "Das ist nicht nur eine Missachtung des Parlaments und des Bundesverfassungsgerichts, sondern das ist vor allem eine Respektlosigkeit gegenüber den Menschen, die einen Anspruch darauf haben, dass hier beraten wird." Ob das Verfahren so in Ordnung war, wird das Bundesverfassungsgericht klären müssen, wenn es das von der Union angestrengte Organstreitverfahren verhandelt, nachdem die Richter eine Verabschiedung des Gesetzes noch vor der parlamentarischen Sommerpause kurzerhand gestoppt hatten.

Will die Union wirklich Klimaschutz?

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch konnte die Klagerufe der Union nicht nachvollziehen. "Welche Angebote haben Sie heute, um dieses Gesetz zu verbessern? Nichts, keinen einzigen", rief Miersch. Theoretisch hätten die Oppositionsparteien auch zur finalen zweiten und dritten Lesung an diesem Freitag Änderungsanträge einreichen können. Dass diese in letzter Minute noch Einzug finden in Regierungsentwürfe, ist aber tatsächlich unüblich, während in den Ausschussberatungen sehr wohl Anregungen gegnerischer Parteien Gehör finden.

SPD-Klimaschutzsprecherin Nina Scheer warf der Union "ein Schauspiel" vor: "Das ist unwürdig." Miersch und Habeck kauften es gleichermaßen der Union nicht ab, dass es ihr bei der Kritik am Heizungsgesetz wirklich um Klimaschutz gehe. "Gilt das Klimaschutzgesetz weiterhin für Sie? Ja oder nein?", fragte Miersch. In Zeiten der Großen Koalition sei jedenfalls kein Vorankommen in zentralen Fragen der CO2-Reduktion machbar gewesen.

Der Vizekanzler schlug in eine ähnliche Kerbe: Was man "nicht durchgehen lassen sollte, ist, den Menschen Sand ins Auge zu streuen, zu sagen 'Wir machen Ziele, aber wir tun nichts dafür, dass diese Ziele erreicht werden'". Die Union kritisiere, der Klimaschutz gehe nicht schnell genug voran, obwohl sie selbst die Aufgabe durch Unterlassen im Regierungshandeln erst so groß habe werden lassen.

Das nächste Kapitel folgt

Umstritten war auch die Folge des Gesetzes für Mieterinnen und Mieter: "Sie bauen nicht nur keine Wohnungen, sondern Sie verteuern am Ende auch noch die Mieten", sagte Linken-Veteran Bartsch. Er kritisierte, dass Vermieter die Kosten für neue Heizungen auf die Mietparteien umlegen dürfen. "Sie müssen die Modernisierungsumlage abschaffen", forderte der scheidende Fraktionsvorsitzende.

Dagegen stellte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gerade den Mieterschutz als Erfolg des Gesetzes heraus. Zum einen, weil die Erhöhung auf maximal 50 Cent pro Quadratmeter gedeckelt ist, zum anderen, weil die Umlagefähigkeit nur bei der Inanspruchnahme von Fördergeldern möglich ist, wodurch die umzulegenden Kosten sinken. Linken-Politikerin Caren Lay aber widersprach Kühnert: Kommt zusätzlich zur neuen Heizung eine umfassende Wärmedämmung hinzu, was nicht selten der Fall sein dürfte, gelte die bisherige Maximalumlage der Baukosten auf 3 Euro pro Quadratmeter - und zwar auch dann noch, wenn Mieterinnen und Mieter die Modernisierungskosten längst abbezahlt haben.

Dass die Heizungsdebatte mit dem heutigen Tag nicht beendet ist, liegt auch an dessen Konstruktion. Zeitgleich mit dem GEG soll zum Jahreswechsel das Gesetz zur verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung in Kraft treten. Erst wenn die Menschen - je nach Wohnort spätestens 2028 - wissen, welche Energieträger absehbar in ihrer Kommune zur Verfügung stehen, tritt die Pflicht von einem Anteil von 65 Prozent Erneuerbarer Energien in Kraft. Spätestens wenn dieses Gesetz verhandelt wird, ist auch das Heizungsgesetz wieder Thema im Bundestag. Bis dahin können alle Beteiligten nach einer denkbar hitzigen Debatte durchschnaufen.

Quelle: ntv.de

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