Politik

Endlagersuche in der Schweiz Das Volk bestimmt die Atompolitik

Die Nidwaldner sagen Ja zum Atomausstieg.

Die Nidwaldner sagen Ja zum Atomausstieg.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Deutschland gehen die Menschen gegen die Atomkraft auf die Straße. In der Schweiz haben sie das nicht nötig. Hier entscheiden sie selbst über die Atompolitik. Die Suche nach Endlagern wird daher spannend.

Im beschaulichen Kanton Nidwalden in der Zentralschweiz geht es in einigen Tagen um eine Schicksalsfrage. Die Bürger stimmen am 26. September darüber ab, ob spätestens bis Ende 2039 kein Atomstrom mehr aus ihren Steckdosen fließen soll. Einem Endlager in ihrer Region haben sie schon zweimal die rote Karte gezeigt.

So geht das in der Schweiz: Das Volk bestimmt die Atompolitik - und damit auch darüber, wo der radioaktive Müll aus den fünf Schweizer Kernkraftwerken hinkommen soll. Und es ist von Anfang an in jede Planung mit einbezogen.

Keiner will den Atommüll

Dabei steht die Mehrzahl der Bürger der Atomkraft durchaus positiv gegenüber. Mehr als vier Fünftel der Schweizer halten die Atommeiler nach einer Umfrage vom Jahresanfang für sicher, drei Viertel bezeichnen die Atomenergie als nötig für die Versorgung des Landes. Doch wenn es um die Suche nach Endlagern geht, könnte die Stimmung kippen: Denn den Müll will eigentlich so richtig niemand haben.

Die Schweizer Regierung will sich im ersten Halbjahr 2011 auf mindestens zwei Standorte für schwach- oder hochradioaktive Abfälle festlegen. Dabei sprechen die Behörden nicht von einem Endlager, sondern von "geologischer Tiefenlagerung mit Überwachung und Rückholbarkeit". Gegen den Willen der Bevölkerung kann sie aber nichts machen: Nach einer Bewilligung folgt unweigerlich wieder eine Volksabstimmung.

Deutschland ist betroffen

Das grenznahe Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt am Hochrhein. Bis 2040 muss die Schweizer Regierung hochradioaktiven Müll aus Leibstadt und vier weiteren Schweizer Kernkraftwerken sicher entsorgen.

Das grenznahe Schweizer Atomkraftwerk Leibstadt am Hochrhein. Bis 2040 muss die Schweizer Regierung hochradioaktiven Müll aus Leibstadt und vier weiteren Schweizer Kernkraftwerken sicher entsorgen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Von der Endlagersuche ist auch Deutschland betroffen: Drei der sechs potenziellen Standorte liegen in der Nähe der deutschen Grenze, ein vierter ist nicht weit entfernt. So sind auch das deutsche Umweltministerium, das Land Baden-Württemberg, die betroffenen Landkreise und Kommunen bereits an den Beratungen beteiligt.

Schon jetzt laufen Kommunen und Bürgerinitiativen an der deutschen Grenze zur Schweiz Sturm gegen die Pläne für mögliche Endlager. Das Verfahren zur Standortbestimmung jedoch findet auch in Deutschland Beifall: Dieses habe "eindeutig Vorteile gegenüber der deutschen Endlagersuche", lobt etwa Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe und früherer Staatssekretär im Bundesumweltministerium.

Versorgungsengpass unausweichlich

Die Standortsuche in der Schweiz soll in größtmöglicher Transparenz ablaufen "und die Nachvollziehbarkeit aller Entscheidungen gewährleistet sein", so die Vorgabe der Regierung. Das dreistufige Auswahlverfahren soll innerhalb von höchstens zwölf Jahren zum Ergebnis führen. Das Ziel: Standorte für ein Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, ein Lager für hochradioaktive Abfälle oder ein Kombilager für beide Abfalltypen.

Natürlich gibt es auch in der Schweiz eine Allianz "Stopp Atom", die sich vor allem gegen die Modernisierung bestehender Kraftwerke wendet. Dagegen warnt die Atomlobby von einem unausweichlichen Versorgungsengpass, wenn nichts geschehe.

Grundsatzfrage unbeantwortet

Rund 40 Prozent des Schweizer Stroms stammt aus Atomkraft, etwa 60 Prozent aus Wasserkraft. Andere Kraftwerke etwa mit fossilen Brennstoffen stoßen auf heftigen Widerstand. In der Schweiz beträgt der CO2-Ausstoß weniger als ein Dreißigstel des europäischen Durchschnitts.

Somit ist die Suche nach Endlagern nur eines von vielen Problemen in der Schweiz. Die Grundsatzfrage, ob man überhaupt am Atomstrom festhält, ist da noch nicht beantwortet. Aber egal wie man zur Atomkraft steht: "Alle von uns tragen die Verantwortung für die sichere Entsorgung der radioaktiven Abfälle", sagte der scheidende Umweltminister Moritz Leuenberger.

Beeindruckende Gelassenheit

Das sehen seine Eidgenossen genauso: Rund 53 Prozent halten das Problem der Endlagerung Umfragen zufolge für lösbar. Kein Wunder, dass Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander in diesen Tagen bei einem Kurzbesuch in der Schweiz staunte. Die Gelassenheit der Schweizer ist schon beeindruckend - besonders wenn man aus der Gegend um Gorleben kommt.

Quelle: ntv.de, Heinz-Peter Dietrich, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen