Politik

Gauck beschwört Wehrhaftigkeit Den Neonazis im Wege stehen

Bundespräsident Gauck spricht in Rostock.

Bundespräsident Gauck spricht in Rostock.

(Foto: dpa)

Bei der Gedenkveranstaltung zum 20. Jahrestages der Krawalle in Rostock-Lichtenhagen spricht Bundespräsident Gauck von einem "Brandmal" und nimmt die Politik und Gesellschaft im Kampf gegen Rechts in die Pflicht. Die Bürger sollen sich zudem darüber klar werden, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei.

Zum 20. Jahrestag der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen hat Bundespräsident Joachim Gauck die Menschen in Deutschland zu respektvollem und friedlichem Miteinander aufgerufen. Die Ausschreitungen seien "leider bis heute für Rostock ein Brandmal", sagte Gauck laut Redemitschrift auf der zentralen Gedenkfeier in Lichtenhagen. Er mahnte eine "wehrhafte Demokratie" an.

Im August 1992 hatten Jugendliche und Erwachsene in Rostock die überfüllte Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein benachbartes Heim für vietnamesische Arbeiter mit Steinen und Brandsätzen tagelang angegriffen, ohne von der Polizei wirksam gestoppt zu werden. Aus der Menge der Schaulustigen bekamen sie dafür immer wieder Applaus. Die Ausschreitungen hatten weltweit für Entsetzen gesorgt.

Die Ereignisse von damals könnten nicht mehr ungeschehen gemacht werden, sagte Gauck. "Umso mehr sind wir verpflichtet, die Geschehnisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen." Es gelte, die damaligen Ereignisse immer wieder zu betrachten, "um aus den Fehlern und Versäumnissen von damals zu lernen". An die Adresse von Rechtsextremisten und Nationalisten und Gegnern der Demokratie sagte Gauck: "Wir fürchten euch nicht - wo ihr auftretet, werden wir euch im Wege stehen." Die Demokratie dürfe sich "das Gewaltmonopol niemals aus der Hand nehmen lassen".

Angst vor muslimischen Zuwanderern

Noch entzündeten sich bei Menschen in Deutschland mitunter Ängste an fremden Kulturen und Religionen, vor allem bei muslimischen Zuwanderern. "Aber Konflikte sind im gegenseitigen Respekt zu lösen", forderte Gauck. "Zur Lösung gehört, sich darüber klarzuwerden, dass unser Land inzwischen ein Einwanderungsland geworden ist." Linksautonome störten Gaucks Rede mit Zwischenrufen wie "Heuchler!".

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte, an den "beschämenden Bildern" von 1992 gebe es "nichts zu beschönigen". Die Ereignisse hätten das Land allerdings verändert: "Wir sind aufmerksamer geworden." Sellering bat die Bürgerinitiativen, die sich gegen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus engagieren, weiter das "Miteinander zwischen den verschiedenen Nationalitäten, Kulturen und Religionen zu stärken, damit kein Raum mehr ist für dumpfe, rechte Parolen, für Anfeindungen, für Gewalt".

Am Vormittag waren rund 1500 Fahrradfahrer in einer Sternfahrt nach Lichtenhagen geradelt. Der parteilose Oberbürgermeister Roland Methling pflanzte eine "Friedenseiche" vor dem "Sonnenblumenhaus", in dem seinerzeit die angegriffene Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber untergebracht war. Zum Gedenkprogramm gehörte auch ein Konzert des Liedermachers Gerhard Schöne mit 350 Kindern aus der Region.

4500 Menschen vor Sonnenblumenhaus

Bereits am Samstag hatten sich rund 4500 Teilnehmer einer Gedenkkundgebung vor dem "Sonnenblumenhaus" versammelt. Ein Sprecher der Organisatoren bezifferte die Zahl der aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Demonstranten sogar auf 6500. Sie zogen mit Parolen wie "Das Problem heißt Rassismus" in einem langen Zug vom Rathaus durch die Stadt und protestierten auch gegen die gegenwärtige Asylpolitik.

Am Rathaus brachten Demonstranten nach Auskunft des Sprechers eine Gedenktafel an. Dabei handelt es sich um das Replikat einer Tafel, die im Herbst 1992 eine Gruppe französischer Juden in Begleitung der deutsch-französischen Journalistin Beate Klarsfeld an derselben Stelle anbringen wollte. Sie waren seinerzeit von der Stadtverwaltung und der Polizei daran gehindert worden. Die Tafel erinnert an die Lichtenhagener Ausschreitungen und die Ermordung von 3000 Juden, Sinti und Roma 1944 im Konzentrationslager Auschwitz Birkenau. Unter den 1992 in Lichtenhagen angegriffenen Asylsuchenden waren zahlreiche Sinti und Roma.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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