Scharf geschossen Der US-Wahlkampf wird hässlich
27.07.2008, 18:00 UhrDen grandiosen Bildern von Barack Obamas Europa- und Nahosttour hatte das gegnerische Lager eine Woche lang nur wenig entgegenzusetzen: Beinahe genüsslich zeigten in den USA TV-Sender den republikanischen Kandidaten John McCain in der Käsetheke eines Supermarkts, als der schwarze Senator in Berlin 200.000 Menschen begeisterte. Während der Demokrat mit dem Hubschrauber telegen über Bagdad flog, sich mit Spitzenpolitikern in Kabul, Amman, Tel Aviv, Pais und London traf, zuckelte sein Rivale bieder an der Seite von George Bush senior im Golfwägelchen umher.
US-Medien meldeten "Verzweiflung" aus dem Republikaner-Lager über Obamas medienwirksamen Trip, und die Gegenwehr ließ nicht lange auf sich warten: Als "kriecherisch" beschimpft McCain-Sprecher Tucker Bounds plötzlich die Deutschen. In den Blogs der amerikanischen Zeitungen wird es auf einmal heftig: "Deutsche lieben es, Faschisten zuzujubeln (...) Heil BO (Barack Obama)", schreibt da jemand im Forum des "San Francisco Chronicle". "Wen schert es schon, was die Europäer über die USA denken. Sie händigen ihre Länder den Islamisten aus, indem sie zu wenig Kinder auf die Welt setzen und die Einwanderung nicht begrenzen." Einer nennt Obama gar den "Anti-Christen". Nicht wenige zweifeln, dass die Blog-Attacken organisiert sind.
Die Schlammschlacht scheint begonnen
Schon seit Monaten warnen US-Kommentatoren, dass der Wahlkampf an irgendeinem Punkt hässlich wird. Jetzt scheint es soweit. Erst vor wenigen Tagen bezichtigte McCain seinen Konkurrenten "lieber einen Krieg zu verlieren als einen Wahlkampf". Kritische amerikanische Medien sahen darin eine Unterstellung des Hochverrats. Dabei musste McCain selbst unter der brutalen Wahlkampf-Maschinerie der Republikaner leiden: Als er vor acht Jahren in der Kandidatenkür gegen George W. Bush antrat, schwirrten plötzlich Gerüchte umher, er sei ein Freund von Seitensprüngen und habe ein uneheliches Kind.
US-Medien bewerten den Ausflug Obamas zu den Krisenherden der Welt und nach Europa in der Mehrheit höchst wohlwollend. Die Reise sei "reine Magie" gewesen, urteilte MNSBC-Kommentator Chris Matthews. "Nach jedem Maßstab, den man anlegen mag, war Obamas Reise ein klarer Erfolg", urteilte am Sonntag die "Washington Post". Aber dennoch, fragt das Blatt: Hat die Reise Zweifel ausgeräumt, ob der 46-Jährige wirklich einen guten Oberkommandierenden abgibt?
Schlechte Woche für McCain
Denn viele Amerikaner sind sich trotz der beeindruckenden Bilder nicht sicher, ob Obama wirklich der richtige Mann für das Weiße Haus ist. Nach dem von der Webseite realclearpolitics.com ermittelten Durchschnitt liegt der schwarze Senator gerade einmal 4,7 Punkte vor seinem republikanischen Herausforderer.
Aber im McCain-Lager macht sich dennoch Nervosität breit. "Seien wir ehrlich, McCain hat die Woche schwer verloren", sagte der frühere politische Chefberater des Republikaners der "Washington Post", John Weaver. Noch immer liege der 71-Jährige dichtauf zu seinem Herausforderer, "dank seines Charakters, seiner Biografie, dank seiner Auftritte in früheren Wahlkämpfen". Aber eine weitere Woche wie diese, ist sich Weaver sicher, "kann er sich nicht leisten".
Quelle: ntv.de, Frank Brandmaier, dpa