Politik

"Politische Klasse korrupt" Deutsche Griechen empört

Die Wut auch in Athen ist groß: Protest vor dem griechischen Finanzministerium.

Die Wut auch in Athen ist groß: Protest vor dem griechischen Finanzministerium.

(Foto: AP)

Die im Ausland lebenden Griechen sind sauer auf die Politiker in ihrer Heimat. Schon lange seien die Missstände klar gewesen, sagt etwa Antonios Beys, Sprecher der griechischen Gemeinden in Deutschland. Der Verband betreibt in rund 145 Gruppen deutsch-griechischen Kulturaustausch, ist aber gleichzeitig auch politisches Sprachrohr. Die Griechen hätten derzeit kein gutes Ansehen - und manche spürten das auch im Alltag, sagt Beys n-tv.de.

n-tv.de: Herr Beys, Griechenland steht seit Wochen wegen seiner Finanzprobleme im Fokus Europas. Auch das Verhältnis zu Deutschland ist belastet. Wie ist die Stimmung unter den Griechen in Deutschland?

Ein Polizist vor einem Geldautomaten in Athen: Die EU-Staaten müssen sich gegenseitig besser kontrollieren, fordert Beys.

Ein Polizist vor einem Geldautomaten in Athen: Die EU-Staaten müssen sich gegenseitig besser kontrollieren, fordert Beys.

(Foto: REUTERS)

Antonios Beys: Die aktuelle Problematik kann die im Ausland lebenden Griechen nicht gerade mit Stolz erfüllen. Sie belastet uns in zweierlei Hinsicht. Einmal, weil sich die Situation in Griechenland überhaupt derart entwickelt hat, wofür wir die Schuld der politischen Klasse zuweisen. Und zum anderen sind wir betroffen, weil wir jetzt von unseren deutschen Mitbürgern schief angeguckt werden. Das ist öfter vorgekommen. Allerdings muss ich sagen, dass Sympathiebekundungen weitaus öfter vorkommen.

Was werfen Sie der politischen Klasse denn vor?

Wir werfen ihr vor, dass sie korrupt ist. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Ich gebe ihnen ein Beispiel. Ein paar Monate vor den letzten Parlamentswahlen sind 234 Leute vom Parlament eingestellt worden, im Beamtenstatus. Und das sind alles Verwandte von Abgeordneten. Das ist überflüssiges Personal.

Gibt es wirklich Anfeindungen gegen Ihre Landsleute hier in Deutschland?

Es gibt vereinzelt Beispiele, wo Kinder in der Schule von ihren Mitschülern als Betrüger betitelt wurden. In ein paar anderen Fällen war eine besondere Häme im Spiel. Das sind vielleicht ein Dutzend Fälle, aber sicher nur die Spitze des Eisbergs. Wir wissen schon, dass Griechen zurzeit ziemlich unten rangieren im Ansehen. In manchen Presseorganen, nicht in allen, wird eine entsprechende Stimmung erzeugt.

Sie kritisieren teilweise die deutschen Medien? Warum?

Harald Schmidt: Hat er den Bogen überspannt?

Harald Schmidt: Hat er den Bogen überspannt?

(Foto: dpa)

Es ist mit journalistischer Freiheit nicht mehr zu erklären, wenn etwa Harald Schmidt als Fazit der Krise in Griechenland zu dem Schluss kommt, man könne Griechenland an die Türkei verkaufen – und das damit visualisiert, dass ein Grieche einem Türken sexuell zu Diensten ist. Das kann nicht in Ordnung sein und hat mit Satire nichts zu tun. Das grenzt an Volksverhetzung. Wir werden in der Sache den Presserat anrufen. Das schmerzt auch deshalb, weil gerade die im Ausland lebenden Griechen, die über Jahrzehnte keine Lobby in Griechenland selbst hatten, schon so lange auf die Missstände hinweisen.

Was denkt man nun über das Hilfspaket, das geschnürt wurde?

Ich denke, wir als Griechen können nur dankbar sein, wenn auf diese Weise die europäische Solidarität zum Ausdruck kommt. Wir werden das mit Demut entgegen nehmen. Allerdings muss im Grunde auch jedes andere europäische Land diese Solidarität erwarten können – das gehört zur Idee der Gemeinschaft. Wir hoffen, dass es nun zu einigen Neuregelungen kommt. Die Wirtschaften dürfen in Zukunft nicht mehr derart auseinanderfallen. Jeder muss in den Topf des anderen hineinsehen dürfen. Zwar ist Griechenland zurzeit das schwächste Glied in der Kette, aber es gibt ja auch noch einige andere Problemfälle. Die Griechen zeigen jetzt, dass sie den Gürtel enger schnallen können und wollen, es gibt insgesamt eine reformwillige Bevölkerung. Und so hoffen wir, dass der deutsche Steuerzahler letztlich nicht zur Kasse gebeten wird.

Was muss Ihrer Meinung nach sofort angepackt werden?

Antonios Beys spricht für 145 griechische Gemeinden in Deutschland.

Antonios Beys spricht für 145 griechische Gemeinden in Deutschland.

Europa muss ein schärferes Auge auf Griechenland werfen. Sehen Sie, in Athen wimmelt es vor großen Karossen, gleichzeitig werden die Steuererklärungen so frisiert, dass kaum etwas bezahlt werden muss. Hingegen sind die Lohnabhängigen für den Fiskus immer greifbar. Das kann doch nicht wahr sein! Es geht nicht an, dass der griechische Fiskus sich dermaßen betrügen lässt. Dazu der unglaublich große Beamtenapparat, größer als der von Großbritannien. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, Leute aus der Verwaltung in die Wirtschaft zu lenken. Griechenland ist ein gesegnetes Land, was die klimatischen Verhältnisse angeht. Aber wo ist etwa die Windenergie? Steckt in den Kinderschuhen! Solche Bereiche müssen entwickelt werden, das bringt auch Arbeitsplätze.

Jetzt haben vor allem viele junge Griechen Angst, dass sie Opfer des neuen Sparkurses werden. Ist das berechtigt?

Ja, das ist berechtigt. Der kleiner gewordene Kuchen muss gerechter verteilt werden, darum muss es gehen. Die Regierung verspricht, dass sie darauf achten will. Aber: Politik verspricht immer viel. Und wir wissen, dass oft nichts dahinter steckt.

Quelle: ntv.de, Mit Antonios Beys sprach Jochen Müter

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