Iran am Scheideweg Deutschland fordert Neuauszählung
21.06.2009, 09:50 UhrAngesichts der schweren Unruhen im Iran hat die Bundesregierung an die Verantwortlichen in Teheran appelliert, eine weitere Zuspitzung zu verhindern. Teheran bezeichnet die "Einmischung des Westens" als Schande und weist derweil Journalisten aus dem Land.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte in einer öffentlichen Erklärung, die abgegebenen Stimmen der Präsidentschaftswahl neu auszuzählen, bei der am Freitag vor einer Woche der ultrakonservative Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Amt bestätigt worden war. Seitdem protestieren hunderttausende Oppositionelle im Iran gegen das aus ihrer Sicht manipulierte Ergebnis.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten "ebenso wenig akzeptabel wie die fortgesetzte Behinderung einer freien Berichterstattung". Das iranische Parlament forderte wegen der kritischen Stimmen eine Überprüfung der Beziehungen zu Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Der Teheraner Parlamentssprecher Ali Laridschani bezeichnete westliche Stellungnahmen als "Schande".
Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Kanzlerin hatte erklärt: "Deutschland steht auf Seiten der Menschen im Iran, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ausüben wollen." Sie forderte die iranische Führung zudem "nachdrücklich" auf, friedliche Demonstrationen zuzulassen, keine Gewalt gegen Demonstranten anzuwenden, inhaftierte Oppositionelle freizulassen und eine freie Berichterstattung der Medien zuzulassen. In Steinmeiers Erklärung hieß es: "Der Streit um die Präsidentschaftswahlen muss so schnell wie möglich beigelegt werden. Dazu gehört, die Zweifel an Verlauf und Ergebnis der Wahl konsequent aufzuklären."
In Steinmeiers Erklärung hieß es: "Der Streit um die Präsidentschaftswahlen muss so schnell wie möglich beigelegt werden. Dazu gehört, die Zweifel an Verlauf und Ergebnis der Wahl konsequent aufzuklären." Am Abend sagte der Außenminister in Berlin: "Der Iran steht am Scheideweg. Entweder gelingt es jetzt, im Dialog aller politischen Kräfte die entstandene Situation wieder zu entschärfen, oder die Lage droht weiter zu eskalieren." Er appellierte an die Verantwortlichen in Teheran, alles zu tun, um eine weitere Zuspitzung der Lage zu vermeiden.
Merkel will mit Obama sprechen
Merkel will auch bei ihrem Treffen mit US-Präsident Barack Obama in dieser Woche das Thema Iran ansprechen. Die Frage des iranischen Atomprogramms stehe im Zusammenhang mit Nahost. "Durch seine Rede in Kairo hat der amerikanische Präsident Zeichen gesetzt, und es kommt jetzt darauf an, die Friedensgespräche wieder in Gang zu bringen."
Staatsfernsehen meldet 13 Tote
Bei den Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei in Teheran sollen nach einem Bericht des staatlichen Fernsehens 13 Menschen getötet worden sein. Die Menschen seien bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und "Terroristen" ums Leben gekommen, berichtete der Sender Press-TV. Die iranische Staatsmacht war am Samstag erneut mit aller Härte gegen die anhaltenden Proteste gegen den Ausgang der Präsidentschaftswahl vorgegangen. Unter anderem sollen die "Unruhestifter zwei Krankenhäuser und eine Militärkaserne angezündet" haben. Außerdem starb nach Angaben der Fernsehanstalt eine "ungenannte Anzahl von Menschen bei einem von Protestierenden gelegten Brand in einer Moschee". Der Sender zeigte Bilder des abgebrannten Gebäudes, die offenbar noch bei Tageslicht, also vor dem Abendgebet, aufgenommen worden waren.
Journalist ausgewiesen
Der Korrespondent des Senders BBC in Teheran muss auf Anweisung des Irans das Land verlassen. "Wir bedauern, dass Jon Leyne von den iranischen Behörden aufgefordert wurde, das Land zu verlassen", bestätigte der britische Sender in London. Nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Fars soll Leyne den Iran innerhalb von 24 Stunden verlassen. Nähere Angaben zu der Ausweisung machte die BBC nicht. Dem persischen Programm der BBC wird vorgeworfen, die Demonstranten in den vergangenen Tagen aufgehetzt zu haben.
Proteste auch in Deutschland

(Foto: REUTERS)
Mehrere tausend Menschen hatten am Wochenende in Hamburg, Frankfurt/Main und Stuttgart gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad protestiert. Mit grünen Bändern, Rosen und Fotos von verletzten Demonstranten aus ihrer Heimat zogen die teils vermummten Exil-Iraner friedlich durch die Innenstädte.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP