Politik

Stromerzeugung und Netz Deutschland rettet Riesen

Die EU-Kommission hat sich mit ihren Plänen zur Zerschlagung der Energiekonzerne nicht durchsetzen können, die Stromriesen dürfen die Kontrolle über ihre Leitungsnetze behalten. Die zuständigen Minister der 27 EU-Staaten verständigten sich in Luxemburg darauf, neben einer vollständigen Trennung von Energieerzeugung und Übertragungsnetzen auch eine behutsamere Entflechtung als gleichberechtigte Option zuzulassen. Damit konnten Deutschland, Frankreich und sieben weitere EU-Staaten sich durchsetzen.

Nach rund achtstündigen Beratungen hielt der slowenische Energieminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Andrej Vizjak fest, dass "eine weitreichende Einigung zu den Grundlagen" des Liberalisierungspakets erzielt worden sei. Dazu zähle die Frage der Entflechtung. Für diese liegen nun drei Optionen vor, zwischen denen die einzelnen EU-Staaten wählen können.

Organisatorische Trennung genügt

Entweder sie zwingen die Energieversorger zum Verkauf ihrer Netze, wie von der EU-Kommission zunächst gewünscht und in einzelnen Staaten wie etwa Großbritannien auch schon geschehen. Alternativ können die Regierungen die Konzerne verpflichten, ihre Netze einem komplett unabhängigen Treuhänder zu überantworten.

Die nationalen Regierungen können den Konzernen aber auch gestatten, ihre Netze in den Händen einer Tochtergesellschaft zu belassen. Deren Unabhängigkeit gegenüber dem Mutterkonzern muss jedoch gestärkt werden. Dieses Konzept unter dem Titel "Independent Transmission Operator" oder ITO (Unabhängige Übertragungsgesellschaft) boxte Deutschland gemeinsam mit Frankreich und einigen kleineren Staaten durch.

Abwehr gegen integrierte Konzerne erlaubt

Im Gegenzug dürfen dem Kompromisstext zufolge Staaten, die bei der Liberalisierung weiter gehen, gewisse Abwehrmaßnahmen gegen den Einstieg eines integrierten Konzerns auf ihrem Energiemarkt ergreifen. Das könnte sich nachteilig für Auslandsinvestitionen deutscher Konzerne erweisen, die an ihren eigenen Netzen festhalten. Dem Text zufolge müssen aber die Abwehrmaßnahmen mit dem EU-Wettbewerbsrecht kompatibel sein. Nach Einschätzung von Diplomaten kann damit integrierten Konzernen nicht vollständig der Einstieg verwehrt werden.

Die EU-Kommission und ihre Verbündeten, darunter Großbritannien, Schweden, Dänemark, die Niederlande, Spanien und Portugal, hatten das ITO-Modell zunächst nur befristet zulassen wollen. Nach dem am Freitag vereinbarten Kompromiss sollen nun drei Jahre nach Umsetzung der neuen Bestimmungen alle drei Entflechtungsmodelle auf den Prüfstand. Damit ist ITO nun den radikaleren Optionen gleichgestellt.

Mitbestimmungsrechte des Mutterkonzerns eingeschränkt

Hinnehmen musste die Bundesregierung eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte des Mutterkonzerns bei der Netztochter. Höchstens die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder plus eins darf nach der Vereinbarung vom Freitagabend vom Mutterkonzern bestimmt werden. Das ist zwar eine Mehrheit, für besonders wichtige Unternehmensentscheidung sind aber 75 Prozent der Stimmen im Aufsichtsrat erforderlich.

Zudem dürfen Manager des Mutterkonzerns künftig nicht mehr unmittelbar in die Tochtergesellschaft wechseln und umgekehrt. Als Karenzzeit vom Übergang von Mutter zu Tochter wurden drei Jahre, für die umgekehrte Richtung vier Jahre festgelegt.

Bei EU-Energieagentur Mehrheit gegen Deutschland

Auch für die Einrichtung einer EU-Energieagentur zeichnete sich eine Mehrheit gegen Deutschland ab. Gemeinsam mit Österreich setzte Berlin allerdings durch, dass zu diesem Punkt noch einmal verhandelt wird.

"Was in Ihrem Text zur Agentur steht, kann ich so nicht akzeptieren", sagte der deutsche EU- Botschafter Peter Witt dem Ratsvorsitzenden Vizjak. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte das Treffen bereits am Nachmittag verlassen.

Frankreich, dass mit sieben anderen Ländern bis dahin stets an der Seite der Bundesregierung gestanden hatte, enthielt sich in der entscheidenden Schlussrunde der Beratungen jeder Wortmeldung. Nur der österreichische Minister Martin Bartenstein stellte sich an die Seite Deutschlands. "Ich sehe das sehr ähnlich wie Deutschland", sagte er. "Österreichs Bedenken bleiben selbstverständlich voll aufrecht."

Mit der Trennung von Produktion und Netz will die EU-Kommission mehr Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt und sinkende Preise für die Verbraucher erreichen. Auch die Grünen fordern, das "Energiekartell" in Deutschland aufzubrechen, "um für fairen Wettbewerb auf den Energiemärkten zu sorgen und Innovationen und Investitionen in klimafreundliche, zukunftsfähige Energietechnik anzukurbeln".

Quelle: ntv.de

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