Absturz der Konservativen Die CDU steht Kopf
04.05.2008, 14:14 UhrWas ist los mit der CDU? Im Bund steht die Partei von Angela Merkel unangefochten an der Spitze, in den Ländern sieht das hingegen ganz anders aus. Die letzten Landtagswahlen haben bereits ein deutliches Zeichen an Merkels Himmelblau gemalt. Die Alleinregierungen in Hessen und Hamburg verloren, in Niedersachsen erhebliche Stimmenverluste. Für die Bayern-Wahl steht die Schwester-Partei CSU erheblich unter Druck. Und der Osten ist schon fast verloren. Hier liegen die Konservativen weit abgeschlagen hinter der Linken und einen Prozentpunkt hinter der SPD.
"Wählertäuschung" in Bayern
Höchste Zeit also, um das Wählervolk wieder in die Spur zu bringen. In Bayern versucht sich die CSU mit dem Verteilen von Wahlgeschenken wieder beliebt zu machen. Sie will die Bürger von 2009 an in drei Schritten um jährlich 28 Milliarden Euro steuerlich entlasten. Bezahlen wollen die Christsozialen dies mit "erhofften künftigen Steuermehreinnahmen". Kritik daran kommt aus dem Bundesfinanzministerium und der SPD, die mangels Finanzierung vor "Wählertäuschung" warnen. Auch die Kanzlerin lehnt Steuerentlastungen für das kommende Jahr mit Hinweis auf die Haushaltskonsolidierung ab.
Rolle rückwärts
In Hessen ist Roland Kochs Versuch gescheitert, im Streit über den Umgang mit jungen Kriminellen zu punkten. SPD-Chef Kurt Beck warf ihm Fremdenfeindlichkeit vor, die rechtsextreme NPD lobte ihn. Tatsächlich waren Kochs Forderungen an Verlogenheit nicht zu überbieten. Schließlich hatte er die Situation, die er im Wahlkampf beklagte, selbst verursacht: Koch strich tausende Polizeistellen in Hessen, kürzte bei Staatsanwälten, Richtern, bei der Jugendhilfe und der Bildung. Das musste schief gehen. Jetzt will er in die Polizei, in Staatsanwälte, Richter, Jugendhilfe und vor allem in die Bildung investieren. Denn es könnte ja schließlich zu Neuwahlen kommen.
Rot-Rot an der Saar?
Ostdeutsche Verhältnisse drohen auch ganz im Westen der Republik: Demoskopen sagen dem Saarland einen Regierungswechsel voraus. Demnach würde die CDU auf 43 Prozent der Stimmen kommen (-4,5), für die SPD würden sich 26 Prozent (-4,8) der Wähler entscheiden, und die erstmals antretende Linke bekäme 19 Prozent. Die Grünen und die FDP wären nicht mehr im Landtag vertreten. Die Umfrage jedenfalls sieht Rot-Rot vorne, sollten sich SPD und Linke nach der Wahl tatsächlich zu einer Koalition zusammenraufen. Die Linke ist dazu bereit; die SPD nur dann, wenn sie stark genug wird, um den Ministerpräsidenten zu stellen. Denn andererseits würde es einen Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine geben. Von Wahlgeschenken ist an der Saar indes noch nichts zu hören.
Müller in Personalnot
Ministerpräsident Peter Müller (CDU) setzt stattdessen aus einen Postenwechsel: Ausgerechnet der profilierte Superminister für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales, Josef Hecken, muss gehen und wird Präsident des Bundesversicherungsamtes in Bonn. Als Nachfolger präsentierte Müller dann den Juristen Gerhard Vigener (61), der an der privaten Fachhochschule SRH in Heidelberg lehrte und dem Landeswohlfahrtsverband Baden-Württemberg vorstand. Die Opposition frohlockte, die Personaldecke bei der CDU müsse sehr dünn sein, wenn Müller jetzt schon "einen landespolitisch unerfahrenen Hochschullehrer aus Baden-Württemberg" in sein Kabinett hole.
Absturz in Thüringen
In Sachen Kabinettsumbildung wegen mieser Umfragewerte macht dem Thüringischen Landesvater Peter Althaus (CDU) sicher niemand etwas vor. Letzte Umfragen prophezeien der bislang allein regierenden CDU den Untergang. Mit nur noch 33 Prozent liegt sie ganze zehn Prozent unter dem Ergebnis von 2004. Die Linke käme demnach auf 29 und die SPD auf 21 Prozent satte 50 Prozent also für Rot-Rot. Nach Sachsen und Sachsen-Anhalt ein weiteres bedrohliches Zeichen für die CDU. Doch Althaus hat kein Geld für Wahlgeschenke. Im Ranking der ostdeutschen Länder steht der hochverschuldete Freistaat an vorletzter Stelle und weitere Einsparungen kosten weitere Sympathiepunkte unter der Wählerschaft. Um dies zu umgehen, krempelte Althaus sein Kabinett um.
Der "Redakteur" der "JF"
Statt, wie versprochen, damit für "neue Impulse" zu sorgen, gerät Althaus jetzt wegen der "Personalie Krause" in den Fokus der Medien. Seit knapp vier Jahren sitzt der 44-jährige Peter Krause für die CDU im Thüringer Landtag, am nächsten Donnerstag soll er Kultusminister Jens Goebel beerben. Doch seit seiner Berufung wird Krause mit immer neuen Details aus seiner früheren Tätigkeit als Journalist konfrontiert. Der promovierte Literaturwissenschaftler arbeitete im Jahr 1998 als Redakteur der "Jungen Freiheit". Kritiker werfen den Zeitungsmachern vor, bis heute ein "Scharnier zur extremen Rechten" zu sein. Das Blatt darf man aber nicht "rechtsextrem oder rechtsradikal" nennen, das hatte das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der "Jungen Freiheit" entschieden. Neben dem Job bei der "JF" schrieb Krause noch Anfang 2000 für die rechtsgerichtete Zeitschrift "Etappe" und das "Ostpreußenblatt". Als Kultusminister im Kabinett Althaus wäre Krause auch verantwortlich für Schüler, Lehrer und zugleich auch Stiftungsratsvorsitzender der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Volkhard Knigge, betont daher, dass es für die international hoch angesehene Stiftung Buchenwald von "außerordentlicher Bedeutung" sei, dass "sie einen über jeden Zweifel erhabenen Stiftungsratsvorsitzenden hat".
Nicht wirklich "stramm rechts"
Krause will sich nicht in die rechte Ecke stellen lassen. Der Präsident des Weimarer Box-Vereins beteuerte, "alles andere als ein strammer Rechter" zu sein. Der gebürtige Weimarer bezeichnet sich lieber als "eher unkonventionell" mit einem "ungeraden politischen Weg".
Bisher sind keine der Vorwürfe gegen Krause strafrechtlich relevant. Die Berliner "tageszeitung" zitierte am Wochenende aus einem Aufsatz Krauses von 2003, in dem er die "argumentative Kraft der nationalsozialistischen Reden" analysiert habe. Er werde "anhand von ein paar aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten" angegriffen, wandte sich Krause gegen die Vorwürfe.
Ein "Armutszeugnis" für den Landesvater
Althaus stärkt seinem umstrittenen Parteifreund derweil weiter den Rücken. Krause müsse die Chance bekommen, "sich an seiner Arbeit messen zu lassen". Der Lehrerverband des Freistaates Thüringen hat dazu offenbar keine Lust und kann gar nicht verstehen, dass Althaus "jemanden ausgewählt hat, bei dem Zweifel an seiner politischen Gesinnung vorprogrammiert sind". "Ein Armutszeugnis" stellt Verbandschef Rolf Busch dem Landesvater aus. Der jedoch versucht nach Art seines Parteikollegen Roland Koch einige Stimmen von Rechtsaußen zu fischen. Was soll man auch machen, wenn es für Wahlgeschenke nicht reicht?
Quelle: ntv.de, mit dpa, AP, AFP und Reuters