Politik

Hauptsache Migranten stoppen Die CSU prägt den Gipfel - und verrennt sich

Voraussichtlich wird der EU-Gipfel ein klares Signal senden. Horst Seehofer wird das aber nicht reichen.

Voraussichtlich wird der EU-Gipfel ein klares Signal senden. Horst Seehofer wird das aber nicht reichen.

(Foto: dpa)

Es steht viel auf der Tagesordnung der Staats- und Regierungschefs in Brüssel: Wirtschaft, Währungsunion, Brexit. Wenn jetzt aber alle nur noch auf die Flüchtlingspolitik schauen, dann liegt das an der CSU und ihrem Druck auf Kanzlerin Merkel.

Dass Zuwanderung und Migration die beherrschenden Themen des EU-Gipfels sind, kann die CSU als ihren Erfolg verbuchen. Und sie könnte deshalb etwas gnädiger sein, wenn die konkreten Beschlüsse des Gipfels nicht ihrer Maximalforderung entsprechen. Zumal auch die Rhetorik der EU zunehmend die Argumente der Christsozialen und europäischer Rechtspopulisten aufnimmt und die Abschottung Europas in den Mittelpunkt stellt.

Die EU wird sich auf diesem Gipfel in eine Richtung bewegen, die der CSU gefallen wird: besserer Schutz der Außengrenzen und Sammellager in Nordafrika. Weil eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas nicht gelingt, sollen sie draußen bleiben. Darauf können sich im Grundsatz alle einigen. So wird die EU wohl "Ausschiffungsplattformen" außerhalb Europas fordern, in denen die Flüchtlinge gesammelt werden sollen - "Plattform" ist dabei die freundliche Umschreibung für "Lager".

Darüber wurde seit Jahren immer wieder diskutiert. Aber, welch Überraschung: Bislang möchte kein nordafrikanisches Land große Flüchtlingslager auf seinem Boden haben, selbst wenn internationale Organisationen sie betreiben würden. Warum sollten die Maghrebstaaten der EU ein Problem abnehmen, das sie auf eigenem Territorium nicht zu lösen weiß? Auch Italiener oder Spanier möchten solche Lager nicht in ihren Ländern einrichten, wären sie dann doch wieder diejenigen, an denen das ganze europäische Flüchtlingsproblem hängen bleibt.

Der CSU wird es nicht reichen

In ihrer Hilflosigkeit werden die EU-Staaten dennoch solche "Plattformen" fordern und ignorieren, was das bedeutet. Denn wie will man verhindern, dass die Flüchtlinge diese Sammellager einfach verlassen und auf den üblichen Routen weiterziehen? Doch nur durch massive Bewachung, was die Lager zu riesigen Gefängnissen machen würde. Wer wollte die Bewachung übernehmen, wer die Betreuung, die Verpflegung, wer die Kosten? Und wenn die Rückführung abgelehnter Asylbewerber heute schon an den Herkunftsländern scheitert, warum sollte das aus solchen Lagern heraus schneller gelingen.

Ganz zu schweigen von der Frage, was dann noch von dem humanitären Anspruch übrig bleibt, den die EU in Sonntagsreden so gerne hochhält.

Dennoch wird das das Signal dieses Gipfels sein: Europas Außengrenzen werden möglichst undurchlässig gemacht. Dagegen hat die CSU nichts. Es wird ihr aber nicht reichen. Deshalb spricht Angela Merkel mit einigen EU-Partnern auch über die "Binnenmigration", also die Wege der Flüchtlinge innerhalb der EU. Sie will bilaterale Abkommen abschließen, um bereits registrierte Flüchtlinge schneller in andere EU-Länder zurückschicken zu können. Spanien ist dazu bereit, Griechenland und Italien eher nicht.

Das Pikante daran: Diese Abkommen müsste Bundesinnenminister Horst Seehofer mit seinen EU-Kollegen aushandeln. Er hatte gefordert, europäische Lösungen müssten "wirkungsgleich" zu seinem Plan sein, registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Dafür wäre er dann selber verantwortlich.

Wie geht es weiter mit CDU und CSU?

Ob sich die CSU darauf einlässt, ist völlig offen. Denn lange Verhandlungen mit europäischen Nachbarn haben nicht die gleiche Signalwirkung wie Bilder deutscher Bundespolizisten, die Flüchtlinge an der deutschen Grenze abweisen - am besten gleich kommende Woche. Und es ist dieses Signal - "unsere Grenze, wir handeln, und zwar sofort". Und dieses Signal möchte die CSU so gerne setzen.

Dabei ist ihr egal, dass gar nicht so viele Flüchtlinge an der Grenze ankommen, die von Polizisten zurückgewiesen werden müssten. Viele, die kommen, werden zudem schon jetzt abgewiesen. Und wer trotzdem ins Land will, dem bleibt dann immer noch der Weg über die grüne Grenze (mit freundlicher Hilfe österreichischer Grenzpolizisten, wie die Bundesregierung mutmaßt).

Der Effekt des Seehofer'schen Alleingangs wäre also nicht sehr groß, was die Zahl der Flüchtlinge angeht. Umso größer wäre die verheerende Wirkung auf den Zusammenhalt der Schwesterparteien CDU und CSU und auf die Regierung, wenn Seehofer tatsächlich Merkels Richtlinienkompetenz herausfordern sollte. Auch in der CSU haben einige erkannt, dass der Anlass und die möglichen Folgen in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Doch für Seehofer und Söder wäre der Eindruck fatal, dass sie sich in der Flüchtlingsfrage wieder nicht gegen Merkel durchsetzen können.

In der EU erschreckt der Gedanke an eine mögliche Regierungskrise in Deutschland sogar jene Politiker, die Angela Merkel nicht besonders freundlich gesonnen sind. Das erhöht die Chancen, dass sie der Kanzlerin entgegenkommen. Die CSU könnte sich darüber freuen - hätte sie sich nicht derart verrannt.

Quelle: ntv.de

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