Rohlinge und Hühnerhaufen Die Sprache der Koalition
19.12.2007, 09:37 UhrTrotz eines Appells der Fraktionsspitzen von Union und SPD an die gemeinsame Verantwortung bleibt die Stimmung in der großen Koalition angeheizt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Äußerung des CSU-Landesgruppenchefs Peter Ramsauer, die Erbschaftsteuerreform sei nur ein Rohling ohne Bedeutung, gelte auch für Ramsauer selbst: "Wenn ein angeblich wichtiger CSU-Politiker wie Herr Ramsauer einen unter der Leitung einer Unions-Kanzlerin vom Kabinett beschlossen Gesetzentwurf als Rohling ohne Bedeutung bezeichnet, dann kommt mir das eher wie eine Selbstbeschreibung des Kollegen vor." Was die Union in Sachen Erbschaftsteuer derzeit treibe, sei eher Kabarett.
Strapazierter Hühnerhaufen
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf Kanzlerin Angela Merkel vor, ihre Partei nicht im Griff zu haben. "Wir erwarten von der CDU-Vorsitzenden vor allen Dingen, dass sie für Verlässlichkeit sorgt", sagte Heil der Oldenburger "Nordwest-Zeitung". Die CDU wirke momentan "wie ein nervöser Hühnerhaufen". "Angela Merkels wichtigstes Politikprojekt ist ihre eigene Kanzlerschaft", meinte Heil. Die SPD erwarte aber, dass Merkel als Parteivorsitzende "ihre Partei in Ordnung hält und in der Union durchsetzt, was sie mit uns vereinbart hat".
Der Vorwurf des "Hühnerhaufens" ist nicht neu: CDU-Vize und Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte bereits im Juli in den Sozialdemokraten einen "wilden Hühnerhaufen" gesehen und von der SPD mehr Koalitionsdisziplin verlangt. Koch legte der SPD die Abwahl von Parteichef Kurt Beck nahe. Die SPD keilte zurück und nannte Koch einen "politischen Strolch".
Gemeinsamer Appell: Unterschiedlich und miteinander
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), sein SPD-Kollege Peter Struck sowie Ramsauer forderten indes ihre Abgeordneten in einem gemeinsamen Schreiben auf, sich trotz aller Differenzen bis 2009 für das Regierungsbündnis einzusetzen. Die Kooperation in der großen Koalition sei "in den letzten beiden Jahren bei allen Schwierigkeiten verlässlich geworden", heißt es dort. Die Parteien wüssten, was miteinander zu vereinbaren sei und was nicht. "Aber zu den Erfahrungen gehört auch, dass wir uns nicht überfordern dürfen. Denn wir haben im täglichen Miteinander gelernt, dass die Positionen der Volksparteien tatsächlich sehr unterschiedlich sind, unterschiedlich bleiben und bleiben sollen", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" aus dem Schreiben.
Diese Erfahrungen hätten alle im zähen Ringen um die Gesundheitsreform, die Erbschaftsteuer und die Neuausrichtung der Bahn gemacht. "Wir sehen in diesem Bündnis nach wie vor die große Chance, dass die Volksparteien Aufgaben schultern können, die in kleinen Koalitionen nicht angegriffen werden können." In den Medien sei die Koalition mit immer neuen Verfallsdaten versehen worden. "Wir werden all diese Prognosen Lügen strafen und unsere Arbeit bis 2009 erfolgreich fortsetzen", schreiben Kauder, Ramsauer und Struck.
Die Koalitionsparteien waren in den vergangenen Wochen immer häufiger in Kernthemen aneinandergeraten. Streit gibt es unter anderem bei den Themen Mindestlöhne, Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere, Erbschaftsteuer und Kinderrechte.
Quelle: ntv.de