
Denis Dikun, Dmitrij Rawitsch und Oleg Moltschanow sollen einen Bahn-Schaltschrank angezündet haben.
(Foto: Viasna Human Rights Centre, spring96.org)
Um das Fortkommen der russischen Truppen in der Ukraine aufzuhalten, verüben zahlreiche Belarussen Sabotageakte gegen die Bahn-Infrastruktur im eigenen Land. Machthaber Lukaschenko kündigt harte Maßnahmen an - bis hin zur Todesstrafe. Für drei der rund 80 festgenommenen Partisanen rückt die Gefahr in unmittelbare Nähe.
In Belarus sind die Ermittlungen gegen drei Männer abgeschlossen worden, die wenige Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine eine Bahnanlage beschädigt haben sollen, um den Transport russischer Militärtechnik ins Kriegsgebiet aufzuhalten. Nach Angaben des Ermittlungskomitees droht den Tatverdächtigen die Todesstrafe. Der Fall sei der Staatsanwaltschaft zur Weiterleitung an das zuständige Gericht übergeben worden, hieß es in einer Mitteilung des Ermittlungskomitees des autoritär regierten Staates. Nach Angaben des Menschenrechtszentrums "Wjasna" handelt es sich bei den Beschuldigten um Denis Dikun, Dmitrij Rawitsch und Oleg Moltschanow. Die Männer werden in den Medien die "Swetlahorsker Partisanen" genannt, sie sind 29, 33 und 51 Jahre alt.
In der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März war am Bahnhof Scherd-Ostankowitschi unweit der Stadt Swetlahorsk im Süd-Osten des Landes ein Schaltschrank der Bahn angezündet worden. Die Aktion habe möglicherweise das Fortkommen der russischen Züge mit Ausrüstung und Waffen in die Ukraine gestört, betonen die Menschenrechtler. Verletzt wurde dadurch niemand. Ermittlern zufolge belief sich der Schaden auf etwa 55.000 Rubel, umgerechnet rund 16.000 Euro.
Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar fing in Belarus ein sogenannter Schienenkrieg an. Zahlreiche Menschen verübten Sabotageakte gegen die Bahninfrastruktur, um die Kreml-Truppen aufzuhalten. Mit ihren Aktionen trugen die Partisanen dazu bei, die Einnahme Kiews durch Russland zu vereiteln. Seit Ende Februar wurden nach Angaben der Behörden rund 80 "Eisenbahnpartisanen" in Gewahrsam genommen.
Gefesselter "Volksverräter" mit Folterspuren "gesteht" die Tat
Wenige Tage nach der Brandstiftung bei Swetlahorsk wurden Dikun, Rawitsch und Moltschanow am 4. März unter Terrorverdacht festgenommen. Daraufhin veröffentlichte das Innenministerium ein "reumütiges" Video von Dikun. Das Gesicht des Mannes weist deutliche Folterspuren auf, seine Hände sind offenbar hinter dem Rücken gefesselt. Der 29-Jährige "gesteht" darauf, die Tat auf Anweisung von der Organisation ByPol zusammen mit zwei weiteren Personen begangen zu haben. ByPol ist eine Initiative, die ehemalige Mitarbeiter der belarussischen Sicherheitsorgane vereint, die sich von Machthaber Alexander Lukaschenko abgewandt haben. Die Organisation übernahm die Verantwortung für einige der Sabotagakte an der Bahn.
Die "Vaterlandsverräter", wie die drei Belarussen in der Mitteilung des Ermittlungskomitees bezeichnet werden, werden in vier Punkten angeklagt: Beteiligung an einer extremistischen Gruppierung, Terrorakt, Hochverrat und vorsätzliche Störung von Verkehrsverbindungen. "Für die Begehung dieser Taten droht den Männern die Höchststrafe bis hin zur Todesstrafe", heißt es in der Mitteilung schließlich.
Lukaschenko weitet Todesstrafe aus
Erst im Mai hatte Lukaschenko ein neues Gesetz unterzeichnet, demzufolge schon die Vorbereitung und der "Versuch eines Terrorakts" mit der Todesstrafe geahndet werden können. Die Höchststrafe kann nun unter anderem auch für Terrorakte verhängt werden, die keine Opfer nach sich zogen. Bisher konnte die Todesstrafe in Belarus nur verhängt werden, wenn das Verbrechen zum Tod von Menschen führte. Die Verschärfung des Strafrechts dient laut Experten der Verfolgung politischer Gegner Lukaschenkos.
In unabhängigen belarussischen Medien werden allerdings mehrere Anwälte zitiert, die darauf hinweisen, dass das Gesetz nur die Handlungen betrifft, die nach dem Inkrafttreten der Novelle - also dem 29. Mai - begangen werden. Doch angesichts der direkt ausgesprochenen Drohung des Ermittlungskomitees sowie der Willkür und Regimetreue der belarussischen Justiz kann man von den Richtern in dem Prozess gegen die "Swetlahorsker Partisanen" jedes Urteil erwarten - bis hin zur Todesstrafe.
Quelle: ntv.de