Neue Regelung Durch die Kirche zur Polygamie
07.07.2008, 16:39 UhrDie neue Eheregelung für kirchliche Hochzeiten ohne Gang zum Standesamt könnte nach Meinung von Politikern Mehrfach-Ehen den Weg ebnen. "Die Vermutung, dass man kirchlich den einen, zivilrechtlich den anderen Partner heiraten kann, liegt auf der Hand", sagte FDP-Innenexperte Max Stadler der "taz". "Das muss die Bundesregierung schleunigst klären." Kirchen und Standesämter sollten bei Brautpaaren unbedingt prüfen müssen, ob bereits eine Ehe geschlossen wurde.
Der rechtspolitische Experte der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic, sagte: "Juristisch gesehen zählt die Kirchentrauung zwar nicht als Ehe. Aber im Bewusstsein der Menschen ist man dann mit zwei Partnern verheiratet." Zuvor hatte schon der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, eine Überprüfung der neuen Regelung angekündigt.
Die Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes warnt vor einem Anstieg der Zahl der Zwangsheiraten. "Unsere große Sorge gilt muslimischen Frauen, die künftig leichter in eine religiöse Ehe gezwungen werden können. Aber es gibt auch in den christlichen Kirchen fundamentalistische Kräfte, die wir nicht unterschätzen dürfen", sagte Rahel Volz von Terre des Femmes der in Essen erscheinenden "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Auch die türkische Frauenrechtlerin Seyran Ates kritisierte, dass rein religiöse Eheschließungen insbesondere in der muslimischen Bevölkerung erhebliche Konsequenzen haben könnte. Damit öffne Deutschland der "muslimischen Zwangsheirat und der Viel-Ehe" Tür und Tor.
Nach dem Ende 2006 beschlossenen neuen Personenstandsrecht, das ab 1. Januar 2009 gilt, sind kirchliche Hochzeiten auch dann erlaubt, wenn die Ehe vorher nicht standesamtlich geschlossen wurde. Die Regelung, wonach Pfarrer und Priester durch eine solche Trauung eine Ordnungswidrigkeit begehen, wird aus dem Gesetz gestrichen. Das Bundesinnenministerium wies darauf hin, dass sich dadurch an der Bedeutung der Ehe nichts ändert. Nur eine vor dem Standesamt geschlossene Ehe entfalte ihre rechtliche Bindung. Das heißt, von allen rechtlichen und steuerlichen Vorteilen profitieren weiterhin nur Paare, die standesamtlich geheiratet haben.
Terre des Femmes kritisierte die neue Regelung als katastrophal. "Die Rechte, die Frauen in einer staatlichen Ehe zustehen, können durch eine rein religiöse Hochzeit umgangen werden", sagte Volz. Terre des Femmes will dafür eintreten, dass dieses Gesetz nicht wirksam wird.
Quelle: ntv.de