Politik

Vermisste Kinder EU-Alarmsystem gescheitert

Die Idee eines europaweiten Alarmsystems für vermisste Kinder ist vom Tisch. Wegen erheblichen Widerstands unter anderem aus Deutschland einigten sich die EU-Justizminister lediglich auf eine Vernetzung bestehender nationaler Alarmsysteme. Für grenzüberschreitende Fahndungsaufrufe über Massenmedien oder SMS, wie sie EU-Justizkommissar Franco Frattini wünscht, gibt es in den meisten EU-Staaten bislang aber keine Grundlage.

Für Deutschland schloss Bundesjustizministerin Brigitte Zypries den Aufbau eines Alarmsystems aus, bei dem Informationen über vermisste Kinder regelmäßig über die Massenmedien oder per SMS verbreitet werden. "Wir führen in Deutschland kein neues System ein", sagte Zypries. Die Polizei schalte, wenn es für die Ermittlungen sinnvoll erscheine, schon jetzt die Medien ein.

In Frankreich, Portugal, Griechenland und mit Einschränkungen in den Niederlanden werden die Medien intensiver für Fahndungsaufrufe genutzt, in Frankreich auch SMS. Belgien plant ein ähnliches System.
Justizkommissar Frattini forderte, wenn zum Beispiel auf Anzeigetafeln an einer französischen Autobahn Informationen über ein vermisstes Kind eingeblendet würden, sollte dies an der Grenze zu Deutschland nicht plötzlich aufhören. "Es sollte weitergehen, allerdings nur wenn es Hinweise auf die vermissten Kinder" in Deutschland gibt, sagte der Justizkommissar. Nach einer Vermisstenmeldung könnte der Radius der über Medien und SMS verbreiteten Informationen "alle 30 Minuten erweitert werden".

Frattini musste jedoch einräumen, dass in den meisten EU-Staaten die Voraussetzungen für grenzüberschreitende Fahndungsaufrufe in dieser Form fehlen. "Das schnelle Alarmsystem hängt vom guten Willen der Mitgliedstaaten ab", sagte der Justizkommissar.

Entscheidung je nach Fall

Zypries warnte vor einer "Reizüberflutung mit Bildern", falls die Fernsehzuschauer künftig regelmäßig mit Aufnahmen vermisster Kinder aus ganz Europa konfrontiert würden. Ähnlich äußerte sich die österreichische Justizministerin Maria Berger. Wenn ein Kind verschwinde, sei oft schwierig zu entscheiden, "ob es wirklich sinnvoll ist, sofort an die Öffentlichkeit zu gehen, oder ob man lieber diskret vorgehen sollte", fügte Berger hinzu.

Zypries wies darauf hin, dass in Deutschland 50 Prozent der vermisst gemeldeten Kinder binnen drei Tagen wiedergefunden würden oder von sich aus nach Hause zurückkehrten. Fälle wie der des britischen Mädchens Madeleine, das Anfang Mai unter bis heute ungeklärten Umständen aus einer Ferienanlage in Südportugal verschwand, seien sehr selten.

Nach Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) konnten von 14.658 im Jahr 2001 gemeldeten Vermisstenfällen bis Juni 2003 14.519 Fälle aufgeklärt werden. Bei den verbleibenden 139 handelte es sich laut BKA überwiegend um Fälle, in denen ein Elternteil gegen den Willen des Partners mit den Kindern in ein anderes Land zog, sowie um unbegleitete Flüchtlingskinder. Die portugiesische Ratspräsidentschaft erklärte, in den Ländern, die über ein Alarmsystem verfügten, sei dieses in rund einem Dutzend Fällen genutzt worden.

Liste vermisster Kinder im Internet

Die Minister vereinbarten, eine Liste aller vermissten Kinder in Europa auf einem geplanten Justizportal im Internet zu veröffentlichen. Verlässliche Informationen über die Zahl vermisster Kinder europaweit gibt es derzeit nicht.

Quelle: ntv.de

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